Also Ihr Lieben, nun werde ich auch einen Bericht schreiben, weil es so schön war! Mein Hauptziel war es, wie auch bei meinem ersten Ironman letztes Jahr, erhobenen Hauptes zu finishen, möglichst in einer Zeit um die 13 Stunden. Also alle hier, die wesentlich schneller waren, brauchen jetzt nicht weiterzulesen.
Nachdem ich mich auf den IM in Frankfurt letztes Jahr
relativ generalstabsmäßig vorbereitet habe (möglichst genau eingehaltener Trainingsplan, dreimal pro Woche Rumpfstabi, Ernährungstraining, Nahrungsergänzungsmittel hier und da, Koffeinentzug in der Woche vor dem Start, Kompressionssocken am Tag davor etc.), bin ich die diesjährige Langdistanz sehr locker angegangen, mit vier Wochen Reiseunterbrechung im Januar/Februar und eher sporadischem Training.
Nun ja, da stand ich also in Thun, kurz vor dem Start. Wie immer vor so großen Veranstaltungen habe ich mir gesagt: lass es auf Dich zukommen! Und ich ließ es auf mich zukommen. Beim Schwimmen bin ich so gar nicht in die Puschen gekommen und der leichte Wellengang hat mir immer wieder einen Schwall Wasser in den Mund gespült. Auch hatte ich keinen Bock, zur Orientierung immer wieder den Kopf aus dem Wasser zu heben. So bin ich sehr viel Brust geschwommen, das hatte ich gar nicht geplant. Mit dem Resultat, dass ich mit langem Neo noch länger unterwegs war als mit Nur-Kraul. Immerhin bin ich nicht als LOW (Last Out of Water) angekommen. Und beileibe nicht als Letzte aus der Wechselzone!
Auf dem Rad war mir dann klar, dass ich den Kampf mit dem Besenwagen aufnehmen musste. Ich konnte aber einige Leute überholen und auf der Abfahrt von Beatenberg hat ein freundlicher Autofahrer extra angehalten, damit ich ungestört runtersausen konnte. Die Ausblicke: phantastisch! Die Flachstrecke bis Meiringen war sehr erholsam. So vergingen zwei Drittel der Rennradstrecke, aber erst ein Drittel der Rennrad-Höhenmeter. Ob ich den Cutoff in Grindelwald schaffen würde? Locker bleiben! Die Kompaktkurbel und das 28er Ritzel waren mehr als ausreichend, um locker bis zur großen Scheidegg raufzukurbeln. Die Ausblicke: immer wieder phantastisch! Am Steilstück hinter Rosenlaui schoben immerhin schon einige. Das Wetter blieb anständig, ich war aber froh um meine Windweste, die ich heute nicht mehr ausgezogen habe. Im Tal mochte es zwar warm sein, aber es ging ja immer wieder rauf und da war es kühl! Die Rennrad-Abfahrt ging besser als erwartet, ich hatte sie von vor vier Wochen als relativ engkurvig in Erinnerung. Die neuen Ultegra-Bremsen waren sehr griffig. So konnte ich mich auf der Abfahrt gut erholen.
