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4 Radtage Südbaden
4 Radtage Südbaden
Keine Flugreise
Deutschlands wärmste Gegend
Kilometer sammeln vor den Wettkämpfen
Traumhafte Trainingsstrecken
Training auf dem eigenen Rad
09.-12.05.2024
EUR 199,-
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Alt 11.03.2008, 12:27   #1
Jimmi
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Gigathlon

Na, dann will ich mal... Der eine oder andere Schweizer unter Euch möge mich korrigieren, falls ich was in Sachen Geschichte des Gigathlons falsch darstelle:

Historie

Begonnen hat alles mit der Frage eines Schweizer Kindes an seinen Vater, wie lange denn ein Ironman sei. Und der Vater antwortete, daß das so lange wäre, wie wenn man einmal quer durch die Schweiz unterwegs wäre. Schwimmen durch den Lago Magiore, mit dem Rennrad quer über die Alpen bis hinter den Zürichsee and dann laufenderweise bis an die Deutsche Grenze. So wurde der Trans-Swiss-Triathlon geboren, der im 2-Jahres-Rhythmus bis 1999 stattfand und den ich im Jahr 1993 mitmachen konnte.
Danach suchte man neue Rennformen und Sponsoren, die man in der Einbindung von Mountainbike und Inlineskaten sowie der Verpflichtung des Schweizer Energiekonzerns Swiss Power fand. Zur Expo wurde dann der Versuch gestartet, die Schweiz komplett zu sportifizieren. 7 Tage am Stück wurden jeweils 5 Disziplinen auf einer großen Runde durch die Schweiz bewältigt. Der Gigathlon war geboren. Neben 5er 7-Tage Teams gab es die Möglichkeit, einen einzelnen Tag als Single zu absolvieren oder beispielsweise in einer 35er Mannschaft nur ein Teilstück der Reise zu machen. Einige wenige taten sich das Ganze komplett als Single an und einige ganz wenige von denen kamen auch durch. Damals waren zwei Bekannte von mir in 5er Teams als Schwimmer/Läufer/Skater mit dabei.
Mann soll es nicht glauben: Die Teilnehmer waren begeistert und forderten vehement eine Neuauflage. Um den Aufwand im Rahem zu halten, entschloss man sich nach einem Jahr Pause weiterzumachen: Zunächst mit 3 kleineren Wettkämpfen über das Wochenende und für 2007 wieder mit 7-Tagen-Wahnsinn durch die Schweizer Berg- und Talwelt.

Eigene Motivation

Als erklärter harter Hund und Bergfex mit langer Triathlon-Erfahrung sowie als Biel und Inferno-(Fast-)Finisher wollte ich 2007 den 7-Tages-Gigatlhon mitmachen und dafür als Test den 2006er bewältigen. Dieser Wettkampf lief unter dem Motto „Das Abenteuer geht weiter“ und war nicht als Wochenend-, sprich 2-Tages-Strapaze ausgeschrieben, sondern packte in 24 Stunden soviel hinein, wie ging. Start um Mitternacht. Zielschluß 24 Stunden später.

Vorbereitung

Eigentlich wie immer. Habe mir nur 9 Monate lang Inlineskaten beigebracht und bin einige Male mit dem Mountainbike durch die Schluchten des Thüringer Waldes. Wenn sich brennend dafür interessiert: Der Trainings-Blog ist auf caba.de zu finden.

Gigathlon 2006

166 km Rennrad 2400 HM
68 km Mountainbike 1800 HM
7,5 km Schwimmen (flußabwärts)
46 km Inline 70 HM
42 km Lauf 700 HM

