Zitat:
Zitat von Matthias75
...wenn das bei jedem Wettkampf so läuft, muss Schnodo bei seiner Urlaubsplanung den Wettkampfkalender von Sanders berücksichtigen
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Du hast das Wesentliche schon gesagt und ich stimme Dir zu. Meine Urlaubsplanung wird aber definitiv von Lionel Sanders nicht merklich beeinflusst werden. Es mag komisch klingen, aber ich mache das hier auch etwas zur Entspannung. Wenn ich irgendwann keine Lust mehr habe, wird sich ein anderer finden müssen, der eine deutsche Zusammenfassung liefert. Du zeigst für meinen Geschmack schon ganz gute Ansätze.
Das Video habe ich dummerweise entdeckt als ich gestern eigentlich ins Bett wollte. Ich habe nebenbei mitgetippt und das Geschriebene nun noch etwas aufgepimpt. Ab dafür:
Im Ziel
Es ist kurz nach dem Rennen. Lionel Sanders unterhält sich mit Jan Frodeno. Er will Frodeno sein Preisgeld geben. Dafür muss dieser ihm seine Kaffeemaschine schicken. Auf den Deal wird Frodo sich wohl nicht einlassen. Wenn ich es richtig sehe, ist das eine
La Marzocco gs3. Preis um die 7 000 Euro. Frodo lacht und erzählt, was für eine Wissenschaft die Kaffeezubereitung mit der Maschine ist. Lionel selbst hatte zuerst eine normale Filtermaschine, dann eine Keurig, dann eine Nespresso, und momentan ist er bei
AeroPress gelandet. Sein Bikefitter hat ihn darauf gebracht, die sei gut fürs Camping. Frodo meint, die AeroPress deckt das gesamte Spektrum von Camping bis "full pro" ab. Da gibt es sogar eine
Weltmeisterschaft, wo die Leute ihr eigenes Wasser mitbringen etc.
Bildinhalt: Jan Frodeno neben seiner Kaffeemaschine
Lionel macht im Zielbereich noch etwas Smalltalk mit
Chris Leiferman und
Rudy von Berg. Talbot erzählt er, dass er sich gut fühlt. Er hat seine Verpflegungsstrategie einwandfrei umgesetzt und generell ein richtig gutes Rennen geliefert. Er hatte eine Biene im Radschuh, die ihn gestochen hat.
Sein erklärtes Ziel war es, Jan Frodeno zu schlagen. Wie sieht es damit aus? Keine Chance. Er ist begeistert von Jan, greift das Tiger-Woods-Thema wieder auf. Endloses Lob.
Bildinhalt: Lionel Sanders hat eine Biene im Schuh
Später im Hotel. Es war ein gutes Wochenende, sagt Lionel. Es fühlt sich fast so an als ob es eine normale Saison werden würde. Jan hat ihm wieder den Hintern versohlt, "business as usual". Wie immer.
Das Rennen
Der Renntag hat morgens gut angefangen, er hat seinen Wechselplatz früh belegt. Dann ist er im Pool 900 yd geschwommen um Wassergefühl zu bekommen. Er hat sich auch Teile des Frauenrennens angeschaut. Auf der Schwimmstrecke hat er sich dann nochmal mit 800 Zügen warm gemacht.
Im Rennen war beim Schwimmen seine gefühlte Anstrengung bei acht von zehn. Er hatte ein gutes Wassergefühl, ein gutes Selbstvertrauen. Er hat auch noch ein Paar Füße erwischt, an die er sich drangehängt hat. Er kam mit zwei Minuten Rückstand aus dem Wasser. Ohne Neo, kein Salzwasser, raues Wasser — das war vermutlich sein bester Rückstand. Die Streckenlänge stimmte nicht. Die Vorderen waren seiner Ansicht nach definitiv schneller als 1:18 min auf 100 m. Vermutlich war die Strecke ca. 100 m zu lang. Er war selbst war vielleicht bei 1:18, die vorne bei 1:10.
(Meine Vermutung: Die Amis werden einen Teufel tun, 1500 m abzustecken. Die haben natürlich eine Meile genommen.)
Er wusste, dass das Radfahren für ihn nicht einfach wird. Er musste sich in etwas in die Leistung einfinden. Seine Radbeherrschung ist besser geworden. Er konnte gut mithalten mit
Andreas Dreitz und Chris Leiferman, auch in den Kurven.
Er wusste, dass er gut auf der Laufstrecke würde abliefern müssen, um noch eine Siegchance zu haben und deswegen ist er ziemlich kontrolliert gefahren, hat sich aufs Trinken konzentriert. Vielleicht war das ein Fehler, aber hat bewusst eine normale Trinkflasche am Rahmen gehabt, weil er wusste, dass es heiß war und er damit rechnete viel trinken zu müssen, und weil er es im Training so macht. Er hat in 1:22 h drei Flaschen getrunken. Er hat sich an den Rennplan gehalten, ist nicht hart angetreten, außer wenn es zum Überholen notwendig war. Sein Pacing war gut, er fuhr etwas unter 330 W im Schnitt.
