Heute wollte ich mich probiotischen Lebensmitteln widmen, aber was genau bezeichnet der Begriff Probiotik eigentlich? Übersetzt bedeutet es "Für das Leben", rechtlich gesehen sind Probiotika lebende, charakterisierte und sichere Mikroorganismen. Geschichtlich gab es den Einsatz von Probiotika bereits 76 v.Chr. durch Plinius, welcher fermentierte Milch gegen Gastroenteritiden einsetzte. Das älteste Probiotikum auf dem deutschen Markt ist der 1917 von Alfred Nissle isolierte E. Coli Nissle.
Aber wie kam es zu dem großem Erfolg der Probiotika auf dem Markt der Milchprodukte?
1995 war der Markt von Joghurt und Co. noch nicht im Griff von großen Ketten, sondern regionalen Produkten - obwohl bereits ein Jahr zuvor Actimel von Danone und LC1 von Nestle auf den Markt kamen. Nestle hatte dann die geniale Idee einer großen Werbekampagne. 1995 gab Nestle 1,9 Millionen für TV-Spots aus, ein Jahr später 5,8 Millionen für TV-Spots und 2,9 Millionen für Print-Medien. Im 2. Halbjahr 1996 machte LC1 67% des Marktes aus, welcher seinen Umsatz im selben Zeitraum von 4,5 Mio. DM auf 150 Mio. DM erhöhte. Es war ein wahnsinniger Erfolg und das Thema Darmgesundheit war anscheinend eines, welches die Menschen interessiert.
Übrigens fand man einige Jahre später heraus, dass in den Joghurt-Drinks von Danone und Yakult das gleiche Bakterium enthalten ist. Sie haben es unabhängig voneinander gefunden und unterschiedlich benannt, aber ist tatsächlich das quasi gleiche Produkt.
In der EU gab es lange Zeit keine Regelung für Health Claims bei Lebensmitteln und auch das Deutsche Lebensmittelgesetz hatte keinen Paragraphen, der sich auf Probiotika bezog. Schließlich wurde eine große Initiative gestartet, welche Richtlinien für die Forschung aufstellen sollte. Beteiligt waren 64 Forschungsgruppen aus 16 EU-Ländern und natürlich Vertreter der Industrie (ich glaube vor allem Danone und Nestle), welche den Spaß zu gewissen Teilen finanzierten. Ihre Idee war, dass die Forscher strenge Richtlinien für Studien aufstellen, in der Hoffnung, dass kein mittelständiges Unternehmen diese bezahlen kann und der Markt so ausgedünnt wird.
Aus diesen Forschungsgruppen entstand letztendlich die EFSA (European food safety authority). Die Forscher der EFSA erfüllten den Wunsch der Industrie und beschlossen sehr strenge, wissenschaftlich seriöse Richtlinien für Probiotika. Außerdem wurde das Lebensmittel-Gesetz zum strengsten EU Gesetz. So sind z.B. gesundheitsbezogene Aussagen, wie "zur Bikini Figur", oder eine taillierte Flasche für einen Joghurt-Drink verboten, wenn man keinen wissenschaftlichen Nachweis erbringen kann. Dies führt dazu, dass bis heute KEIN Health Claim von der EFSA zu Probiotika angenommen wurde, und alle zuvor getätigten Claims zurückgezogen wurden. Die Auswirkungen waren so groß, dass Danone z.B. in den USA 35 Mio. $ Strafe zahlen musste und in den UK keine TV Werbung mehr zeigen durfte.
Das muss man sich mal vorstellen, da gibt es einen Probiotika-Markt, der im Bereich Lebensmittel mehr als 500 Produkte umfasst und eine halbe Milliarde Euro generiert, und keines dieser Produkte bewirbt eine probiotische Wirkung. Wie kann es also sein, dass es diese Produkte trotzdem schaffen gekauft zu werden? Dies beruht auf dem Einfallsreichtum der Industrie. Actimel beispielsweise bewirbt nicht seine Bakterien, sondern sein zugesetztes Vitamin C (welches nachweislich gut für das Immunsystem ist). Andere Firmen nutzen z.B. Biotin um ihre Produkte zu bewerben. Man kauft also nichts anderes als eine Vitamintablette mit zugesetzten Milchsäure- oder Bifidobakterien.
Die Sache mit den Probiotika ist also nur ein guter Marketing-Gag. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Es gibt in der EU 15 Produkte mit nachgewiesenem Health Claim. 5 davon sind Medizinprodukte (Hauptsächlich pH-Senker für den Vaginalbereich) und 10 sind Arzneimittel.
Noch erfolgreicher als der Probiotika-Markt für Menschen, ist übrigens der für Tiere