Start: Mitternacht in Genf
Zielschluss: Mitternacht in Bern

Pre race

Eins Stunde später als geplant (ja, ja ...) geht es los. Wir sammeln Ina (Schwimmerin in einem 5er Team) in Bad Salzungen und Sebastian (zweiter Betreuer für mich) in Fulda auf und starten Richtung Schweiz. Karin hatte gestern noch versucht, die Klimaanlage reparieren zu lassen, aber das scheint die Werkstatt zu überfordern. Also Fenster runter und viel trinken. Die Temperaturen steigen und steigen. Bei Freiburg ein kurzer Wolkenbruch. Unsere Scheibenwischer verweigern den Dienst. Gut daß der ADAC direkt hinter uns fährt, diese Schwachstelle am Sharan schon kennt und vor sich hin grummelnd kurzerhand ein Wischblatt komplett entfernt. Abends gegen halb neun Ankunft bei unserer Gastfamilie und Unterkunft nahe Thun, den W***s, üppig Nudeln, ein wenig Rotwein und dann in den Schlafsack.
Am nächsten Morgen gut frühstücken und Anfahrt nach Chaux de fonds, dem Zeltlager und gleichzeitig der ersten Wechselstation. Als wir ankommen stehen erst weinige Zelte, es sind aber schon viele Leute unterwegs. Insgesamt treiben sich hier fast 5000 Sportler und entsprechend viele Betreuer rum: Knapp 300 Einzelstarter, 237 Couples (Paare: eine Sie und ein Er) sowie 800 Staffeln. Aber die Abholung der Startunterlagen erfolgt reibungslos, ebenso wie der gesamte noch folgende Wettkampf: Eine organisatorische Meisterleistung!
Meine Betreuer bauen das Zelt auf, und wir versuchen alle noch ein wenig zu schlafen. Die orangefarbene Zeltstadt der Teams ist inzwischen beeidruckend groß. Aber auch die schwarzen und grauen Single- und Couple-Zelte bilden ein kleines Dorf.
16:30 ist Wettkampfbesprechung. Gleichzeitig Abendessen (riesige Portion Reis mit Soße. Klasse). Vor allem für meine Betreuer ist es wichtig, noch mal den genauen Ablauf zu wissen, denn das Ganze ist schon etwas kompliziert mit den ganzen Wechseln, Shuttlebussen und, und, und. Ich gehe mit Karin und Sebastian noch mal alles durch, wir überprüfen ein letztes Mal die Wechselsachen und ich gebe einige Instruktionen, die ich im Eifer des Gefechts vielleicht vergessen würde, wie zum Beispiel, mich nach dem Schwimmen mit Sonnencreme zu versorgen.
Dann geht es langsam los: Ich verkleide mich als Radfahrer. Neben der Batterielampe fahre ich meinen Nabendynamo für die Gefällstrecken. Armlinge und eine dünne Windjacke sowie einige Riegel, Gels und mein Handy komplettieren die Ausrüstung. Zu dritt schieben wir das Rad Richtung Bahnhof. Dort gibt es gepolsterte Fahrradtaschen für jeden. Die Räder werden verstaut und um 20:14 fährt unser Sonderzug nach Genf ab. Im Abteil versucht jeder noch ein wenig zu schlafen oder wenigstens zu dösen. Gegen 23:00 Uhr ist Ankunft in Genf. Wir bauen die Räder zusammen und schieben diese durch die warme Nacht durch die Fußgängerzone an etlichen euphorischen Betrunkenen vorbei Richtung Genfer See, der uns mit einer riesigen angestrahlten Wasserfontäne begrüßt. Vor dem Aufwärmraum geht es noch ein Stück bis zum Startbereich. Die 5er Teams starten erst um 2 Uhr, aber auch so ist es eine gigantische Stimmung am Beginn des für viele extremsten sportlichen Erlebnisses ihres Lebens.
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Jimmi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 12:28   #2
Jimmi
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166 km Rennrad

