Vorab:
Dieser Blog ist mir ein wenig aus dem Ruder gelaufen.
Ursprünglich wollte ich nur kurz einen Rückblick über die Jahre geben, damit man versteht, warum ich jetzt „auf einmal so ehrgeizig“ bin, um meine alten Zeiten zu schlagen.
Dass mir das Durchschreiten und Wiederbeleben der Vergangenheit so viel Spaß gemacht hat (und Euch als Lesern zum Glück auch), hätte ich im voraus nie geahnt.
Nun stehe ich vor einen Dilemma.
Denn natürlich wollte ich mir „nebenbei“ ein bisserl Motivation für den WK-Tag abholen, und zwar ausschließlich in dem Sinne, dass ich in schlechten Momenten (von denen es am Samstag jede Menge geben wird) weiß, dass mir da „irgendwie“ jemand auf die Finger schaut, ich also nicht einfach so tun kann, als wäre es mir zu anstrengend - kurz: ich wollte ein paar virtuelle Hinterntreter.
Aber jetzt habe ich das Gefühl einer riesigen Erwartungshaltung (wenn ich nur halb so gut laufen könnte wie ich schreiben kann …), obwohl ich gleichzeitig DURCH DIESEN BLOG mein Ziel schon längst umformuliert habe - und zwar nicht, weil mir die Muffe geht:
Mein Ziel nach der schreiberischen Katharsis der letzten zwei Wochen lautet:
Ich möchte einen super Wettkampftag erleben.
Ich möchte das erleben, was Triathlon für mich ausmacht, den Ort, die Menschen drumrum, die Athleten, die Auseinandersetzung mit dem Meer, den Bergen, den Straßen, das eigene Erleben von Körper und Geist, diese ganz eigene, persönliche Geschichte eines nach wie vor besonderen Tages.
Wenn dabei gute Zeiten herauskommen, und mit „gut“ meine ich entweder Zeiten in Bezug auf meine alten Zeiten oder in Bezug auf die anderen Athleten = jep, vielleicht sogar: super.
Aber ich habe für mich in den letzten Tagen des Blogschreibens festgestellt, dass ich mit dem ursprünglichen Ansatz schon wieder meiner eigenen „Planmacherei“ auf den Leim gegangen bin und die Chance für ein „failure“ massiv erhöht habe.
Wie gesagt, mir geht keinesfalls die Muffe, ich weiß, was in meinen Armen und Beinen steckt.
Ob es allerdings am 23. Mai 2015 raus will oder kann, werde ich mir selbst überlassen müssen - und zwar dem Teil, der nicht plant und denkt, sondern dem Teil, der einfach ist.
Ok, das war das Wort zum Sonntag, zurück zum Sport.
Mit dem guten, aber wieder nicht optimalen Ergebnis auf Elba 2014 kam die Lust auf eine Langdistanz zurück; welche, lag nicht in meinen Händen, denn zum Zeitpunkt meiner Entscheidungsfindung waren nur noch Lanza und Zürich offen.
Zürich reizt mich als Rennen nicht so, auch wenn dort noch ein DNF aus dem Jahre 2003 als Malus in meiner WK-Historie steht, aber damals gab es auch die Lutscher-Problematik nicht (oder ich habe sie nicht mitbekommen).
Also Lanza.
Das hatte den erstaunlichen Vorteil, dass es nicht, wie im Jahr davor, schon sehr früh mit über 2.000 Leuten vorzeitig geschlossen wurde, sondern von der Teilnehmerzahl her versprach, dass man sich auch noch später würde anmelden können.
Das war für mich ausschlaggebend, denn aufgrund der diversen Erfahrungen der letzten sechs, sieben Jahre wollte ich mich erst anmelden, wenn ich 100 %ig sicher war, auch teilnehmen zu können (UND ICH HOFFE MAL, DASS DIES AUCH BIS ZUM 23. MAI SO BLEIBT, LIEBES SCHICKSAL!!!)
Ich kaufte also wieder eine Wintersaisonkarte für das Bregenzer Hallenbad und diesmal nutzte ich sie, bis heute im Durchschnitt 2x pro Woche - sensationell!