Bildinhalt: Lionel hat in T2 Muße für ein Kurzinterview
Er fühlte sich beim Laufen gut, ist kontrolliert gelaufen. Er hat nach Plan getrunken, d.h. einen Becher an jeder Verpflegungsstation.
Seine Einschätzung
Er kann über sein Rennen nicht viel Schlechtes sagen. Normalerweise hört man von ihm oft "ich wünschte, ich hätte dieses oder jedes getan", aber in Miami hat er sein Rennen gut durchgezogen. Natürlich ist seine Kurventechnik auf dem Rad nichts zum Angeben, da könnte man was verbessern. Aber die Richtung stimmt.
Wenn man sein Bestes getan hat und das Ziel verfehlt, dann ist das kein Grund sich zu grämen. Das heißt nicht, dass er aufgibt, dass er glaubt, er könne es nicht eines Tages schaffen. Es braucht nur seinen ganzen Einsatz. Jan ist der Beste überhaupt. Wenn er wollte, wäre er auf jeder Distanz, in jedem Format der Beste. Lionel könnte das nicht; mit seinen Schwächen ist er für einige Kurse besser ausgestattet als für andere.
Das Rennen war anspruchsvoll, das war ein guter Test, den er bestanden hat. Er ist motiviert. Er will besser schwimmen, besser fahren, sein Laufen weiterentwickeln. Er freut sich darauf, wieder bei einer Halbdistanz anzutreten. Es sind nun 15 Monate seit dem letzten 70.3. Rennen wie das eben haben ganz andere Anforderungen als ein normales 70.3-Rennen. Er hofft, dass er auf den Strecken für Autorennen seine Defizite minimieren kann. Die Verteilung der Distanzen ist etwas anders als auf der Mitteldistanz.
Wie kann man nicht inspiriert sein? Es wäre deprimierend, wenn er nach einem Tag wie heute das Gefühl hätte, dass er geschlagen wurde. Das war ein harter Kurs für ihn. Kona ist ganz anders. Man fährt rauf, runter, und das war es.
Wenn der Weltmeisterschaftskurs so wäre wie Miami, dann würde er vermutlich anfangen, Motorrad ("crotch rocket"?) zu fahren, um ein besserer Fahrer zu werden. Aber die Weltmeisterschaften sind in Kona und St. George. Dort sieht es für ihn besser aus.
Er hat gezeigt, dass er sich beim Schwimmen verbessern kann. Er war immer bei sich. Er ist die Kurven besser gefahren. Vor zwei oder drei Jahren wäre er auf dem Kurs überrundet worden. Er hat andere, aus seiner Sicht gute Fahrer gesehen, die in den Kurven Oberlenker gefahren sind, während er unten bleiben konnte. Das zeigt ihm, dass er sich verbessert hat. Und er hat gezeigt, dass er rennen kann.
Um etwas Perspektive zu schaffen: Magnus hat ihm in Daytona 2020 auf 80 km 30 Sekunden abgenommen. 2019 war Lionel 10 Sekunden vorne und 10 Sekunden hinter Starykowvsky. Sie haben ihm nicht viel voraus, was die Leistung gemessen in Watt angeht, aber sie sind bessere Fahrer.
Wenn er sein Schwimmen noch 30 Sekunden verbessert, dann kann er vielleicht in der Gruppe von Ben Hoffman und Matt Hanson aus dem Wasser steigen.
Man muss an sich glauben, optimistisch sein, ansonsten sollte man kein Sportprofi werden. Auch wenn niemand gegen Jan Frodeno gewinnen kann, so sorgt er doch dafür, dass der Sport insgesamt anspruchsvoller wird, weil alle ihm nacheifern und versuchen, ihn zu schlagen. Wenn er jedes Wochenende gegen Jan antreten könnte, dann würde er das tun. Lionel will keine B-Rennen bestreiten, er möchte sich mit den Besten der Welt messen.
Bildinhalt: Das Podium der Challenge Miami 2021
Talbot hat beobachtet, dass er Jan nach dem Rennen eine Frage gestellt hat. Welche? Lionel hat ihn gefragt, was ihn motiviert. Es gibt nichts, was er nicht erreicht hat, es gibt nichts mehr zu beweisen. Es ist hart, anstrengend. Die Antwort ist, Jan Frodeno liebt den Sport. Er liebt den Wettkampf. Und Lionel geht es genauso. Das war das erste Mal, dass er sich überhaupt richtig mit Jan Frodeno unterhalten hat und er ist ein richtig cooler, netter Typ.
Es wird auf NBC eine Sendung über das Rennen geben (18., 21. und 22. März). Er hofft, dass durch die Challenge-Serie in Nordamerika der Sport populärer wird.