Der Start ist traumhaft. Wir schweben durch die Nacht am Genfer See vorbei. Um Windschatten kümmert sich kein Mensch und so fahre auch ich zumindest die ersten topfebenen Kilometer immer mal im Pulk. Doch nach 20 km ist Schluß. Wir biegen links ab und nehmen den ersten großen Anstieg in Angriff. Ich habe weder Tacho noch Pulsmesser dabei und richte mich nur nach meinem Gefühl und genieße die Stimmung, die Nacht und das Radfahren. Lediglich die gefahrenen Höhenmeter und die Rennzeit lese ich auf meiner Polar ab. Wir sind allein, zum Glück nur ein illegales Begeleitfahrzeug, das immer mal überholt und dessen Insassen dann alle Radler anfeuern. Aber auch dies nur am Anfang. Der erste Paß ist kein Problem, es geht auf französisches Gebiet, die Straße fällt leicht auf vielen Kilometern, so das man eigentlich viel schneller fahren könnte, aber ich bremse mich immer wieder. Das Rennen ist noch lang. Um zwei Uhr eine SMS. Schade, nicht von Karin, sondern vom französischen Netzbetreiber.
Nach knapp drei Stunden und hinter der zweiten Kontrolle steigt meine Batterielampe aus. Entweder sind die Akkus schon runter oder dich habe doch etwas viel Iso-Brühe drüber gekleckert. Ich muss ab sofort mit Dynamo fahren – 3 Watt weniger an Leistung auf der Straße. Die Beleuchtung der anderen variiert zwischen 10 W Flakbeleuchtung mit 3 Akkus und einer LED-Funzel auf dem Helm. Mit meiner Lösung sehe ich sehr gut, bin nicht allzusehr gehandicapt und letztendlich froh, dann doch mit einem Storm produzierenden Vorderrad gefahren zu sein. Allerdings haben die großen Gruppen, die an mir an und zu vorbeifliegen in der Summe wesentlich besseres Licht und können so auch schneller fahren. Aber ich bin Single und dies ist mein Wettkampf und den stehe ich alleine durch.
Immer wieder haben wir einen wunderbaren Ausblick auf die Ebene, einmal halte ich kurz an, um andächtig in der warmen Nacht auf die glitzernden Lichtpunkte der tief unten liegenden Dörfer zu sehen. An den Verpflegungsstellen gibt es das Nötige: Iso, Wasser, Tee, Riegel, Gel und Knabberzeug. Ich trinke viel, und muß ebenso oft was los werden. Gut daß ich im Fahren pinkeln kann J. Bei km 100 ein Unfall mit Rettungssanitätern, an dem ich vorbeifahre. Sieht nicht gut aus. Eine nicht ungefährliche Abfahrt erfordert Steuerkünste. Irgendwann kommt dann ein toter Punkt. Keine Ablenkung außer den permanenten Steigungen. Dann bist Du allein mit der Nacht, vielen roten Blinklichtern und deinem Hintern.
Gegen Morgen wird es kühl. Ich krame Armlinge und Regencape aus und wappne mich für die Abfahrten.
Endlich Dämmerung. Der Geist kann sich wieder mit anderen Dingen beschäftigen. Bei mir im Feld fahren etliche Frauen, aber es ist schwer herauszufinden, ob es Single oder Starterinnen in der Couple-Wertung sind. An der letzten Verpflege suche ich die WCs auf. Soviel Zeit muß sein. Es ist halb sechs. Ich rufe Karin und Sebastian an, damit die wissen, wo ich bin. Kaum sitze ich auf dem Rad schießt das erste Peloton der 5er Teams, bestimmt 40 Mann stark, an mir vorbei. Die haben mir schon 2 Stunden abgenommen. Wahnsinn. Aber die Strecke kann man auch schnell fahren und schließlich sind die nach dem Rennrad fertig. Die ganze Zeit bis zum Ende der ersten Etappe überholen mich noch kleinere und größere Gruppen, aber ich lasse mich da nicht irre machen.
Der Höhenmesser hat schon längst die geplanten 2100 HM überschritten. Immer wieder geht es noch eine Steigung hoch. Bei 2400 HM endlich die erste Wechselzone. Ich bin zwar mit 7:15 deutlich langsamer als geplant, aber noch locker drauf. Von 253 gestarteten männlichen Singles ist das die 212. Zeit, also nicht so prickelnd, aber das weiß ich zum einen zu diesem Zeitpunkt nicht, zum anderen wäre es mir egal. Sicher wäre es, vor allem im Pulk, deutlich schneller gegangen, aber dies ist mein Rennen und es wird ein langes Rennen. Immerhin liegt die längst Etappe hinter mir.
Gut gelaunt rolle ich in die Wechselzone hinein.

