Raceday, Samstag 12.07.14
Wir stehen um 06:00 auf und gehen gemütlich frühstücken. Zum ersten Mal an diesen Tag können wir uns ein Grinsen nicht verkneifen; Da sitzen tatsächlich Leute im Neopren am Frühstückstisch und unterhalten sich ausgelassen auf Schwedisch. Die Stimmung ist super, da jedoch keiner so richtig weiss was da auf uns zukommen wird, ist Galgenhumor die vorherrschende Gemütslage.
Zum ersten Mal in dieser Woche regnet es nicht. Der Himmel ist wolkenlos und es sind ca. 17°C angesagt. Perfekte Bedingungen.
Um 07:00 wird das komplette Teilnehmerfeld in 3 Busse verladen und an den Start gekarrt. Dieser befindet sich oberhalb des Dorfes Maloja in einer kleinen Senke, in der es noch empfindlich frisch ist. Alle machen sich bereit und als ich mich langsam zur Startlinie begebe, treffe ich Rennente. Wir begrüssen uns und unterhalten uns kurz, werden aber von einem Knall unterbrochen. Huch! Los geht’s, das Abenteuer kann beginnen.
Nach ca. 500m flachem Einlaufen geht’s gleich den Berg hoch. Und zwar so richtig. Wir sind ca. in der Mitte des Feldes und benötigen für die ersten 3 km 37 Minuten!
Nun wird es weniger steil und die Aussichten, die sich uns bieten sind schlicht überwältigend. Nach 5 Km (Wieso das denn? Der erste Lauf sollte doch nur 4.3 km lang sein?) geht es wieder runter und zwar genau so wie es vorher hinauf ging. An ein Laufen ist nicht zu denken. Wir erreichen der ersten See (Lägh da Cavloc) nach 7 km in 01:04 und ich erkenne sofort, dass wir bereits ein gewaltiges Problem haben. Die langsamste errechnete Marschtabelle sah 32 min für diese Strecke vor. SO werden wir schon den ersten Cut-off deutlich verfehlen.
Also vorwärts! Schwimmbrille auf, Paddles vom Gürtel gelöst und rein in den 09°C messenden See. Die ersten 50m sind richtig bitter, danach geht’s besser. Es sind hier ja nur 270m zu schwimmen, also Augen zu und durch.
Raus aus dem Wasser, im gehen die Brille, Badkappe und Paddles wieder verstauen und nun geht’s die 5km zurück ins Dorf Maloja. Die Strecke führt alles leicht bergab, die Sonne wärmt und wieder auf und das Panorama ist noch immer grossartig. Genusslaufen pur.
In Maloja steht die nächste Schwimmstrecke von 550m an. Bloss nicht nachdenken, einfach rein in den glasklaren, 10°C kalten Silsersee. Auch diese Strecke geht schnell vorbei aber wir haben noch immer 20 min Rückstand auf den virtuellen Cut-off.
Der nächste Lauf misst 6 km und geht wieder ohne Umschweife den Berg hoch (Dass das Panorama auch hier traumhaft war, erwähne ich jetzt nicht jedes Mal aufs Neue). 200 hm auf den ersten 3 Km sorgen aber dafür, das wir 5 min auf die Marschtabelle verlieren anstatt Zeit aufzuholen. Verzweiflung kommt auf.
Nun folgte das 830m lange Schwimmen im Silsersee auf die Halbinsel Chastè.
Wie immer sind die ersten Meter richtig heftig, danach gewöhnt man sich an die Temperatur. Wir schwimmen einen 2er-Rhythmus und atmen gegeneinander damit wir uns nicht aus den Augen verlieren und es bemerken wenn der Partner ein Problem hat, was gelegentlich vorkommt (Wasser in der Brille, Wadenkrampf oder einfach Uneinigkeit über die zu schwimmende Route).
Auf der Halbinsel angekommen sind wir dann doch ziemlich durchgefroren und haben Mühe aus dem Wasser zu klettern. Dank einer freundlichen Helferin erklimmen wir ca. 2 Meter hohe Steinplatte, wo sich uns ein unschönes Bild bietet. Mehrere Teilnehmer sind offenbar total ausgekühlt und liegen schlotternd unter Decken auf einer Bank.
Im Bewusstsein immer noch hinter dem Zeitplan zu liegen machen wir uns zügig auf den Weg. Der Lauf zum Jachtclub Sils ist 8km lang und beinhaltet erneut 200hm. Direkt vor Beginn des Aufstieges liegt ein Verpflegungsposten und wir zwingen uns kurz anzuhalten und ordentlich zuzulangen. Danach laufen (wo’s geht) wir so schnell wie möglich weiter.
Vom Jachtclub Sils sind 920m quer über den, ebenfalls glasklaren und arschkalten, Silvaplanersee zu Schwimmen und hier wurde es erstmals richtig kritisch. Nachdem man sich mittlerweile an die 9°-10° C gewöhnt hatte, traf man mitten im Schwimmen auf die Einmündung des Inn. Dies hatte 3 Auswirkungen.
1. Das Wasser war plötzlich nochmals um einiges kälter.
2. Eine Strömung von rechts in den offenen See hinaus.
3. War das Wasser plötzlich nur noch 30cm tief.
Direkt vor uns musste ein Team mittels der Trillerpfeiffe (Mandatory Equipment) nach dem Rettungsboot rufen und das Rennen beenden.
