Das ist nach wie vor nicht richtig. Der von mir genannte Einwand wurde nicht widerlegt.
Der Generationenvertrag kommt aus einer Zeit in der die Nettoreproduktionsrate 2,3 war, heute ist sie 1,44 (und nur deshalb so, weil der Migrationseffekt schon drin ist). Konsequenz: Wenige Junge finanzieren die Rente vieler Alter.
Der Effekt wird weiter verschärft durch: Signifikant verlängerte Lebensdauer (längerer Rentenbezug), in den letzten Jahrzehnten signifikant früherer Renteneintritt , späterer Eintritt ins Berufsleben (Abiturquote, Hochschulabsolventenquote) und Substitution von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen (z.B. Werkverträge mit Selbständigen). Prospektiv: Wegfall von Arbeitsplätzen durch Digitalisierung, bei denen sehr wahrscheinlich vor allem ältere Arbeitnehmer betroffen sind.
All das hat zur Konsequenz, dass das Umlageverfahren nur durch signifikant steigende Rentenversicherungsbeiträge und/oder kleinere Renten finanzierbar ist. Diese Steigerung muss mindestens durch die volkswirtschaftliche (Sach-)Kapitalbildung und damit durch die Größe des längerfristig erzielbaren Nationaleinkommens kompensiert werden (für die Freaks: ob das genau so ist, das ist wissenschaftlich umstritten, siehe dazu die Feldstein-Kontroverse). Es geht also so lange gut, wie wir ein Wachstum wie in den letzten 15 bis 20 Jahren haben. Wollen wir uns darauf verlassen, insbesondere wenn die Lücke vorhersehbar in den nächsten 20 Jahren steigen wird?
Die Alternativen (natürlich geht auch ein Mix) sind auch relativ bescheiden: Ein vollständige, oder mindestens umfassende Einführung des Kapitalstockverfahrens ist praktisch nicht durchführbar: Die Jungen würden in den Kapitalstock einzahlen und nicht mehr die Alten bedienen. Die Riester-Rente hat versucht das auf freiwilliger Basis mindestens homöopathisch zu leisten.
Bleibt eine steuerfinanzierte Rente. Und dann ist man relativ schnell bei der Frage, wie die ganzen staatlichen Transferleistungen, die heute schon ein ziemlich komplexes Konstrukt sind, dann organisiert werden können.
Wenn man das Umlageverfahren behalten will, müssen natürlich einige Anpassungen gemacht werden. Dabei könnte man sich auch an anderen Ländern orientieren und sich zum Beispiel diese Maßnahmen abschauen:
Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze
Höchstrente
Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten
Erhöhung der Rentenbeiträge
Finanzierung über Steuern
angemessene Lohnerhöhungen
u.a.m.
So sollte genügend Spielraum bleiben.
Zum Wachstum: Unser System ist auf Wachstum angelegt und hat dieses bisher langfristig auch erreicht, in einem Maße, das die Effekte der demographischen Entwicklung bei weitem übertrifft. Die Antwort ist also: Ja, wir wollen uns darauf verlassen, zumindest solange keine bessere Alternative in Sicht ist.
Geändert von Zarathustra (02.04.2017 um 15:31 Uhr).
Wenn man das Umlageverfahren behalten will, müssen natürlich einige Anpassungen gemacht werden. Dabei könnte man sich auch an anderen Ländern orientieren und sich zum Beispiel diese Maßnahmen abschauen:
Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze
Höchstrente
Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten
Erhöhung der Rentenbeiträge
Finanzierung über Steuern
angemessene Lohnerhöhungen
u.a.m.
So sollte genügend Spielraum bleiben.
Leider bleiben, bis auf einen, alle Vorschläge kosmetische Maßnahmen "im" System. Maßnahmen "am" System, das (ceteris paribus) in spätestens 20 Jahren nicht mehr tragfähig ist, fehlen.
Die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze führt zunächst durch den neuen Beitragszufluss kurzfristig zu einer Entlastung, langfristig wird das Problem durch die erhöhte Zahl der Bezugsberechtigten sogar verschärft.
Was meinst Du mit Höchstrente? Die Deckelung der Rente bei einem bestimmten Betrag, abhängig von Einzahlungsdauer- und höhe? Wenn das gemeint ist, wird die heute schon virulente Altersarmut dadurch weiter verschärft.
Die Erhöhung der Rentenbeiträge sind sowohl bei Arbeitnehmer-, als auch Arbeitgeberseite schon heute an der Zumutbarkeitsgrenze, die Grenzkosten von Arbeit in Deutschland mit die höchsten in der industrialisierten Welt (natürlich auch aufgrund der anderen Abgaben). Eine weitere, spätestens in 10 Jahren sehr deutliche Erhöhung, um die Umlagefinanzierung weiter betreiben zu können, wird Arbeitsplätze weiter abbauen bzw. ins Ausland mit niedrigeren Grenzkosten verlagern helfen. Auch dadurch verschärft sich das Problem langfristig mehr, als dass es kurzfristig hilft.
Dasselbe(hohe Grenzkosten) gilt für "angemessene" Lohnerhöhungen. Wir haben das System nur deshalb noch so stabil halten können, weil wir seit 15 Jahren eine gute Konjunktur mit entsprechendem Lohnzuwachs hatten (Zahlen hatte ich schon mal gepostet, weil hier die "gefühlte" von der belegbaren Realität abweicht.).
