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Zitat von svenio
Danke für die Erläuterung.
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Gern geschehen. Ehrliche Fragen verdienen ehrliche Antworten.
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Zitat von svenio
Deine Einschätzung ist, dass in Deutschland die Gefahr von Rechts überhöht wahrgenommen wird, weil (kurz zusammengefasst) hier schon in der Schule über die Nazizeit unterrichtet wird und man deshalb besonders sensibel auf rechtsradikale Bewegungen reagiert. Verstehe ich das richtig? Würdest Du das ändern wollen?
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Ziemlich genau verstanden, was ich meine.
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Zitat von svenio
Kannst Du mir erklären, warum Du die Gefahr geringer einschätzt? Würdest Du versuchen, Deine Einschätzung so auszuführen, dass Du sie nicht gegen andere Gefahren abgrenzt (bspw. Linksradikalismus), sondern aus sich selbst heraus eine Begründung finden? Im Grunde interessiert mich, ob Du Rechtsradikalismus per se als nicht gefährlich für die Demokratie eines Landes ansiehst oder ob Du nur Höcke und seine Anhänger als ungefährlich einstufst.
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Ich finde, Rechtsradikalismus (wie jedes andere Extrem auch) unterminiert grundsätzlich die demokratische Idee, weil sie eine Ausschließlichkeit der eigenen Wahrheit propagiert. Bei welcher Ausprägung eine wirkliche Gefahr anfängt - ja, das ist dann die "Gefühlsfrage", die für mich einerseits davon abhängt, wie die Rechtsradikalen auftreten (geäußerte Ziele, Methoden, Personal, Positionen im System, Unterstützung in der Bevölkerung), wie auch von der Robustheit des Systems (Judikative, Legislative, ...).
Bei Höcke und Co. sehe ich zwar eine gewisse Unterstützung in der Bevölkerung (die ich allerdings am wenigsten auf die Nazi-Allüren von Höcke zurückführe), sowie leider eine starke Machtposition dieser schrägen Truppe innerhalb der AfD. Ich sehe aber keine große Wahrscheinlichkeit, daß diese Truppe grundsätzlich eine autoritäre Diktatur einführen will (schon mangels einer entsprechenden Persönlichkeit), höchstens versuchen möchte, die Gesellschaft nach ihrem nicht immer in die Zeit passenden Vorstellung zu formen, ggf. durch Gesetze, die über das hinausgehen, was wir aktuell als akzeptabel ansehen. Ich kann auch keine Tendenz in der AfD zu Gewalt erkennen (auch wenn es natürlich immer gewaltbereite Idioten gibt, die sich dann auf die AfD berufen mögen). Und ich kann auch keine Wahrscheinlichkeit erkennen, daß sie sich auf relevante Teile der Bundeswehr stützen könnten (was ich für eine "Machtergreifung" für wesentlich halte; na gut, ist die Frage, wie ernst man die Bundeswehr überhaupt nimmt).
Was das System angeht, halte ich es für ausreichend stabil, um mit nachweislichen Übertretungen der gesetzlichen Grenzen fertig zu werden. Wir haben es nicht nötig, jede Versammlung von Spinnern oder Reichsbürgern zu einem rechtsextremen Putschversuch hochzustilisieren.
Ich sehe in der rechtesten Ecke der AfD nun mal keine NSDAP2.0, sondern nur eine Truppe, die die Unzufriedenheit der Bevölkerung nutzt, und eine rechtsradikale Klientel mit anspricht durch entsprechend grenzwertige Verpackung von halbwahren Botschaften (von denen einige sehr wichtig sind, wenn man nicht die Form, sondern die Idee dahinter anschaut, andere allerdings absurd). Ich sehe sie in etwa wie der fiktive Hitler in "Er ist wieder da" die dort dargestellten Neonazis - mit denen ist kein Staat zu machen.
Andererseits hatte die AfD lange auch das Potential zu einer echten konservativen Opposition; Lucke, Petry und Meuthen sind zwar daran gescheitert, aber nicht alle "realos" haben es hingeschmissen, und daher kann ich noch nicht die ganze Truppe abschreiben. Ich schätze, sie verlieren an Volumen, sobald andere konservative Alternativen (Freie Wähler bundesweit?, Werteunion) sich im Raum zwischen AfD und CDU anbieten; da werden viele "realo-AFD-ler" dahinwechseln, und dann wird es dem Rest ergehen wie zuvor den Republikanern. Das ist zumindest meine mittelfristige Hoffnung, warum ich mir keine großen Sorgen um eine rechtsextreme AFD-Regierung mache.