68 km Mountainbike

Sebastian und Karin haben Marmeladenbrötchen mit in die Wechselzone gebracht. Was Salziges wäre mir nach den vielen süßen Gels und Riegeln lieber. Aber auch ein Brötchen hat was. Das Trikot und den Helm lasse ich an und wechsele nur die Schuhe. Ein schneller Wechsel, aber ohne Hast.
Gleich auf den ersten Metern müssen Treppen hochgeschoben werden. Dies sollte mir Warnung sein. Auf verschlungenen Wegen geht es durch Chaux de Fonds. Gut, dass das Bike so viel Gänge hat. Auch auf dem Mountainbike muß ich Körner sparen und lasse während der ganzen Etappe immer wieder Leute vorbei.
Die erste kleine Abfahrt ist ein deutlicher Warnschuß: Kurz hintereinander liegende Bodenwellen schlagen brutal in den Lenker und bedeuten Schwerstarbeit. Unglaubliche Schläge gehen durch das ganze Rad. Wenn das so weitergeht, gute Nacht.
Die erste längere Steigung. Der Höhenmesser kriecht. Es wird steil. Noch steiler. Der Boden ist durch den Regen von gestern aufgeweicht. Schließlich geht es nicht mehr zu fahren. Wir drücken die Räder durch 10 cm tiefen Matsch nach oben. Die Reifen setzen sich zu, der Lehm hängt an den Bremsen, macht das Rad schwer und läßt die Räder blockieren. Mit hämmernden Puls stehe ich mehrfach in der Steigung und muß ausruhen. Unglaublich. An dieser Stelle geben schon die ersten auf, sogar etliche Teamfahrer. Endlich sind wir oben. 300 HM von 1800. Wie soll das weitergehen? Ich befreie die Räder mit Stöcken und Fingern notdürftig vom Schlamm und schmeiße voller Verzweiflung dicke Lehmbatzen in den Wald. Gut, dass die Schaltung noch geht. Kieselsteine kleben fest und spritzen in alle Richtungen weg. Bis die Räder wieder sauber sind vergeht noch einige Zeit. Kaum rolle ich wieder einigermaßen, geht es schon wieder durch den Schlamm. Alles von vorne. Es ist zum Mäusemelken. Trotzdem muss ich auch noch ein drittes Mal absteigen und dem Lehm von Bremsen und Schaltung kratzen.
Die Abfahrt ist die Hölle. Diese Bodenwellen und Wurzeln vermitteln das Gefühlt, einen Preßlufthammer reiten zu müssen. Einige lassen Luft aus den Reifen, ein Sportfreund hat schon 3 Schläuche verbraucht und keinen mehr in Reserve, als ich anhalte und ihn frage, ob alles in Ordnung ist. Ich habe nur einen Reserveschlauch dabei und zudem ein billiges Giant Hardtail. Ob das hält, weiß ich noch nicht. Und der Höhenmesser kriecht immer noch. Endlich die erste Verpflegung.
Ab sofort sind zumindest die Bergaufpassagen gut fahrbar. Zum höchsten Punkt des Wettkampfs, dem unbewaldeten Chasseral, geht es eine asphaltierte Straße hoch. Ich fühle mich wieder gut. Auch die Arme scheinen im Hinblick auf das kommende Schwimmen noch locker. Kleine Unterhaltung mit anderen. Ich muss immer wieder um Verständigung in Hochdeutsch bitten. Am Gipfel leider keine Aussicht, da das Tal Wolkenverhangen ist. Immerhin sind wir jetzt bei 1500 HM, ein Ende der Kletterei ist in Sicht. Oben lassen wieder viele wieder Luft aus den Reifen. Erneut Bodenwellen, die altbekannten Schläge. Es gibt kein Tempo, bei dem es nicht weh tut. Links und rechts donnern die Schnellen an mir vorbei. Unglaublich. Wie machen die das nur? Doch das schlimmste kommt abfahrtstechnisch noch: Steilste Waldwege, gespickt mich schmierigen Felsbrocken aus Jura-Kalkschiefer. Entweder Du fährst Schrittempo, dann kann man noch bremsen und rutscht „nur“ einen halben Meter weiter bergab. Ober man macht es so wie die meisten: Man brüllt „links“ oder „rechts“ und rauscht fast ungebremst an den Angsthasen wie mir vorbei. Das ist kein Fahren mehr, sondern Steuern unter Ausschaltung des Denkens. Etliche Fast-Unfälle unterwegs, auch mich verschlägt es drei mal. So was kann man nicht fahren. Und so was will ich nie wieder fahren.
Zweite Verpflege. Dann wieder Steigung, die letzten 300 HM, Abfahrt zum Mittagessen nach Magglingen. Ein schnelle Portion Nudeln mit Soße bei einsetzendem leichten Nieselregen schmecken klasse. Durch den Regen geht wenigstens die Schlammkruste etwas runter. Dann weiter. Ich sehe aus wie ein Schwein, also kann das nicht schaden. Nach 5:39 Stunden bin ich an Wechsel zwei zum Schwimmen und habe immerhin 12 Plätze gutgemacht. Karin erkennt mich kaum. Ich bin froh diese Hölle unverletzt überlebt zu haben und freue mich jetzt erst mal aufs Schwimmen.
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Jimmi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 12:29   #3
Jimmi
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7,5 km Schwimmen flußabwärts

