Das schreibe ich für meine Freundin Anja, die Laufrakete. Sie wollte eigentlich ihre neue PB laufen, hatte aber seit ein paar Tagen eine Halsentzündung/Erkältung. Also schwenkte sie kurzerhand auf das Motto „betreutes Laufen“ um und erklärte mir gestern, sie würde mich begleiten. Unfassbar, diese Frau.
Da ich Laufen trainingstechnisch leider sehr vernachlässigt habe, wurde mir stellenweise sogar abgeraten, den HM zu laufen. Meine längste Trainingsstrecke lag bei 14,5 km.
Andererseits stand heute eh ein langer Lauf auf dem Plan, also ging es nur darum, sich nicht anstecken zu lassen und tatsächlich gaaanz langsam los zu laufen. Mein Ziel war, mit 7:30/:40er pace zu beginnen und falls ich es schaffe, ab 10km schneller zu werden.
Anja hatte sich als „Frühling“ verkleidet mit Sonnenblumen auf dem Kopf. Brav stellen wir uns ganz hinten an, und da steht noch jemand in Verkleidung: ein Mann als rosa Schwein.
Trotz diverser WC-Besuche vorher habe ich zu viel getrunken und muss schon am Start. Wir reden mir ein, das sei Nervosität und würde sich geben. Außerdem kämen sicher bald Dixies. Dann geht es auch schon los.
Tatsächlich gehen wir es langsam an und lassen uns nicht mitreißen. Das Schwein läuft ähnlich und so lief ich die ersten 11km mit einem Schwein zu meiner Linken und der Frühlingsblume an meiner rechten Seite. Die beiden unterhielten sich über ihre bisherigen und geplanten Marathonläufe, ich trabe mittendrin...
Schön war, dass auch ganz normale Passanten mit leuchtenden Augen uns ansahen und zujubelten.
Die ersten 7 km hatte ich wie einen Trainingslauf empfunden, allerdings war meine volle Blase doch ganz schön lästig, zumal ich ja noch eine kleine Flasche dabei hatte und weiter trank. Am km 9,5 kam die erste Verpflegung, hab brav mein Gel genommen, Wasser getrunken und das Dixie gesucht. Keines da. Und am Museumsufer geht man halt auch nicht einfach so ins Gebüsch. Also weiterlaufen.
Ein wenig übermütig fragte ich bei km 10, ob wir anziehen sollten, aber Anja meinte nur, ich solle so laufen, dass ich mich wohl fühle. Na gut, also weiter im Trabpace.
Wir stoppten die Zeit fast jeden km (wenn wir es nicht vor quatschen vergessen hatten) und hatten einen guten Überblick, im Schnitt waren wir so bei 7:15her pace.
Ab km 12 war ich besonders froh, Anja zu haben (das Schwein hat doch die Rennsau freigelassen und Gas gegeben, denn es wollte unter 2:30h reinkommen).
Ich hatte nämlich ein Motivationsloch. Kraft war da und auch die Atmung lief gut, aber ich fragte mich im Hinterkopf, warum ich jetzt die Mörfelder Landstraße entlang renne, wenn man doch auch ganz andere Sachen machen könnte – und das mit voller Blase....
Anja eröffnete mir ihren Plan, ab km 17 könnten wir versuchen, ein wenig Gas zu geben, wenn meine Beine es zu lassen. Ok, wir werden es sehen. Um die Beine mache ich mir keine Sorgen, höchstens um die Atmung.
Endlich am km 14 die zweite Station, ich nehme doch das 2. Gel und... Halleluja, ein Dixie!! Der Spaß kostet fast 2 min, aber der psychologische Effekt ist unfassbar gut!
Jetzt geht alles ganz schnell. Es naht km 17, an dieser Stelle weiß ich, dass knapp 20 Leute hinter uns sind, denn durch eine Wendemarke begegnet man sich kurz.
Anja zieht an und ich mit. Hm, so ganz locker ist das dann aber nicht mehr. Ab diesem Moment fällt mir Atmung schwerer und ich laufe auch schwerfälliger. Schluß mit Kaffeefahrt.
Wir nähern uns dem 6er pace, mal ein wenig drüber, mal etwas darunter. Aber den halten wir gut auf den nächsten km und es gelingt sogar, ein paar Leute zu überholen. Wow. „Und immer schön die Arme mitnehmen, denn die Arme steuern die Beine“ – das war das Mantra der letzten km.
Bei km 19 kommt die Commerzbank-Arena in Sicht, aber... es sind ja noch 2,1km zu überstehen. Ich könnte nicht noch schneller werden, aber will es ab km 20 versuchen. Eine lange Runde außen um das Stadion steht an, aber da sind ganz viele Menschen die klatschen und jubeln (meist Läufer, die schon lange im Ziel sind). Das ist super.
Um genau 2:30h nach Start geht’s in den Tunnel zum Stadion, Anja, die vor mir her tänzelt, bleibt kurz stehen und sagt: „jetzt kommt er, das ist dein Zieleinlauf“.
Wir laufen nebeneinander ins Stadion und sehen auf halber Strecke zum Ziel einen Mann, der uns gerade überholt hatte. Ich sag nur zu Anja „den kriegen wir“ und sprinte los.
Sie zieht natürlich mit und mir sprinten im Schweinsgallopp die letzen 100m (an dem armen Kerl vorbei) durchs Ziel. YEAH! 2:31:23 h
Ich fange sofort an zu heulen, Anja nimmt mich zum Glück ganz fest in den Arm (wo ist Rakiura?) und stehe ab da recht neben mir. Kurzfristig bin ich totaaaal happy, dann bekomme ich einen Krampf im Brustmuskel (HÄ??), die Gelenke schmerzen etwas und ich bin dankbar für die ganzen Getränke und gehe zum verabredeten Ersatzpunkt, falls Rakiura nicht im Ziel auf mich warten kann.
Auf die ganzen netten Menschen die ich unterwegs noch treffe, kann ich gar nicht richtig eingehen. SORRY an alle (besonders Klaus und Thorsten), es tut mir Leid! Ich wollte nur noch meine Becher leer trinken, zu Rakiura, und dann nach Hause.
Anja freute sich riesig wie gut ich gelaufen sei (von wegen Wettkampfsau und so), aber das habe ich nicht nachvollziehen können. Ich war doch langsam?
Endlich den Mann gefunden, mir wurde ein wenig schlecht, aber als ich dann meine getrockneten Aprikosen ich mich reinschaufelte, hörte das auf.
Die Treppen zum Parkplatz konnte ich sehr gut gehen und nach der heißen Dusche geht’s mir klasse.
Zum Glück sind wir gleich zu Kaffee und Kuchen eingeladen, dann wird die verbrauchte Energie wieder zugeführt.
Anja, ich werde das nie vergessen, vielen, vielen Dank für deine Begleitung, die guten Tipps und die große Motivation!
Jetzt heul ich gleich wieder ein bisschen....Und bin stolz und glücklich!!