... Es sollte uns zu denken geben, dass überführte Dopingsünder ebenso wie die Ärzte stets versichern, dass auch die sportlichen Gegner gedopt seien und man ohne Doping international keine Chance habe.
Es gibt gute Gründe, solche Aussagen als billige Rechtfertigungen auszusortieren. Aber wir sollten auch erwägen, dass diese Behauptungen der Wahrheit möglicherweise sehr nahe kommen.
Warum sollte uns das "zu denken geben" und warum sollten wir erwägen, dass diese Behauptungen der Wahrheit "möglicherweise sehr nahe kommen"?
(Konkret auf die Einzelfälle bezogen, die mir hier spontan mit derartig getätigten Behauptungen einfallen (Bernhard Kohl, Hütthaler, Dürr) fällt mir vor allem auf, dass die Athleten, die dies behaupten durchweg eine komplett unglaubwürdige Leistungsentwicklung hatten, viel zu schnell für eine natürliche und nachvollziehbare Leistungsentwicklung in der internationalen Spitze auftauchten, so dass ihre Leistung schon bevor sie erwischt wurden, äußerst unglaubwürdig war.)
Unabhängig davon, dass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass im spitzensport (gerade Radsport) nah am Rande der Legalität gearbeitet wird.. so ist für mich die Überlegung „alle andern tun es doch auch“ menschlich nachvollziehbar.
Auch wenn Hafus Beispiele für eine unnatürliche Entwicklung der Leistungsfähigkeit stehen, so werden sich auch die drei genannten von Kindheit an den A**** aufgerissen haben und für die Weltspitze hat es trotzdem nicht gereicht, so wie bei unendlich vielen anderen auch. Sei es wegen fehlendem Talent, verletzungaanfälligkeit bei noch mehr Training oder was auch immer - nicht jeder hat die Voraussetzungen Profi zu werden oder noch mehr „wenn er nur hart genug arbeitet“.
Da kann ich durchaus verstehen, wenn junge Menschen sich das nicht eingestehen wollen und sagen „die fehlenden Prozent müssen daran liegen, dass die andern dopen“.
Ich heiße den Gedanken nicht gut - ich kann ihn nur in gewissem Maße nachvollziehen.
Soll heißen, die Aussagen müssen nicht darauf hinweisen, dass die erwischten Sportler wissen, dass alle dopen.
Warum sollte uns das "zu denken geben" und warum sollten wir erwägen, dass diese Behauptungen der Wahrheit "möglicherweise sehr nahe kommen"?
Konkret auf die Einzelfälle bezogen, die mir hier spontan mit derartig getätigten Behauptungen einfallen (Bernhard Kohl, Hütthaler, Dürr) fällt mir vor allem auf, dass die Athleten, die dies behaupten durchweg eine komplett unglaubwürdige Leistungsentwicklung hatten, viel zu schnell für eine natürliche und nachvollziehbare Leistungsentwicklung in der internationalen Spitze auftauchten, so dass ihre Leistung schon bevor sie erwischt wurden, äußerst unglaubwürdig war.)
Das ist möglicherweise richtig, aber die Liste ist etwas länger: Rolf Aldag, Erik Zabel und Jan Ullrich gehören dazu, Patrick Sinkewitz, Stefan Schuhmacher, Jörg Jaksche, Tyler Hamilton, Jesus Manzano, Bjarne Riis, Marco Pantani und viele andere mehr, die alle sagen, es gäbe ein systemimmanentes Dopingproblem. Das ist jetzt nur der Radsport, und Du kennst diese Argumentation natürlich ebenso gut wie ich.
Würdest Du in der Leichtathletik, beispielsweise beim 100m-Sprint, von gedopten Einzelfällen ausgehen, oder von einem systemimmanenten Problem? Und wie wäre es bei den Ringern und Gewichthebern? Oder den Schwimmern?
Für den österreichischen Skilanglauf hat mir das Buch von Doping-Hoflieferant Stefan Matschiner viele Illusionen eines sauberen Spitzensports genommen. Auf mich wirkt er in seinen Schilderungen glaubwürdig.
Dein Argument mit nachvollziehbaren oder nicht nachvollziehbaren Leistungsentwicklungen hat etwas für sich. Dennoch ist es problematisch. Nimm als Beispiel die Leistungsentwicklung von Radrennfahrer Emanuel Buchmann. Hier seine Platzierungen bei der Tour de France der letzten Jahre:
2015: 83. Platz
2016: 21. Platz
2017: 15. Platz
2018: --
2019: 4. Platz, 1:56 min hinter Egan Bernal von INEOS
2020: 38. Platz
Ist das jetzt eine nachvollziehbare Leistungsentwicklung, oder haut das Jahr 2019 etwas oben raus? Meiner Meinung nach lässt sich das kaum beantworten. Es kommt stark darauf an, ob man seine Gegner für gedopt oder sauber hält.