Die Wolken haben sich endgültig verzogen. Karin säubert mich notdürftig mit Isobrühe. Es ist schön, endlich die verschwitzten Klamotten ausziehen zu können. Der Einstieg in den Neo gestaltet sich wie immer etwas schwierig. Ohne Supporter hätte ich wohl etwas länger gebraucht. Dann geht es Richtung Schwimmeinstieg. Karin winkt mir noch von der Böschung zu, ich winke zurück und es geht flußabwärts. Die Streckenlänge beträgt Luftlinie 7,5 km, anhand der Schwimmzeiten errechnen wir später eine effektive Länge von ca. 4 km. Beim Schwimmen als dritte Disziplin gilt vor allem eins: Krämpfe vermeiden. Also lang machen, viel Luft holen und keine Sprints zwischen durch. Alle 300 m ist ein Boot mit gelbgewandeten Helfern, die ich immer mal wieder von weiten für Bojen halte. Soviel zu Thema nicht vorhandene optische Schwimmbrille. Aber die Strecke ist alle 150 m mit weißen Kanistern markiert, und diese Orientierungshilfen fliegen, genauso wie Brückenpfeiler und verankerte Boote geradezu vorbei. Das Wasser ist angenehm kühl. Ich hole 10 Singles und etliche Staffelschwimmer ein. Zahlreiche leichte Krampfanfälle in den Waden löse ich durch Anziehen der Fußspitzen. Die Schweizer sind keine Freunde des Wassersports. Ich überhole Brust- und Rückenschwimmer die sich mehr treiben lassen als selbst für Fortbewegung zu sorgen. Singles tragen gelbe Kappen, die Teams orangefarbene.
Am Ufer eine Dame mit halb ausgezogenem Neo – ich wundere mich was die da veranstaltet.
Ansonsten kommt mir die Zeit auf der Schwimmstrecke sehr kurz vor. So sehr ist der Geist beschäftigt. Tatsächlich waren es aber inklusive Wechsel 1:43, netto vielleicht also 1:30. Dafür, daß ich kaum richtig Gas geben, ist das in Ordnung.

