Schon wieder ein langes Wochenende und Donnerstagabend nachm Schaffen los.
Ziel: Bad Tölz, die gigantische Übungs- und Ausbildungshalle der Bergwacht dort.
Ein Kollege hatte mich für die Freitag stattfindende Einsatzübung Bergrettung angefixt und ich war nach ner lauten Nacht dort aufm Parkplatz (Strasse nebenan, aber vorallem die laut wie n Düsentriebwerk brüllende Eismaschine der Eishalle n paar Meter weiter) hochgespannt, was mich erwarten würde.
Welche Aufgaben hält die noch friedlich daliegende Halle bereit?
Wir solltens bald erfahren. Treffen bis halb Neun, ab Neune gings mit ner kurzen Mittagspause Schlag auf Schlag bis ca. halb Fünf.
Normal ist die Veranstaltung auf 12 Teilnehmer ausgelegt, wir waren zu neunt angemeldet und einer kam nicht, also rackerten wir zu acht durchs Programm, mit dem normal auch Zwölfe ausgelastet sind.
Ich war morgens noch skeptisch, ob ich nicht ein wenig zu luftig angezogen wär, nach 10 Minuten in Action war die Frage negativ beantwortet, ich klatschnass geschwitzt.
Ich dachte an sich, wir kriegten ein Szenario nach dem andern vorgesetzt, zwo vormittags, zwo nachmittags und danach gibts jeweils ne Besprechung, aber es ging drunter und drüber, die 'Einsätze' klatschten parallel und zeitgleich auf, alle naslang ne Rückfrage ob man noch jemanden entbehren könnte, keine Chance, mehr als nur am Rande mitzukriegen, was die anderen grad machten, geschweige denn, irgendwohin zu wechseln, wo man sich mehr 'für interessierte oder mehr Ahnung hatte von.
Zeit, Bilder zu machen?
Kaum, man denkt auch irgendwie nicht dran, so ist man im jeweiligen Szenario gefesselt und gebunden.
Es ging los mit irgendnem Abgestürzten in nem Steilhang.
Naja, glücklicherweise lag er auf so ner Art Podest. Vortrupp mit irgendwem mit medizinischer Ausbildung zuerst, ich hab Material hinterhergetragen und nen Seilsatz eingebaut, um die Trage runterzulassen, und, den Patienten dann in selbige eingeladen, vollends runter abzulassen.
Grad glücklich alles aufgebaut und die Trage n Stück abgelassen: ätsch, der Statikseilsatz hat eine Verbindungsstelle.
Also schnell Flaschenzug eingebaut, alles da drauf übernommen, eine Abseilbremse nach der anderen hinter die Verbindungsglieder umgebaut und die Last wieder auf die eigentlichen Seile gegeben.
Nächstes Thema; in die hängende Trage kannste keinen Patienten, der schonend transportiert werden muss, einladen. Und in der Schräge neberm Patient bleibt das Ding nicht von selbst liegen, halten kanns auch niemand und überhaupt.
Am Rande krieg ich mit, dass noch Kollegen zur nächsten Übung, Baumrettung müssen.
Nach gefühlt endlos hatten wir den Patienten unten und übergeben.
Keine Zeit für Orientierung, jemand war im Klettersteig gestürzt.
Wieder Vortrupp mit kleinem Gepäck, nach kurzer Lagemeldung von denen schlepp ich den fetten Notfallmedizinrucksack hinterher und werf mir übermütig noch n fettes 70m-Tau nachm Motto 'besser haben als brauchen' obendrüber.
Grosser Fehler!
Nachdem ich gleich auf den ersten Metern im Klettersteig mit dem riesen Ballast fast abgeschmiert bin, hak ich bei jedem Umhängen zunächst meine Selbstsicherungsschlinge ein, häng dann einen Schäkel nachm andern um und schüttel dabei n bissl die Arme aus.
Leider wird noch mehr Geraffel gebraucht, also nochmal abklettern.
Diesmal hängen wir ein Seil nach oben rein und ziehen das Zeug daran hoch;- nochmal mit so nem fetten Gewicht im Nacken pack ichs nimmer da rauf.
Der Patient ist noch nicht unten, da wird nachgefragt, ob jemand abkömmlich sei und bei der auch wieder parallel angelaufenen Seilbahn-Rettung helfen könnte. Material ist bei uns oben, Patient wird von der Schwerkraft abwärts gezogen, also rück ich ab.
Glücklicherweise ist der Seilbahnpatient handlungsfähig und hat nur nen Finger amputiert, wird aber grad verbunden und er hat optimalerweise auch nen Klettergurt an.
Die Rettungswindel sparen wir uns dadurch, ich häng ein Seil zum Abseilen von Retter mit Patient ein, die zwo fahren ab und ich sammel alles ein, Verbandpäckchen, Müll etc. seil mich ab und zieh das Seil raus.
Kurzer Schluck Wasser in der Übungswache, dann direkt weiter: in ner Höhle ist jemand in ein dunkles Loch anderthalb Meter runtergefallen, Rückenverletzung.
Trage passt da eh nicht rein, also nur der Bergrettungssack.
Ist schon schwer genug, das Ding.
Patient wird komplett in dem Loch versorgt und abgeschossen, irgendwie mit drei Leuts in den Sack verpackt und dann aus der Gruft geeselt.
Ich hab keinen trockenen Fetzen mehr am Leib und Horror vor der Bergwetterkammer.