Bleibt die steuerfinanzierte Rente. Die kann Teil der Lösung sein. Und dann ist man schnell bei der Frage der effektiveren und effizienten Organisation aller Transferausgaben des Staates.
Zum Wachstum: Unser System ist auf Wachstum angelegt und hat dieses bisher langfristig auch erreicht, in einem Maße, das die Effekte der demographischen Entwicklung bei weitem übertrifft. Die Antwort ist also: Ja, wir wollen uns darauf verlassen, zumindest solange keine bessere Alternative in Sicht ist.
Wobei man beim Wachstum natürlich auch fragen müssen, wollen wir wirklich immer mehr? tut uns das gut?
Wollen wir immer mehr Fleisch essen, wollen wir immer mehr Laufschuhe (es sehen schon 10 Paar im Schrank), wollen wir immer größere Wohnungen (die man putzen muss), wollen wir immer größere Autos (die man nirgends mehr parken kann).
Ich bin mittlerweile in einer Phase wo ich eigentlich eher weniger will.
Weniger Fleisch essen, kleiners Auto gekauft, Trainingslage in D statt auf Malle usw. usw..
Die Grundbedürfniss des Menschen (im Westen) zumindest, sind doch gedeckt. Keiner muss hungern, jeder kann sich Kleidung kaufen und sei es bei KIK, jeder hat ne Wohnung (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen). Jeder hat Zugang zu Mobilität, Sport, Kultur.
Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Die Grundbedürftnisse (Essen, Wohnen Kleidung, Mobilität) werden weitgehend menschlos und automatisiert zur Verfügung gestellt.
Leider bleiben, bis auf einen, alle Vorschläge kosmetische Maßnahmen "im" System. ...
Danke für die Antwort! Ich denke, die Lage ist keineswegs so eindeutig, wie von Dir dargestellt. Man kann in nahezu allen Punkten anderer, ja sogar entgegengesetzter Ansicht sein.
Wenn Deutschland als reiche Industrienation es nicht schafft, sich ein ordentliches Rentensystem zu erhalten scheint mir das eher ein intellektuelles Problem zu sein. Man könnte sich ja in aller Bescheidenheit durchaus etwas bei einigen in dieser Hinsicht erfolgreicheren Nachbarn wie Österreich oder der Schweiz abschauen...
...Die Grundbedürftnisse (Essen, Wohnen Kleidung, Mobilität) werden weitgehend menschlos und automatisiert zur Verfügung gestellt.
Ja, die Grundbedürfnisse. Ist das der Anspruch eines reichen Landes wie Deutschland? Was wurde aus Wohlstand für alle? Wie steht es mit gesellschaftlicher Teilhabe?
Danke für die Antwort! Ich denke, die Lage ist keineswegs so eindeutig, wie von Dir dargestellt. Man kann in nahezu allen Punkten anderer, ja sogar entgegengesetzter Ansicht sein.
Wenn Deutschland als reiche Industrienation es nicht schafft, sich ein ordentliches Rentensystem zu erhalten scheint mir das eher ein intellektuelles Problem zu sein. Man könnte sich ja in aller Bescheidenheit durchaus etwas bei einigen in dieser Hinsicht erfolgreicheren Nachbarn wie Österreich oder der Schweiz abschauen...
Ich bin keineswegs ein Pessimist, sehe aber was gerade bzgl. der Digitalisierung abgeht - und das wird, auch unabhängig von der Rentenfrage, unser Gesellschaftssystem in den nächsten Jahrzehnten extrem herausfordern. Für diese Herausforderungen sind wir zum Teil besser gerüstet, als manch andere Industrienation (bspw. Spanien, Italien), aber absolut ist die Herausforderung nicht kleiner, nur weil andere relativ schlechter dastehen.
Von Österreich können wir vor allem lernen, dass die Rentenversicherung auf einen großen steuerfinanzierten Anteil beruht (immerhin 11 Mrd. Euro pro Jahr oder 3 % der BIP). Es ist also hochsubventioniert. Gleichzeitig ist das Rentenniveau im Vergleich zum Einkommensniveau recht bescheiden. Mit Blick auf die Altersarmut ist Österreich ebenso wie Deutschland unter EU Schnitt. Interessanterweise wird, um das System etwas zukunftsfester zu machen, gerade eine Art Riester-Rente (also private Kapitalstockbildung) unter dem Namen "Prämienbegünstigte Lebensvorsorge" propagiert.
Von der Schweiz können wir vor allem lernen, dass das 3-Säulen-System schon immer auf private Vorsorge gesetzt hat (vgl. Riester-Rente), in der Praxis diese Säule aber zunehmend vernachlässigt wird. Die zweite Säule, der eigentliche Kern des Systems, hat dieselben Probleme der demografischen Entwicklung, wie bei uns. Insofern ist bei näherem Hinsehen kein wirklicher Systemvorteil erkennbar, außer, dass es eben die private kapitalgedeckte Vorsorge schon sehr lange gibt. Und dann ist der Vermögenstock in der Schweiz natürlich sehr viel höher als bei uns, was die Problematik (nicht systembedingt) entschärft.