Wir erreichten das Ufer und stellten fest, dass wir für die ca. 6 km Lauf zum nächsten Checkpont über eine Stunde Zeit hatten um den ersten Cut-Off zu schaffen.
Freude herrscht!
Allerdings nicht lange. Die Strecke führte sofort sehr steil hinauf und wir benötigten fast 25min für die ersten 2 km. Danach ging’s wieder runter und wir schafften der ersten Checkpoint in Silvaplana mit 20min Reserve. (Racetime 5:15)
In Silvaplana gab’s erstmal ordentlich Vesper (Birnenbrot, Salsiz und ein paar Gel zum Dessert) bevor wir die längst Schwimmstrecke des Tages in Angriff nahmen. Es waren 1400m im Silvaplanersee zurückzulegen. Ich habe die Strecke heute morgen mittels GPS ausgemessen, die 1,4 km sind korrekt. Es ist mir unerklärlich warum wir dafür 36min gebraucht haben (mit Paddles wohlgemerkt).
Als wir am Schwimmausstieg von den Helfern aus dem Wasser gehievt wurden, war der Ofen erstmal aus. Wir waren derart durchgefroren, dass uns unsere Beine einfach nicht mehr gehorchen wollten. Nach 2-3 min konnten wir immerhin gehen und begannen die 3.6 km in Richtung St. Moritz zu watscheln.
Kurz darauf konnten wir wieder leicht traben und trafen am Wegesrand auf ein Team aus Frankreich, dem es ebenso erging wie uns. Wir machten uns gegenseitig über einander lustig, lachten viel und hatten bald wieder ein bisschen wärmer.
Das war gut so, denn mittlerweile waren wir in St Moritz angekommen wo wir noch einmal ausgiebig verpflegten und dann durften wieder für 1250m in den See, was wir auch irgendwie hinter uns brachten.
Nach einem kurzen Lauf (treffender: Spaziergang) von 1.5 km sind wir am Lej da Staz angekommen, wo noch mal 550m zu Schwimmen waren. Dieser See ist Teil eines grösseren Sumpfgebietes und deswegen eine grauenhaft trübe Pfütze ABER er hat herrliche 19°C Wassertemperatur. Wellness pur!
Hier passierten wir nebenbei auch locker den letzten Cut-off und waren nun auf dem weg zum Ziel.
Die drittletzte Etappe war ein Lauf über 8 km zurück zum Silvaplanersee. Mittlerweile hat es zu Regnen begonnen, was wir aber nur am Rand bemerken da wir ohnehin seit Stunden tropfnass sind. Ausserdem ist der Regen wärmer als die meisten Seen. Nach etwa der Hälfte passierten wir noch mal den Verpflegungsposten in St. Moritz, bevor es noch ein letztes Mal zu steigen begann und wir die olympische Skisprungschanze von 1928 passierten. Die letzten 2 km dieser Etappe gehen wieder steil begab und taten einfach nur noch weh. Für die 8 km benötigen wir 70min und überholen dabei 3 Teams.
Am See angekommen hiess es dann noch mal 400m Schwimmen. 9°C. Schmerzen. Hölle!
Wieder wurden wir von freundlichen Helfern aus dem See gezogen und hatten nun noch 3 km ins Ziel zu laufen. Ein kurzer Blick auf die Uhr und Panik macht sich breit. Bis zum offiziellen Kontrollschluss (9:15) haben wir noch 17min. Nein! Nicht jetzt! Nicht so!
Wir mobilisieren alles was wir noch haben und treffen nach 9:14:03 im Ziel ein. Am Ziel stehen ca. 15 Leute im Regen rum, es gibt einen Händedruck vom Race-Director und ein Getränk nach Wahl. Wir greifen zum Bier und verziehen uns ins Hotel. Wir sind total fertig, einfach nur happy es überhaupt geschafft zu haben und wollen nur noch eine heisse Dusche sowie trockene Klamotten.
Später am Abend sehen wir dass der Zielschluss auf 10:00 ausgedehnt wurde, das ist uns aber dann auch egal.
Später am Abend findet dann noch die Siegerehrung mit Grill, Salatbuffet und Partyband statt. Leider sind wir physisch und psychisch nicht mehr in der Lage daran teil zu nehmen. Wir applaudieren kurz den Siegern und fallen um 20:00 bewusstlos in Bett.
Mit unseren 9:14 werden wir bei den Männern 33. von 39 Finisherteams. (Overall 43 von 53)
Fazit
Ein unglaublich schönes aber unglaublich hartes Rennen. Total bodenständig und familiär, ohne Medaille, Finisher-Shirt, „Stimmungsnester“ und anderem Firlefanz. Einfach Sport mit freundlichen Leuten in herrlicher Umgebung.
Ob wir uns das je wieder antun, wissen wir noch nicht…
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Beim Rennrad-Kindertraining (10 jährige)
Kind1 (w): Darf ich dir mal was sagen?
Kind2 (m): Mhm
Kind1: Weißt du warum du langsam bist?
Kind2: Mhm???
Kind1: Du redest zu viel.