Die wurd für uns und wegen der Hitze freundlicherweise nur auf -7°C gekühlt, aber ich weiss nicht, wie ich dickere Klamotten anziehen sollte, und so klatschnassgeschwitzt wie ich bin, würde ich mir in der Kälte hundertpro den Tod holen.
Aber zum Glück gabs erstmal fix Mittagessen, ehe schon wieder die Zeit drängte.
'Wann seids einsatzbereit, wir hätten nen neuen Einsatz?'
Jo, drüben im Baum, genauer: zwischen den Bäumen hängt einer, wer will da hin?
Ich bin zu langsam;- wäre ja genau mein Metier grad, darf aber direkt im Anschluss wieder hinauf unters Dach (diesmal freundlicherweise per Treppe), Verdacht auf Herzinfarkt am Berg, laufende Laien-Reanimation.
Vortrupp los, Defi und alles unterm Arm, ich rück, wieder mit allem benötigten Ballast, nach und bau mit ner Kollegin was zum Abseilen auf.
Der Übungsnotarzt baut heftig Druck auf, er will den Patienten unten haben, aber man merkt, dass die Mannschaft müde ist, sich endlos mit Kleinigkeiten aufhält undn bissl die Luft raus hat.
Nach n bissl hin und her ist einer ausgedeutet, der die 30m runter mit Patient abgeseilt wird;- zum Glück diesmal wieder nur ne Puppe, die ist leicht.
Arzt läuft über die Treppe, der Rest seilt nacheinander ab, ich zieh s Seil raus, wickels zsamm und schinde Zeit, die andern sind irgendwo in der Halle unterwegs.
Ich finde ein paar von ihnen in dem Raum, wo die Patienten allesamt an den Rettungswagen übergeben wurden und werden, mit ein wenig Aufräumen, Rekapitulieren und Zeug zsammräumen kriegen wir noch etwas Zeit rum;- eigentlich reicht die nur noch für ein Szenario und immer noch war die Klimakammer nicht dran.
Spielverderber: kommts auch nimmer, es ist eh schon spät genug und alle fritte wie durch die Mangel gedreht.
Dennoch sind alle hochzufrieden.
Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt, fand, mal abgesehen von dem Geschleppe die Anforderungen an mich ziemlich low, also ich kriegte eher wenig von dem abverlangt was ich hier mit den Anwärtern vor ihren Prüfungen so durchexerziere und ausm Effeff beherrsche, dafür wurde mir klar, dass wir, wenn wir zu nem Einsatz kommen und nen verletzten Patienten haben, der schon versorgt ist, so dass wir da nimmer ranmüssen ausser halt fürn Abtransport.
Das ist bei den allermeisten anderen Bereitschaften anders.
Ich glaub, ich muss da mal n paar Wochenenden hin zum Praktikum in irgendwelchen Ecken, wo die in Bikeparks oder auf der Skipiste auch wirklich erste am Patienten sind.
Samstag wäre eigentlich in Seefeld ein Klettersteig mitm Alpenverein gewesen, der wurd aber schon Donnerstag Abend abgesagt mangels Teilnehmenden.
Ich hatte zwar überlegt, dennoch hinzufahren und alleine zu gehen, aber bei 450hm und dem Programm vom Freitag hatte ich, nicht ganz unerklärlich, keine Böcke mehr.
Bin stattdessen bei nem Alpenvereinskollegen in Geretsried vorbeigefahren, n paar Mitschies einkaufen und mit denen aufn Campingplatz in die Fränkische eingerückt.
Samstags noch Rasen gemäht, wieder viel gelesen (und, oh Wonne: geduscht!)(aber natürlich freitags schon) und spätnachmittags nach Hause.
So konnt ich sonntags noch dringend benötigte Hilfskraft beim Kinder-Kulturtag spenden.
Keine Ahnung, was das Event mit Kultur zu tun haben soll, das hatte ich letztes, vorletztes und jedes weitere Mal davor sicher schon mal erwähnt, aber gefühlt wirds immer krasser mit bewegungsgestörten Kindern und Jugendlichen.
Der Termin findet immer schwerer Helfer bei uns, wo wir die Kletterwand betreuen, weil es so gar nicht unsre Klientel ist, die Versorgung für die Helfer eigentlich eher mau, wir verdienen nix damit und es ist ist Stunde um Stunde das Gleiche: hunderte Male Gurtzeug anziehen, ausziehen, die Lütten an der Kletterwend hochzerren.
Wo ich immer dachte, Klettern sei unverrückbar im Bewegungsmuster jedes Kindes verankert und hoch sei nie das Thema, wenn, dann eher runter, wenn einem nach nem Blick in die Tiefe plötzlich der Schneid abhanden kommt, aber hier wird man regelmässig eines besseren belehrt.
Von Ausnahmen abgesehen null Koordination zwischen Auge, Hand und Fuss, Eltern helfen, schieben und drücken mit, jedenfalls ein Elternteil, der andre filmt normal das Drama, ein Gekreische und Geheule, nach ein paar Metern Abbruch und noch ein grösseres Drama runterwärts, gerne und beliebterweise gefolgt von überschwänglichen Lobeshymnen, wie toll die Kurzhalsigen das doch gemacht hätten.
Krass, wie wahllos heute selbst für weniger als nix Geleistetes noch Lob ausgeschüttet wird und ich frag mich, was aus der Generation mal werden soll.
Ja gut, das zieht sich natürlich von Generation zu Generation, bisher hätts no immer jottjegange, aber irgendwann muss der Bumerang doch mal zurückkommen?
Was soll die Menschheit denn mit so weichgespülten und helikopterumsorgten Pussis anfangen?
Und das wird ja auch nicht besser.