46 km Inline

In der Wechselzone empfängt mich Sebastian. Als gelernter Physiotherapeut massiert er meine Beine etwas und hat dankenswerterweise was zu trinken geholt (Boullion und Iso). Nicht daß ich im Fluß nicht genug getrunken hätte (ich kann übrigens auch im Schwimmen pinkeln), aber Flußwasser ist auf die Dauer etwas fade.
Bis ich abgetrocknet bin, die frischen Sachen und die Schützer anhabe, dauert es etwas. Dann in die Inliner rein. Jetzt beginnt das Abenteuer. Die ersten Schritte sind noch sehr unbeholfen, aus der Wechselzone raus geht es gleich über ein schmales Kopfsteinpflasterband auf die Straße. Aber ich falle nicht.
Die mühsam eingeübte tiefe Hocke gebe ich auf, als der erste Schnellere aufrecht an mir vorbeizieht. An vielen Abbiegungen bremse ich ab. Da fehlt mir noch etwas die Sicherheit, aber je länger ich auf den Rollen stehe, desto eher nehme ich auch mal eine scharfe Kurve. Einige Absätze und Unebenheiten sind auch kein Problem mehr. Dafür schon eher der inzwischen ganz wolkenlose Himmel – es wird war und wärmer, und das Asphaltband windet sich über schattenlose Felder. Ohne Trinkflasche wäre ich verloren.
Inzwischen rauschen die ersten Inline-„Züge“ an mir vorbei: Die späten 5er Teams werden im Massenstart aus der Wechselzone 3 gemeinsam losgeschickt. Man läuft hintereinander im Windschatten und bekommt so eine wahnsinnige Geschwindigkeit drauf. Zu schnell für mich.
Die Inline-Strecke hat 70 HM. Fast nichts, aber diese konzentrieren sich auf 3 Anstiege an denen ich fast zum Stehen komme. Neben meiner eher bescheidene Lauftechnik bergauf liegt es vielleicht auch an den Inlinern selbst. Hier gibt es kilometerlange Strecken und Massen von Leuten die das als Sport betreiben, bei uns nur sporadisch welche. Wenn ich bei uns einen Händler fragen würde, welche Rollen er mir für warmen Asphalt geben könnte, würde der mich verwundert anschauen. Ich behaupt, daß der schweizer Händler zurückfragen würde, für welche Art warmen Asphalt die Rollen gebraucht werden. Auf alle Fälle kommen alle etwas schneller voran als ich und ich verliere in der Kategorie Singles 6 Plätze.
An der ersten Verpflege wird viel getrunken, es geht einen Fluß entlag, der für kühlen Wind sorgt. Gegenwind zwar, aber egal. Als wir uns wieder Richtung Felder bewegen, bleibt der Gegenwind, wird aber warm. Nach 40 km reicht es mir langsam. Die Füße tun weh, es ist nach wie vor unerträglich heiß. Gut, daß ich ein weißes Shirt trage. An einem Bahnübergang gibt es eine Sonderverpflegung mit Wasser. Das war nötig. Ich stürze 3 Becher hinunter. Noch eine Kurve, wieder ein kurzes Stück Straße, noch ein Wirtschaftsweg, links, rechts, so geht es endlos. Einen Sportsfreund überhole ich sogar. Aber der kann es gar nicht. Ein wenig hat sich das Inlinertraining doch ausgezahlt. Ohne allzu viele Körner zu verlieren beende ich auch diese Disziplin nach 2:55 Stunden. Beim Einlaufen in die Wechselzone verkündet der Sprecher meinen Namen. Auch hier, wie auch in allen anderen Einläufen, werde ich mit Beifall und Bravo-Rufen empfangen. Das tut gut. Im Einlaufkanal hängen Werbetafeln, auf welche die Zuschauer schlagen und damit einen motivierenden Lärm erzeugen.
Bisher ist mein Konzept aufgegangen, möglichst im Grundlagenbereich zu bleiben und nicht auf Zeit zu laufen. Denn jetzt kommt noch ein Marathon. Und das sind 42 km durch die Nachmittags- und Abendsonne.