Der Wechsel vom Rennrad zum MTB ging ganz schnell, ich musste weder Helm noch Schuhe wechseln, ein Vorteil der SPD-Pedale auf dem Rennrad. Ein bisschen Iso habe ich noch in der Wechselzone getrunken, aber dummerweise vergessen, noch ein Gel einzustecken. Denn am MTB hatte ich nur eine Plastikflasche mit aufgewärmten Salzwasser. Dass ich das Gel vergessen hatte, ist mir klar geworden, als sich mein Magen mit einer leichten Leere gemeldet hatte. So habe ich diverse Personen an der Strecke um ein "Scheeel" angebettelt, Erfolg hatte ich immerhin bei einer anderen Fahrerin, die mir einen Schluck aus ihrer Geltube angeboten hat. Vielen Dank! Trotzdem bin ich etwas vorsichtiger weitergefahren. Denn abschießen wollte ich mich nicht. Ein paar Kurven weiter tauchte dann aber die Verpflegungsstation auf und hier konnte ich mich mit Bananen und Iso stärken. Danach ging es gleich viel lockerer! Am ersten steileren Stück oberhalb der Baumgrenze schoben wieder viele und bald kam die Steilrampe. Danach konnte ich wieder aufsteigen und die Fahrerin vor mir auch. Just beim Fotopunkt kam sie aber in's Schwanken und fiel vor mir fast vom Rad. Ich musste natürlich auch absteigen. Hoffentlich hatte der Fotograf in dem Moment nicht ausgelöst
Gleich danach kamen unverkennbar einige Japaner entgegen und sie haben sich sehr gefreut, als ich sie mit "Konnichiwa" begrüßt habe. Oben an der kleinen Scheidegg kam dann gerade die Junfraubahn vorbei und es gab eine kleine Zwangspause. Die freundliche Helferin am Verpflegungsstand hat mir danach meine Flasche mit Iso aufgefüllt. Überhaupt waren die Helfer und Helferinnen allesamt sehr freundlich und zuvorkommend.
Die Abfahrt hat einen Riesenspaß gemacht, wobei mir diesmal das Wurzelstück ausgewaschener vorgekommen ist als vor vier Wochen. Sicherheitshalber bin ich hier abgestiegen, der Rest ging aber gut zu fahren. Trotzdem war ich froh, dass ich mir die Strecke vorher schon angeschaut hatte. Jedenfalls konnte ich lange vor dem Zielschluss in Stechelberg ankommen. Aber was half das? Auch wenn ich nun fast eine Stunde Vorsprung vor dem Besenwagen hatte, ich musste ja in weniger als 5 Stunden auf dem Gipfel sein?!
Jedenfalls stand am Pfad kurz vor dem Wechselzelt mein lieber Mann, fotografierend. Und alles wird gut!
Nächste Etappe: Nach dem kurzen Fußpflegeprogramm (Hirschtalgcreme!) im Wechselzelt habe ich mir mein in mein Buff verknotetes Sortiment von Salomon-Laufjacke, Höhenmesseruhr und Espressogel geschnappt und bin losgejoggt. Das konnte ich ja alles während dem Laufen verstauen. Die leicht abschüssige Stecke nach Lauterbrunnen war angenehm zu laufen und hat einiges geboten, zum Beispiel viele BASE Jumper, die teilweise mit Wingsuit gesprungen sind. Damit sind sie richtig lange in der Luft geblieben. Auf dem Weg waren eine Menge Touristen, die die Kameras nach oben gehalten haben, um BASE Jumper zu fotografieren. Viele Leute entlang der Strecke applaudierten immer wieder, obwohl ich wirklich meist als Einzelheinz-in unterwegs war. In Lauterbrunnen war richtig viel Trubel, das war schon etwas befremdlich. Aber bald ging es nach links weg auf die etwas ruhigere Forststraße. Überholen und überholt werden. Immer wieder. Ich kampfwandere mein Tempo. Die Pulsuhr hat gesagt, ich könnte schneller, die Muskulatur wiederum sagte mir das nicht. Der Rücken fing langsam an zu schmerzen. Die Zeit lief! Einfach nur hoch! Rückenschmerzen sind doch Ignorierschmerzen! An der Verpflegungsstation Winteregg habe ich auf die Uhr geschaut. Mist, nur noch 20 Minuten bis zum Zielschluss in Mürren um 18:00 Uhr. Nicht lange aufhalten an den Verpflegunsstationen, ein Stück Riegel und einen Becher geschnappt. Mülltüten waren viele Meter weiter hinten aufgestellt, da musste man keine Zeit verlieren. Jetzt aber schnell! Mit vollem Magen wurde mir nur leider ein wenig schlecht, sobald ich im Laufschritt war. Der Zielschluss in Mürren saß mir im Nacken. Also Übelkeit ignoriert und losgejoggt. In Mürren war wieder mein lieber Mann und ab da ging es lockerer. Wieder viele applaudierende Zuschauer. Ich habe immer wieder den Moderator gehört "Jetzt kommt Startnummer xx, und darf weiter auf das Schilthorn".... Es wurde 18:00 Uhr. Es wurde 18:05 Uhr, bis ich den Moderator passieren konnte. "Ich will auf das Schilthorn -- darf ich?" Und der Moderator hat genickt. Daumen hoch, Juhuu!