Ich ruderte mehr, spielte mit unterschiedlichen Kombinationen aus Deadlifts, Kettlebell-Swings, Frontsquats, Backsquats & Bodyweightübungen, fügte noch die von Dirk empfohlenen „Mito-Builder“-Einheiten dazu und bekam im Januar eine obligatorische Erkältung, war aber ansonsten mit Trainingsaufwand und -ergebnis angesichts der Wochentrainingszeiten zufrieden(hatte ich schon mal gespostet: im Schnitt 5h/Woche von November bis zur dritten Februarwoche).
Das Einzige, was nach wie vor nicht in Ordnung war, war mein linker Meniskus, doch ich hoffte einfach, der würde schon irgendwie verschwinden, wer braucht schon den linken Mensikus, wenn er noch den rechten hat?
Ich befand mich also in einem positiven Trainingsmood und trabte am Morgen des 23. Januar gleich nach dem Aufstehen und einer fünfminütigen Bodyweight-Aufweckeinheit auf die Bahn, die zwar nahezu schnee- und eisbedeckt war, aber eben nur nahezu.
Ich konnte eine quasi gerade Linie zwischen den weißen Inseln laufen: 15x 200m alle 1min, was auf dieser Bahn insofern interessant ist, als sie nur 100m lang ist, man also für die 200m abrupt abbremsen, umdrehen und wieder auf die zweiten 100m beschleunigen muss.
14 Durchgänge wuppte das so vor sich hin, beim letzten rutschte ich nicht dramatisch, aber ein bisschen aus, und setzte beim Umdrehen den rechten Fuß (das war der, der mir zwei Jahre zuvor halb „zerschossen“ wurde) nur zwei, drei Zentimeter neben die Kante zwischen Bahn und Rasen, die überhaupt nicht tief war, doch tief genug, dass ich umknickte, das Sprunggelenk sofort megadick anschwoll und ich einbeinig heimhüpfen musste (generell starke Übung: 1 Kilometer einbeinig, dann aufs andere Bein für den nächsten KM wechseln und noch einen KM beidbeinig aus der tiefen Hocke … harhar …).
Nein, ich musste nur einen Kilometer heimhüpfen, was aber für einen mehrtägigen, formidablen Muskelkater komplett ausreicht.
Ich brauchte gar nicht zum Arzt zu gehen, ich spürte, dass hier was mindestens angerissen war und anscheinend auch noch die Kapsel in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Ich holte die Krücken aus dem Keller, die ich zwei Jahre davor bekommen hatte, zog die Aircast-Schiene an und hakte Lanza ab.
Paar Tage später saß ich schon wieder auf meinem Spinningbike und der Rudermaschine, z. T. mit lustigen Verrenkungen, um den Fuß zu „schonen“ und ging sogar mit der Schiene schwimmen.
Das war ein Spaß!
Ich hatte das Gefühl, eine der Rentnerbojen hätte sich an mich gehängt (kurze Entschuldigung an all die älteren und alten Menschen, die regelmäßig in die Schwimmbäder gehen: Ohne Euch gäbe es die Bäder wahrscheinlich gar nicht mehr, weil sonst zu wenig Leute schwimmen würden - ich habe den Begriff „Rentnerbojen“ aus rein egoistisch-eitler Publikumsheischerei eingesetzt und schäme mich schon jetzt dafür!) und war im Schnitt 15-20sec langsamer auf die 100 Meter. Also erste Sahne Krafttraining im Wasser.
Gerade weil ich nicht laufen konnte, schob ich die anderen Disziplinen hoch, so dass ich auf 6, 7 und 8 Stunden seit dem Umknicken kam!
Die Krücken konnte ich nach einer Woche quasi in den Keller zurücklegen, nahm sie nur aus Schutzgründen noch ab und zu mit raus, die Schiene behielt ich konsequent fast vier Wochen an.
Und exakt vier Wochen nach dem Umknicken, ebenfalls an einem Freitag lief ich das erste Mal:
Hurra, es ging.
Nicht schnell, aber egal, Hauptsache laufen war wieder möglich.
Und was war mit dem Meniskus?