Lauf 42 km 700 HM

In der Wechselzone warten meine beiden Betreuer und kümmern sich vorbildlich um mich. Nur fragt keiner von beiden, ob ich mir wirklich noch einen Marathon antun will. Also frage ich mich das auch nicht, sondern lasse mich mit Sonnencreme einschmieren und wieder kurz die Beine massieren. Es ist schön Karin zu sehen. Der Tag war schon sehr lang und jetzt kommt der Prüfstein. Ich hätte vorher vielleicht etwas rausholen können, aber dann vielleicht beim Laufen 3 mal soviel verloren.
Als erstes fällt mir schon nach 500 m ein, daß ich sehr wahrscheinlich im Dunkeln ankommen werde und keine Stirnlampe habe. Aber ich habe Karins Handy mit und sie will mir vom Ziel aus entgegenkommen. Da kann ich noch anrufen.
Die erste brutale Steigung nach 600 m. Das kann ja lustig werden. Die Schritte sind noch nicht richtig rund, also gehe ich hoch. Laufen fast ohne Schatten. Auf dem Kopf habe ich ein helles Tuch, welches ich immer mal naß mache und welches dann etwas kühlt. Die erste Verpflege bei km 7. Trinken. Boullion, Iso, Wasser. Immer in dieser Reihenfolge. Knabberzeug, Gel, Riegel. Obwohl mich das süße Zeug langsam anwidert. Weiter durch die knalle Sonne. Ina schickt SMS auf Karins Handy, die ich nur im Stehen beantworten kann. Karins Onkel Peter ruft an. Da Karin in Bern ist, kann sie schlecht zu Ihrem Großvater vorbeischauen. Zur Sonne kommen noch die Höhenmeter. Nach dem ersten Gipfel ein steiler Abstieg auf Treppen. Kurz vorher überholen mich zwei Sanis auf Cross-Motorrädern. Am Fuß der ersten Treppe liegt ein leicht Verletzter, der aber von seinem Betreuer schon versorgt wird. Die Sanis wuchten hinter uns die Kisten irgendwie die steilen Stufen nach unten. Schweizer und Berge. Die können gut miteinander. Ich habe schon Probleme flotten Schritts runter zu gehen. Dafür ist es schattig, bis wir unten sind, dann wieder offenes Feld, aber für ein paar Kilometer halbwegs eben. Ich laufe inzwischen relativ locker und kann sogar den einen oder anderen überholen. Trotz der am Ende beschissenen Zeit und für mich als schlechter Läufer werde ich auf der Marathondistanz später den Platz 129 von 193 belegen. Also gar nicht so schlecht. Was wiederum etwas über die Härte des Rennes aussagt.
Am Rande ein Kollege dem übel ist. Ein weiterer liegt neben einer Verpflege mit Kreislaufproblemen im Gras. Einer läßt sich von seinem Betreuer die Zehen tapen. Viele haben jemandem auf dem Rad dabei, der die Trinkflasche reicht und Mut macht. Ein Single gießt sich an jeder Verpflege mehrere Becher Wasser über den Kopf. Ich überhole und werde wieder eingeholt. Alle leiden wegen der Hitze. Ich kann mich aber ein ganz klein wenig vom lang auseinandergezogenen Feld absetzen.
Es geht am Rande eines Sees entlang. Herrliche Landschaft, wenn nur die Kilometer etwas rücken würden. Über eine Staumauer zum Seeufer. Dahinter wieder eine steile Rampe mehr hinauf. Danach wieder steil bergab und immer noch erst 25 km. Ich rede mir ein, daß der Rest ein lockerer Trainingslauf wäre. Das hilft zumindest immer kurzfristig weiter. Als der km 27,5 ausgeschildert ist, heißt es, daß wir eigentlich schon bei der 29 wären. Das gibt Mut, nur noch 13. Karin müßte schon losgelaufen sein. Ich freue mich riesig. Langsam wird es dunkler. Ich habe nur die optische Sonnenbrille und sehe mit und ohne Brille gleich viel. Immer noch überholen mich Läufer von 5er Teams. Endlich sehe ich Karin. Kurz vor km 32. Nur noch zehn. Sie erzählt, lenkt mich ab. Noch ist der Schritt einigermaßen flott, aber alle Steigungen gehen wir hoch. Der Höhenmesser hat auch schon längst die 500 HM überschritten. Am Ende werden es knapp 700 HM sein. Dann wartet Sebastian auf meinem Mountainbike schon in Dunkeln. Ich trage inzwischen die Stirnlampe. Verpflegung bei km 37,5. Über eine Autobahnbrücke nach Bern hinein. Ich fiebere der letzten Verpflegung entgegen. Sebastian versichert mir dauernd, hinter der nächsten Kurve gäbe es Verpflegung, aber es kommt keine. Denken ist ausgeschaltet, es gibt nur noch das Ziel und den Zielschluss um Mitternacht. Ich gehe viel. Ein Blick auf die Uhr zeigt, daß ich es gut im Zeitlimit schaffen kann. Aber es geht scheinbar endlos durch Bern. Immer noch eine Kurve, ein Kreuzung. Alle für Läufer gesperrt. Meine linke Wade tut weh. Ich muß gehen. Am der letzten Verpflege, die nach Ewigkeiten auftaucht sind es immer noch 4 km. Die Schweine. Ich werde wieder laufen müssen. Es geht mir gar nicht mehr. Ich will nur noch in dieses verdammte Ziel. Fußgängerzone, immer noch ein paar Kurven, mörderischer Schlußanstieg, noch 600 m, dann Zielkanal. Karin und Sebastian hinter mir, höllischer Lärm von den Schlägen auf die Bandenwerbung. Es läuft mir den Rücken herunter. Finish nach 23:32:01 Stunden.