Also hat der Endspurt begonnen, der doch noch über 2,5 Stunden dauern sollte. Aber es wurde nun einsamer und die Ausblicke: immer wieder phantastisch! Bei Birg jedoch mussten alle circa 50 Höhenmeter absteigen. Warum? Man hätte doch gerade weitergehen können? Egal, auf die 50 Höhenmeter sollte es nun auch nicht mehr ankommen. Ein kleiner See lag ruhig da und der Himmel spiegelte sich darin. Das Wetter blieb stabil, kein Gewitter in Sicht! Bald kam die letzte Verpflegunsstation und der Mann dort sagte "nur noch 300 Höhenmeter". Die es in sich hatten. Die Strecke war wirklich perfekt markiert. Überall Pfeile und Striche mit neongelbem Spray aufgesprüht, die konnte man in der nun schon dämmerigen Stimmung noch sehr gut sehen.
Die Gletscher an Jungfrau und Mönch begannen, in den allerrosigsten Farben zu schimmern. Es war so eine phantastische Stimmung. Vor mir saß jemand total apathisch auf einem Stein. Mannomann, das musste man doch genießen hier! Diese Ausblicke ließen jedenfalls alle Rückenschmerzen und müde Beine vergessen. Den Zielmoderator konnte ich schon seit langem klar hören, Startnummer für Startnummer gratulierte er ("jeder ist ein Sieger hier und heute"). Mensch, das zog sich aber auch hin! Es dämmerte. 20:30 Uhr war schon um aber es gab nur noch eine Richtung!
Schwankenden Schrittes und mich doch immer wieder an den Seilen festhaltend wankte ich die letzten Meter hinauf. Da war er wieder, mein lieber Mann. Er hatte wegen der Höhenluft ein wenig zu keuchen. Ich zum Glück nicht, mir kam da die Gran Paradiso Besteigung am letzten Wochenende zugute. Die letzten Stufen. Wo war das Ziel? Ach ja, die Plattform links. Da lag es einsam und verlassen, das Ziel. Ein Paar Laufschritte über die Ziellinie gingen noch. Unglaublich aber wahr:
geschafft!
Da lob' ich mir doch die späte Zielankunft: rosig klare Sicht, Abenddämmerung
Ziel Schilthorn.jpg
und am Ende war es schön kühl. Ob ich es nochmal machen werde? Eigentlich reicht es einmal, aber man soll niemals nie sagen. Verbesserungspotenziel besteht auf jeden Fall! Und wenn ich die Geschichte von Fuxx' Bekannten lese, dann ging es mir heute richtig gut! Dank des gädigen Organisationskommittees! Und dank der Tatsache, dass ich mir die Strecke vor vier Wochen schon mal angeschaut hatte. Sonst hätte ich den verlängerten Cutoff sicher nicht geschafft! Und hätte mich grün und blau geärgert, dass ich keine Fotos machen konnte, denn die hatte ich vor vier Wochen ausgiebig gemacht!
So, das ist jetzt wieder lang geworden. Der Rücken schmerzt nicht mehr und die Beine fühlen sich auch ganz ok an. Übermorgen wird wieder zur Arbeit geradelt! Der Endura Alpentraum wartet noch...