Zitat:
Zitat von Schlafschaf
Ich sehe das als letzten Akt der Solidarisierung.
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Das ist ein wirklich ausgezeichnetes Argument. Ich habe darüber schon länger nachgedacht.
Jürgen Habermas hat mal gesagt (sinngemäß): Solidarität bedeutet, dass jemand zugunsten eines anderen auf etwas verzichtet, in Vertrauen, dass sich der andere in einer ähnlichen Situation ebenso verhalten wird.
Wieso soll gerade dieser Verzicht der letzte Akt der Solidarität sein und nicht ein weiterer, der noch auf uns zu kommt? Inwieweit darf ich hoffen, dass mein Vertrauen nicht enttäuscht wird? Immerhin sind Solidaritätsakte wie sie von uns (richtigerweise) in der Pandemie gefordert werden, ja nicht an der Tagesordnung und eine absolute Ausnahme. Letzteres - also die Aussicht auf enttäuschtes Vertrauen - würde man ggf. als Ungerecht empfinden.
Sollte der Staat nicht aus derartigen Gerechtigkeitsabwägungen heraus dafür sorgen, dass der Verzicht der sich Solidarisierenden insofern belohnt wird, dass diejenigen, mit denen man sich solidarisiert hat auch ein Stück Solidarität abgefordert wird? In dem Falle einfach noch zu warten, bis alle die Möglichkeit einer Impfung haben?
Dies hätte m.E. noch zwei Effekte: Die Gruppe der bereits Geimpften würden die Gelegenheit bekommen sich ebenfalls solidarisch zu verhalten. Es mag für den einen oder anderen wichtig sein, das Vertrauen anderer nicht zu enttäuschen.
Und: Es würde kein oder nur ein kleines Risiko geben, dass in der Gruppe der sich Solidarisierenden ein Gefühl der Ungerechtigkeit entsteht. M.E. haben die Menschen zwar nicht wirklich ein Gefühl für Gerechtigkeit. Was ist schon gerecht? Sie haben allerdings ein sehr feines Gespür für Ungerechtigkeit.
Ich finde den Ansatz „letzter Akt der Solidarität“ sehr stark. Ich habe mich allerdings in meiner Meinungsbildung aufgrund er eben ausgeführten Gründen dafür entschieden, dass ich es besser finde wenn die Geimpften noch warten müssten. Ich verurteile den Ansatz „letzter Akt“ aber nicht. In der Ethik gibt es nicht nur schwarz oder weiß.