Samstag, 14.5.2022
Viel zu früh wache ich auf. Es ist erst 5.17 Uhr. Noch schlafen!? Keine Chance mehr. Aber die Füße hochlegen, mein Start ist erst um 15.40 Uhr. Ich bin aufgeregt … und renne den ganzen Vormittag wie ein aufgescheuchtes Huhn durch mein Hotelzimmer. Hin … und her … und hin … nein, das ist bestimmt nicht besonders zielführend. Immerhin ist meine Wade, die in den letzten beiden Tagen etwas zickig war, wieder brav. Um 11.00 Uhr macht der Italiener hier im Hotel auf … ich esse ein paar völlig überteuerte Spaghetti mit 08/15 Tomatensoße und gehe wieder in mein Zimmer zurück. Hin … und her … und hin … etwas angenervt mache ich mich irgendwann auf den Weg. Draußen sind es locker über 30 Grad, im Convention Center ist es aber - wie auch gestern beim Startunterlagen abholen schon - klimatisiert auf solide maximal 18 Grad. Ich fröstele, habe zum Glück ein Sweatshirt mit. In der Halle ist es laut, voll, ich schaue mir kurz an, wo die unterschiedlichen Stationen sind und flüchte wieder nach draußen.
Gehe wieder rein, wechsele ein paar Worte mit dem einen oder anderen bekannten Gesicht. Der Adrenalinpegel steigt. Zu früh??? Ich treffe M., eine ehemalige Mit-Triathletin und jetzt Trainerin in meinem Gym, „bewaffnet“ mit einem obercoolen Plakat um mich anzufeuern - wie genial ist das denn!???
Ich turne mich etwas warm. Nicht lange, der Wettkampf würde in jedem Fall lange genug dauern um auf Betriebstemperatur zu kommen, also bloß keine unnötige Energie verschwenden. Kurz vor dem Start sammeln wir uns in der Startbox. Etwa 15 Damen meiner AK, ein letztes mal beäuge ich kritisch die Konkurrenz. Werfe D. - meiner Lieblingskonkurrentin - einen vernichtenden Blick zu. Bei der letzten WM in Leipzig konnte sie mich besiegen. Ihr letztes Hyrox vor zwei Wochen war sie mega-stark. Sollte ich sie nicht besiegen können, war ich zumindest gewillt, ihr das Leben in den nächsten knapp 1,5 Stunden zur Hölle zu machen.
10…5…3-2-1- GOOOOOO!!!!!! Der Startschuss fiel, der Trupp rannte los. Wussten die nicht, dass der WK nicht nach 10 Minuten gleich wieder vorbei ist??? Ich ließ sie ziehen, trabte schätzungsweise am Anfang des letzten Drittels, aber bereits nach der ersten Laufrunde (ein Kilometer bestand aus drei Laufrunden) kamen die ersten Damen wieder in Sichtweite und an der ersten Station (1000m am SkiErg) war ich schon wieder gut dabei. Das SkiErgen war anstrengend, ich mag es auch nicht sonderlich, aber unter’m Strich harmlos. Es ging ins zweite Laufen, an welcher Position ich mich befand konnte ich schon jetzt nicht mehr sagen … einzig D., die mit ihrer pinkfarbenen Hose schätzungsweise 50 m vor mir leuchtete, behielt ich unbeirrt im Blick. Station 2, Sled Push. Die amerikanischen Teppiche unter den Schlitten hatten den Ruf eher langsam zu sein. Mit meinen lumpigen 1,60m und ca. 58kg hatte ich gut Respekt vor dem mit 125kg beladenen Schlitten … zumal das eh nicht zu meinen Paradedisziplinen gehört. Der Schlitten war aber unerwartet willig. D. machte sich bereits auf den Weg auf die nächsten Laufrunden, ich war ihr weiterhin dicht auf den Fersen.
Station 3 … Sled Pull. Auch hier gab es keine größeren Probleme, im Gegenteil!!! Die Ergebnisliste nach dem Rennen behauptet, dass ich von allen 156 gestarteten Damen die 8beste Zeit am Sled Pull hatte!!!!!!!!!!!