Dem hatten die vier Wochen komplette Laufruhe anscheinend sehr gut getan, was nicht verhindern konnte, dass ich mich trotzdem in ein MRT reinschieben ließ und mir sowohl vom Radiologen als auch Sportmediziner erklären liess, dass mein Meniskus nicht mehr der jüngste sei, dass meine Schmerzen aber von einer anderen Stelle kämen, die aber aktuell nicht akut gefährdet sei und auch bei intensiverem Training, z. B. für eine Langdistanz keinen weiteren Schaden nehmen würde.
Genau das wollte ich hören und wurde deshalb in der letzten Februarwoche ohne meines Wissens schwanger.
Denn in dieser Woche schwoll anscheinend in meinem nicht-rationalen Teil etwas an, dessen sich mein rationaler Teil gar nicht bewusst war und das ich als ganzer Michel erst am Wochenende gebären durfte =
Es war der hundertprozentige, feste Wille, das unbedingte Wollen, wie ich es bisher nur bei wenigen WKs gehabt hatte (bei welchen überhaupt …
…?):
JA. ICH MACHE LANZA.
Es gab in dieser Woche beim Schwimmen, beim Rudern, beim Radeln und am Donnerstag beim Laufen jeweils Einheiten, in denen mir mein Körper sagte:
„He, alter Sack, das geht doch! Das geht sogar gut, was willst Du mehr?“
Am Sonntag, den 1. März lief ich 15km, setzte mich sofort für eine 50minütige Krafteinheit auf das Spinningrad und ging abends eine dreiviertel Stunde schwimmen.
Kaum zuhause angekommen, notierte ich in mein Tagebuch als Überschrift über den Plan für die nächste Woche „Start Vorbereitung für IM Lanzarote?“
Noch musste ich aus Skepsis mir selbst gegenüber ein Fragezeichen dahinter setzen, denn es konnte ja noch einiges passieren in zwölf Wochen.
Retrospektiv übrigens nett, was ich zum Abschluss dieser Woche schrieb, die mit 9.54 meine längste Trainingswochen seit September gewesen war:
„Super Woche. Mal schaun, ob ich das nächste Woche toppen kann.“
Dass ich in den darauf folgenden Wochen überhaupt nie mehr SO WENIG trainieren würde, ahnte ich damals nicht - und warum das so war, wurde mir erst im Lauf des März klar.
„Achtung, Achtung, eine kurze Geschwafel-Unterbrechung!“
Dankeschön, denn ich muss mal kurz ausholen:
Ich habe hier in diesem Blog ja schon das eine oder andere Wort zum Thema ‚Veränderung‘ verloren. Ich habe auch erwähnt, dass die Menschen es meist doch nicht schaffen, etwas zu verändern, obwohl sie die Veränderung zu Beginn wollen oder exakter gesagt: sie meinen, es zu wollen.
Das habe ich auch brav in meine Bücher reingeschrieben, dass man z. B. nicht anfangen soll, sich Gedanken über seine Ernährung zu machen, wenn man es nicht wirklich will. Oder man soll sich nicht der Vorgabe unterwerfen, ab nächstem Jahr wird mehr Sport gemacht, wenn man es auch nicht will.
Das Problem ist nur:
Man sagt „Ja, ich will …“ zu Beginn des Veränderungswunsches, weiß aber selbst noch gar nicht, dass diese kein richtiges, komplettes „Ja, ich will!“ ist - und ist dann später enttäuscht, das man seinen Entschluss nicht umsetzen konnte, obwohl man doch zu Beginn „wirklich wollte“.
Das Blöde: Auch für einen Außenstehenden ist es von außen nicht erkennbar, dass derjenige zwar sagt, er will, aber in seinem Inneren noch gar nicht bereit dafür ist.
Zurück zum Sport:
Ich spürte:
Ja, jetzt bin ich bereit.
Welchen Unterschied dieses durch alle Fasern hindurchgehende „Ja, ich will“ darstellt, spürte ich und spüre ich bis heute:
Im März (und auch noch im April) machte der völlig plötzlich am 25.12.14 über das Allgäu hereingebrochene Winter mit jeder Menge Schnee und dazu passenden Temperaturen null Anstalten zu verschwinden.