Bestens im Bilde über die weit verbreitete Leistungsmanipulation seiner Athleten war möglicherweise auch der Österreichische Skiverband (ÖSV). Das legen Hotelrechnungen nahe, die die Vorsitzende Richterin Marion Tischler über einen Dia-Projektor an die Wand werfen lässt. Es sind Belege über Zimmer, die der ÖSV vor und während der Olympischen Winterspiele für einige Athleten gebucht hatte. Und in denen Dürr abgestiegen war, um sich Blut zuführen zu lassen. Anschließend sei er gleich wieder zurück nach Sotschi geflogen.
Von diesem möglicherweise existierenden doppelten Spiel des Verbandes oder der Verbände abgesehen: Es sollte uns zu denken geben, dass überführte Dopingsünder ebenso wie die Ärzte stets versichern, dass auch die sportlichen Gegner gedopt seien und man ohne Doping international keine Chance habe.
Es gibt gute Gründe, solche Aussagen als billige Rechtfertigungen auszusortieren. Aber wir sollten auch erwägen, dass diese Behauptungen der Wahrheit möglicherweise sehr nahe kommen.
Was ist die Quintessenz einer solchen Erwägung? Was soll das bedeuten? Nur weil alle dopen, muss ich es auch machen? Nur weil bereits in der Antike nachgeholfen wurde, Doping also schon immer dazugehörte, ist Doping ein fester Bestandteil jedweden Sports? Sorry, dafür habe ich wenig Verständnis. Auch wenn eine "Brot&Spiele" Mentalität weit verbreitet ist, heisst das nicht, dass man das tolerieren sollte.
Woher weiß er oder wissen andere Sportler, dass flächendeckend gedopt wird? Gibt es da einen regen Austausch unter Sportlern und/oder Ärzten? Unterhält man sich mit Teamkollegen/Konkurrenten, wo man die beste Behandlung bekommt? Oder beruht das nur auf den Annahmen, dass die anderen stärker sind oder der Beobachtung der Leistungsentwicklung?
Wenn es einen so regne Austausch gibt, sollte es doch möglich sein, Namen zu nennen. wenn schon nicht öffentlich (was ich verstehen könnte), dann zumindest den Ermittlungsbehörden.
Das Geständnis wirkt für mich so, als würde er nur das zugegeben, was man ihm nachweisen kann.
Mark S. berichtete von seiner Zeit als Teamarzt der Radrennställe Gerolsteiner und Milram von 2007 bis 2010. Obwohl die beiden Teams wegen Dopingfällen aufgelöst worden waren, stritt er ab, in jene Manipulationen verwickelt gewesen zu sein. "Warum ich mich danach entschloss, Eigenblutdoping anzuwenden, das kann ich nicht sagen.
Und nach der Entlassung fängt er dann mit einem Mal an, selbstständig Sportlern "zu helfen"? Ohne Vorwissen? Und wie kamen die Sportler dann zu ihm? Er wird ja nicht zu den Wettkämpfen gegangen sein und seine Dienste angeboten haben. Es wird auch kein Sportler mal so nach Erfurt zu einem Sportarzt gefahren sein und gefragt haben, ob er ihm beim Dopen hilft.
Auch die Aussage:
Er habe aber den Sportlern auf "höchstem Niveau" helfen wollen. "Leider hab ich aus den Augen verloren, dass ich dem Sport dadurch schade"
Finde ich etwas befremdlich. Da scheint der moralische Kompass doch komplett in die falsche Richtung zu zeigen....
Was ist die Quintessenz einer solchen Erwägung? Was soll das bedeuten? Nur weil alle dopen, muss ich es auch machen?
Ja, da bringst Du eine Realität im Profisport auf den Punkt. Lediglich das Wörtchen "nur" ist etwas zynisch.
Deine rechtschaffene Entrüstung hilft leider überhaupt nichts. Wenn man das Doping im Spitzensport ausschließlich als eine freie Entscheidung der einzelnen Sportler einordnet, wird sich an dem System nichts ändern.
In dem System aus Teamstrukturen oder Kadern, Trainern, Ärzten, Sponsoren und Medien sind die Sportler nur ein Rädchen im Getriebe. Fliegt einer gedopt auf, rückt ein anderer an seine Stelle. Am System ändert sich nichts.