… blöderweise war D. nicht viel langsamer
Als nächstes kamen allerdings die Burpee BroadJumps. Die kann ich - also los. Auf den Boden schmeißen, wieder hoch, weit springen, repeat. Das Ganze 80 m weit … und YEAH
… nach etwa 25 m hatte ich sie eingesammelt!!! … zumindest übergangsweise, bis sie nach ein paar 100m auf der Laufstrecke wieder aufschloss. Ruhig bleiben, sie sah mindestens so fertig aus wie ich und ein wenig hatten wir ja noch vor uns. Blöderweise auch die f$%#*-Wallballs, bei denen ich es schon des Öfteren versaut habe. Erst ab 1000m Rudern. Mal wieder erreichte ich nach ihr das RuderErg, saß immerhin unmittelbar neben ihr. Ich konnte meine Füße etwas schneller in die Schlaufen sortieren und zeitgleich legten wir los. Mein Blick wanderte pausenlos zwischen meinem und ihrem Bildschirm hin und her - ihrer ebenfalls … meine Pace war deutlich besser, das war vermutlich meine (letzte!?) Chance
ich stürmte also ein weiteres Mal auf die Laufstrecke. Nun durfte ich mir keine Fehler mehr erlauben. Atmen. Ich weiß, dass ich mental stärker bin. Farmers Carry. 200m mit 2x24kg Kettlebells. Attacke. Ich sah D. als sie mir entgegen kam. Durchhalten, war ja zugegebenermaßen nicht so, als hätte ich noch sonderlich viele Energiereserven
Der nächste Laufkilometer war so mäßig, ich fürchte nach den nun anstehenden Lunges würde es nicht besser werden… 100m mit einem 20 kg Sandsack auf den Schultern. Meine Beine drohten den Dienst zu quittieren. Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, warum ich den ganzen Mist hier mache - mehr oder weniger erfolgreich. Ich brüllte mich (innerlich) an: „DU WILLST DAS DOCH!!!!!!!!“
Die letzten Lunges, endlich. Allerdings war von meinen armen Beinchen nicht mehr viel zu erwarten. Ich trabte auf die letzten Laufrunden. Ja, trabte. Maximal eine 6er Pace, nix mehr zu machen.
Aber nun kam es drauf an. 100 Wallballs. Der 6 kg-Medizinball, das Target auf 2,75 m und ich. Der erste ging daneben. Läuft ja. Dann ein paar am Stück, D. mir mittlerweile an der Station gegenüber. Wieder ein paar. In diesem Moment überquerte die Siegerin unserer AK mit 1.16:xx die Ziellinie, ich wunderte mich etwas, dass ich das überhaupt mitbekam. Eine krasse Zeit!!!
Aber Back to Basics. Der Medizinball, D. und ich. War sie doch schneller??? Die nächsten zwei gingen wieder ins Leere. Immer wieder höre ich M., die mich - wie auch während des restlichen Rennens - pausenlos anfeuert. Ich war am Ende. Sollte ich es jetzt noch versauen????? Fluchend ging der nächste daneben, der Ball flog etwa zwei Meter weiter. VERDAMMTER SCH€%#£*!!!!!!!!! D. und ich lieferten uns einen erbitterten Kampf. Ein „Kommentator“, lief von einem zum anderen von uns, keine Ahnung, was er sagte. Ich schob Frust. Wieder ein paar, mittlerweile immerhin gut 80 insgesamt. Knapp 20 to go. Noch 10. wieviele musste D. noch??? Der Kommentator gesellte sich zu mir um die letzten runter zu zählen.
Ein gutes Zeichen?
5-4-3-2-1. Ich stolperte mit letzter Kraft über die Ziellinie. WHAT A RACE. Ich lag gefühlte 20 cm hinter der Ziellinie und fragte mich, ob ich je wieder aufstehen könnte.
D. kam ins Ziel, sagenhafte 6 Sekunden nach mir.
Ich hatte mit 1:20:24 mein schnellstes Hyrox-Pro Race ever.
Ca. 5 Minuten schneller als in Berlin im November noch- und da lief es schon nicht so schlecht.
Vizeweltmeisterin.
Mission accomplished.
Happy.