Kein Problem, ich fuhr trotzdem stundenlang mit dem MTB draußen herum, ging vor dem Schwimmen in Bregenz Intervalle am See laufen und wenn ich danach mit den Beinen im Wasser am Beckenrand saß und zögerte, musste ich nur „Lanza“ sagen und schwupps lag ich im Wasser.
Ich hatte also erstaunlicherweise in der letzten Februarwoche ein echtes, mich komplett umfassendes „Ja. Ich will das.“ geboren, das mir über einige tiefe Klippen in diesen zwölf Wochen der Vorbereitung hinüberhalf.
Wahrscheinlich ist das Ganze für einen Großteil von Euch Gähn & Langweil, da Ihr sowieso so tickt - für mich bündelten sich in diesem Moment alle guten, schlechten, nicht gefinishten, gar nicht erst gestarteten Wettkämpfe, all die ernsten bis lustigen Umstände.
Quasi wie ein Laserstrahl, der mit höchster Konzentration auf ein Ziel schießt.
Dass mein „Ja, ich will“ so stark war, dass mich nicht einmal zwei schlechte Botschaften weiter stören konnten (oder sagen wir so, bis zum 23. Mai habe ich sie ausgeblendet und danach werde ich mich wieder mit Vollgas darum kümmern), erkennt man am Folgenden:
Parallel zu dem ganzen Erweckungskram sagte mir Ende März gemeinerweise der EINE Verlag hier am Bodensee ab, obwohl ich vom Geschäftsführer eine schriftliche Zusage hatte, die Verlagsleiterin/Lektorin und die Vertreter begeistert waren (das schreibe ich jetzt nicht aus meiner üblichen Übertreibung heraus, sondern weil das die wortwörtlichen Aussagen waren) - und ich fest damit rechnen durfte, dass die Bücher im Herbst 2015 veröffentlicht werden.
Weil ein Unglück selten allein kommt, blieb ich bei einem ANDEREN Verlag, einem der größten weltweit, in der letzten Runde vor Veröffentlichung hängen und das war schlussendlich nicht ganz wertlos, denn:
Sie hatten sich das „Hör einfach auf mit Diäten - fang einfach an Dich selbst zu erkennen“-Buch herausgepickt und für gut befunden, bis ihnen kurz vor Zusage auffiel:
Der Michel ist gar kein Doktor! Der Michel ist gar kein Experte für Ernährung!! Der Michel hat gar keinen Titel!!!
Ich konnte das „Kreisch!“ der Verlagsleitung bis nach Lindau hören, denn einen neuen Autor in dem Bereich konnten sie nur mit entsprechender Titelreputation aufbauen …
Als die Lektorin mir das bei der Absage mitteilte, war ich erst einmal ein paar Tage baff (und das will was heißen bei mir), denn sie hatte vollkommen recht, ich war überhaupt kein Experte für Ernährung …
Bevor ich darüber traurig werden konnte, dass ich kein Ernährungsexperte war, schaute ich mir die Liste meiner schon geschriebenen und noch zu schreibenden Bücher an und stellte fest: ich war auch kein Experte für Erziehung, Beziehung, Gesellschaft, Glück, Wirtschaft etc. etc. - denn das musste und wollte ich auch gar nicht sein:
Ich „erforsche Menschen und ihre sozialen Systeme hinsichtlich ihrer Transformationsfähigkeit, -bereitschaft, -verweigerung und -möglichkeiten“.
Ha, das ist mal eine Jobbeschreibung, oder?
Anyway, ohne diesen „Zufall“ (so lautet sogar ein Teil des englischen Verlagsnamens … wenn das mal kein Zufall war) wäre mir nicht klar geworden, dass ich, wenn überhaupt jemand danach fragt, „Experte für Veränderungen“ bin und sonst nix, also danke, lieber Großverlag.
Über das Training an sich für Lanza schreibe ich im nächsten Beitrag, zum Abschluss will ich nur noch den Sturz am 24. April erwähnen, bei dem ich mit der rechten Schulter gegen eine Felswand knallte, weil ich zu doof oder zu langsam in einer Kurve reagierte.
Das hat mich zwei ziemlich wichtige Wochen des Schwimmtrainings gekostet - liefert also schon mal eine recht brauchbare Ausrede für meine Schwimmzeit am Samstag.