Post race

Sofort nachdem den Anspannung vorbei ist und der Geist den Körper nicht mehr zum weiterlaufen zwingt sammeln sich Tränen in meinen Augen. Ich muß mich erst mal eine Weile sammeln. Ich bin durch. Nach einem endlosen Tag. Nach einem noch endloser erscheinendem Lauf durch die Nacht.
Ich hole meine Finisher-Uhr ab, dann muß ich mich erst mal setzen. Es gibt noch ein paar späte Nudeln. Mein Geist ist immer noch irgendwo auf der Strecke. Um eins sind wir wieder bei W***ers, wo es noch ein Bier gibt. Der Körper ist noch so in Aufruhr, daß ich schon um acht wieder wach werde. Die Heimfahrt nach Deutschland döse ich viel.
Jetzt ist Mittwoch, mein Immunsystem ist im Keller, habe mir eine Mandelentzündung eingefangen, die aber schon wieder im Abklingen ist. Bin Sonntag abend anscheinend einer Pflanze zu nahe gekommen und habe an den Knie Blasen vom Nesselgift. Gestern abend ein wenig Fieber, aber das Schlimmste ist überstanden.
Ich habe mit diesem Wettkampf die für mich möglichen Limits für 24 h ausgelotet. Ich bin froh, mitgemacht zu haben, froh gefinisht zu haben. (Ein Viertel der männlichen Singles hat aufgegeben). Aber ich werde ab sofort wieder richtigen Sport machen, meine Abstecher in die Ultra-Welt mit dem 100er von Biel, einem 400er Rad-Brevet und schließlich diesem Gigathlon waren eine wertvolle Erfahrung für mich. Aber damit soll es auch gut sein.


http://www.gigathlon.ch/DesktopDefault.aspx/tabid-1498/
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Jimmi ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 12:29   #4
*JO*
triathlon-szene.de TV-Team
 
Benutzerbild von *JO*
 
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Beiträge: 4.590
ich werde es zwar jetzt erst lesen aber es sollte ins Magazin

edit: ja sollte
*JO* ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 12:47   #5
mauna_kea
 
Beiträge: n/a
auf jedwn fall ins magazin damit

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Alt 11.03.2008, 13:00   #6
bergfloh
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toller bericht - hab das rennen auch als single mitgemacht und fands genial
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bergfloh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 13:32   #7
felix__w
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Benutzerbild von felix__w
 
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Beiträge: 5.117
Toller Bericht.

Aber das war beim Teamwettkampf mein Horror:
Zitat:
Zitat von Jimmi Beitrag anzeigen
Der Start ist traumhaft. Wir schweben durch die Nacht am Genfer See vorbei. Um Windschatten kümmert sich kein Mensch und so fahre auch ich zumindest die ersten topfebenen Kilometer immer mal im Pulk. Doch nach 20 km ist Schluß. Wir biegen links ab und nehmen den ersten großen Anstieg in Angriff.
Der Pulk war beim Team Start war schlimm: obwol das Rennen eigentlich neutralisiert war fuhren wir nachts um 2 im dunkeln mit 40kmh durch die Gegend. Ab und zu gab es bei Kreuzungen und Strasseninseln kritische Moment und auch Stürze.
Ich wollte nichts riskieren und fiel im weiter zurück. Für mich begann der Wettkampf erst am Anstieg. Da war ich nur noch am Überholen und fuhr von einer Gruppe zur nächsten vor. Kurz vor den Abfahrt erwischte ich noch ein Gruppe. -> ganzer Bericht

Und den Fluss runter bist du an unserem Haus vorbei geschwommen

Felix
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2019: 16.6.Zytturm Tri 23.6. Aletsch HM 6.7.Zermatt Ultra-Mara 11.8. Sierre-Zinal 17.8.Inferno HM ? 7.9.Gemmi Tri 14.9.MD Seeland 21.9. Double Vertical km Chando

http://www.family-weilenmann.net/Sport/
felix__w ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.03.2008, 13:37   #8
massi
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Ort: Basel
Beiträge: 1.086
Danke für den Bericht.

Ich war auch mit dem Rennrad in einem Fünfer-team unterwegs.

Start morgens um 02:00 in einem Peloton von 800 Leuten (Windschatten war freigegeben) war ein unbeschreibliches Erlebnis.

Ich war schon als froh als ich die Etappe gefinisht hatte.
Die Singles haben unglaubliches geleistet!
massi ist offline   Mit Zitat antworten
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