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Zitat von Marsupilami
Einerseits gebe ich dir recht. Du sagtest aber auch, dass wir die Wachstumskurve ins Lineare überführen können (analog Italien), wenn die Maßnahmen greifen (analog Italien). Ich habe jedoch derzeit Bedenken, dass in Deutschland die Maßnahmen (analog Italien) greifen, da nicht ausreichend eingeschränkt wird.
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Wegen dieses optimistischen Posts gestern morgen hatte ich heute früh schon wieder beim Blick auf die neuesten Zahlen ein gewisses Stirnrunzeln im Gesicht. Nach drei Tagen linearem Anstieg (
26% Tageszuwachs -->19% Tageszuwachs --> 16% Tageszuwachs) hatte Italien gestern leider wieder 19% Tageszuwachs an Infizierten, was eher Richtung exonentiell geht statt linear (da wären 13% zu erwarten gewesen). Aber ich hatte ja schon vorsorglich die Einschränkung mitgeliefert, dass die Güte der italienischen Daten unbekannt ist.
Nichtsdestoweniger werden auch die Italiener ihr Problem früher oder später in den Griff bekommen, auch wenn sie in genau die Situation reingeschlittert sind, die wir in Deutschland gerne vermeiden würden, dass nämlich das Gesundheitswesen angesichts der schieren Masse an Erkrankten dekompensiert.
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Zitat von Faser
Jetzt rufen viele nach der Ausgangssperre, aber in paar Wochen würde sich die Stimmung massiv ändern. Eine Woche ist das vielleicht ganz nett, aber spätestens nach einigen Wochen wird es grausam. Es kommt auch darauf an, ob man in einer engen Großstadtwohnung wohnt, oder auf dem Land in einem Haus mit Garten.
Ich weis natürlich auch nicht was richtig ist, auch die Wissenschaftler sind sich offensichtlich nicht einig. Was ich erahne ist, dass ein komplettes Ausgangsverbot langfristig zu massiven mentalen Schäden führen kann. Außerdem ist es keine Dauerlösung des Problems. Es muss vielmehr in die Köpfe rein, dass man soziale Kontakte vermeiden muss. Was passiert wenn man in Italien und Spanien die Leute aus den Häusern lässt? Dann wird man erst recht in die Parks gehen und sich treffen.
Wir brauchen eine langfristige Lösung, keinen Offenbarungseid. Da gehört extrem viel Abwägung dazu, leider.
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Sehr wertvoller Beitrag finde ich, denn
es geht ja bei der ganzen Geschichte nicht alleine ums Überleben, um Beatmungsplätze, um Erkrankungs- und Mortalitätsdaten,
sondern auch um Lebensqualität.
Der demenzkranke Ehemann unserer Nachbarin lebt seit 2 Jahren in einem Pflegeheim und wird dort täglich von seiner Ehefrau meist für mehrere Stunden besucht.
Gestern wurde für dieses Heim das längst vom Gesundheitsministerium vorgeschrieben Besuchsverbot umgesetzt und vorgestern war damit der letzte Besuch der Nachbarin bei ihrem Mann. Für unbestmmte Zeit, vielleicht sogar für immer, je nachdem ob der Virus irgendwann z.B. über das Personal doch Eingang ins Pflegeheim findet. Die Situation ist jetzt für die eigentlich gesunde und rüstige Nachbarin ähnlich unerträglich wie für ihren demenzkranken Gatten, der sie durchaus noch erkennt, die ganze Covid-19-Sitation aber natürlich nicht versteht und der ab jetzt für möglicherweise mehrere Monate von seiner Frau und auch von niemand anderes mehr besucht wird.
Und solche Situationen gibt es derzeit hunderttausende.
Der Corona-Virus ist ja kein Killervirus wie es Ebola in Afrika war, sondern selbst hochbetagte Patienten haben immerhin bei Infekt eine 4/5-Überlebenschance. Vor die Wahl gestellt, ab sofort nur noch ohne Besuch und ohne Kontakt zu ihren Lieben in einem Heim auf unbestimmte Zeit dahinzuvegetieren oder das durchaus überschaubare Infektrisiko in Kauf zu nehmen und dafür am Lebensabend noch mehr Lebensqualität zu haben, würde viele vermutlich sich für letzteres entscheiden.
Mein Schwiegervater hatte am Wochenende 81. Geburtstag in Lauf a.d.Pegnitz. Wir haben den üblichen Besuch dort zum gemeinsamen Essen mit Hinweis auf Coronavirus zu seinem Schutz abgesagt. Er hat es nicht verstanden und ist gleichwohl mit zwei seiner drei Enkeln (meine in Nürnberg lebenden Kids) Essen gegangen. Er ist auch jemand, dem Lebensqualität und derartige Jashreshighlights viel wichtiger sind, als maximale Risikovermeidung und Lebensverlängerung.
Auch unsere Patienten in der Klinik dürfen längst (schon seit letzter Woche) keinen Besuch mehr empfangen, aber für die ist es im Gegensatz zu Pflegeheimen nur eine vorübergehende Situation.
Und noch zum Thema "langfristige Lösung": der Kampf gegen Covid-19 ist keine kruzfristige Aufgabe die mit maximaler Kraftanstrengung in ein paar Wochen bewältigt werden kann, sondern ein Marathonlauf. Man muss sich seine Kräfte einteilen und solte nicht gleich mit Maßnahmen lossprinten, die man nicht bis zur virtuellen Ziellinie durchhält.
Zitat:
Zitat von Drop
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Zur Ausgangssperre: könnte man es nicht erstmal mit einem Versammlungs- oder Gruppenverbot versuchen? Also alles größer 2 darf nicht auf die Strasse.
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Sowas fände ich sinnvoll. Man muss nicht die 90% vernünftige Menschen, die sich schon jetzt so verhalten für das Verhalten von 10% Idioten bestrafen.
In Italien, Spanien scheint es diese Differenzierung aber nicht zu geben. Ob es in Tirol jetzt anders ist, als Sonntag mittag vom Landesobmann Plattner verkündet weiß ich nicht, weil ich mich seitdem damit nicht beschäftigt habe.