HH-B 2013 - Mit dem Rad von Hamburg nach Berlin am 12.10.2013
Irgendwann im August glaube ich, wurde ich aufmerksam auf ein Zeitfahren von Hamburg nach Berlin, organisiert vom Audax Club in Hamburg.
Man konnte entweder alleine oder in einem Team mit bis zu 5 Mitstreitern an den Start gehen. Nach kurzer Rücksprache mit ein paar bekannten Sportlern, stand dann unser 3er Team aus M&M (Micha und Micha) und mir, beide kenne ich aus dem Triathlon-Szene Forum und bin auch schon öfters mit Ihnen gefahren.
Der eine Micha macht gerne mal 3-fach Langdistanzen, der andere macht gerne mal einen 7. Platz bei der Duathlon Langdistanz Weltmeisterschaft in Zofingen (der Einfachheit halber werde ich den zweiten Micha nach seinem Forennick nennen „Captain Hook“). Was hab ich mir dabei eigentlich nur gedacht.
Meine bis dahin längste Fahrt mit dem Rad waren 200km, dieses mal sollten es 280km werden, wobei dann auch klar war, dass man die 300km irgendwie vollmachen wollte.
Die Tage vor dem Start wurde quasi stündlich die Wetterprognose geprüft, leider wurde diese stündlich schlechter. Viel Regen und dauerhaft Gegenwind war die Prognose, man überlegte kleinlaut ob man an den Start geht oder nicht, doch 2 Tage vor dem „Rennen“ haben wir beschlossen, dass ein DNS nicht in Frage kam!
Das Abenteuer begann schon am Vorabend, denn wir wollten ja mit einem Leihauto nach Hamburg, dieses dort abstellen und dann schon mal zum Einfahren 12km zum Start fahren. Blöd nur, dass ich das Auto erst für den Freitag eine Woche später gebucht hatte, ich hatte aber Glück und der Autoverleihdienst hatte noch einen geräumigen Kombi, in den 3 Räder passen mussten.
Am Samstag klingelte dann um 3.30 Uhr der Wecker und ich war überrascht dass ich gar nicht so müde war wie vermutet. Ganz fix angezogen, Frühstück für uns drei gemacht und um 4.20 Uhr war der Captain bei mir und wir luden bei leichtem Nieselregen unsere Räder ins Auto und holten dann Micha kurz später von der S-Bahn ab und es ging los nach Hamburg. Das Navi zeigte 7.25 Uhr als Ankunftszeit, da war Zeit gutzumachen, denn um 7.53 Uhr war unser Start und wir hatten ja noch knapp 30 Minuten dorthin mit dem Rad zu fahren.
3km später, Blaulicht im Rückspiegel. Es ist 4.40 Uhr und wir werden aufgehalten für eine Verkehrskontrolle.
Polizist „Guten Morgen, haben sie etwas getrunken?“
Wir drei quasi im Einklang „Guten morgen, nein, wir sind Sportler, haben 3 Räder im Auto und wollen nach Hamburg weil wir von dort aus zurückfahren“
Nach weiterem hin und her (er kam einfach nicht gleich zur Sprache), stellte sich heraus: Ich hatte das Licht nicht an... Zu meiner Verteidigung (was den natürlich nicht interessierte und vom Prinzip ist es ja auch egal): Ich bin es einfach gewohnt, dass das Licht automatisch an bzw. aus geht. Nachdem das Licht (kein Xenon) an war musste der Captain erstmal aussteigen und nachsehen ob es an war, denn man erkannte auf dem nassen Asphalt ehrlich gesagt kaum einen Unterschied.
Es hätte ja dann weitergehen können, doch der nette man in Blau hatte noch so einen „netten“ Kollegen der dann unsere Fracht begutachtete und dann folgten noch 10 Minuten Diskussion ob wir denn nun so weiterfahren dürfen oder nicht, weil ihm die Ladungssicherung nicht zu sicher war. Am Ende hat er dann ein Auge zugedrückt (im Schleimen und nett sein wenns drauf ankommt war ich schon in der Schule gut...) und wir konnten endlich los!
Das Navi zeigte nun 7.32 als Ankunftszeit...
Die Straßen waren zum Glück leer und freudigerweise hatte es hinter Berlin noch nicht geregnet und bei trockener und leerer Straße konnte der Diesel mal zeigen was er so kann (viel war es nicht...) und um kurz nach 7 Uhr konnten wir das Auto abgeben und machten uns (der eine mehr, der andere weniger) Fahrbereit.
Die ersten 12km zum Start waren dann schon recht flott und bei leichtem Nieselregen. Wir kamen ein paar Minuten zu spät, was letztendlich egal war, die Uhr lief halt schon, aber letztendlich zählte eh nur das ankommen und wir hatten ja auch unsere eigenen Uhren.
Ich hatte mir die Tage zuvor noch eine mögliche Route auf das iPhone geladen. iPhone war Wetterfest am Vorbau angebracht und zwischen den Extensions (ich und Micha fuhren mit den Trirädern, der Captain mit dem Rennrad) hatte ich noch einen mobilen Zusatzakku dabei, denn mit laufendem Bildschirm war mir klar, dass das iPhone keine 10h mitmachen wird.
Um kurz nach 8 Uhr ging es dann los auf die Strecke, es war noch recht dunkel (definitiv dunkler als es in Berlin um 8 Uhr ist), was etwas doof war, da wir kein Licht dabei hatten, wozu auch, um 8 Uhr ist es ja eigentlich hell, dachten wir jedenfalls.
Kurz nach dem Start fing es dann schon richtig gut zu regnen an. Mit richtig gut meine ich, bei so einem Wetter würde ich niemals anfangen mit dem Rad zu fahren! Die Brille war sofort nass vom Regen und vom hochspritzenden Wasser der Vordermannes und das iPhone hatte natürlich auch schon Wasser drauf, was zur folge hat, dass ich die Routenlinie gerade so erkannte, was aber egal war, denn wir hatten direkt vor uns ein anderes 3er Team. „die werden den Weg schon kennen“ dachte ich mir, doch schon nach 3km bogen die anders ab als „der Track“ auf meinem iPhone. Ich schrie nach vorne, kurze Abstimmung, dass wir ab sofort dem Track folgen und dabei bleiben. So hatten wir also schonmal den ersten Extrakilometer, so schafft man auf Dauer auf jeden Fall die 300km...
Nun regnete es richtig heftig. Die Schuhe bzw. Socken waren nach 20 Minuten komplett durchnässt. Da wir die Strecke selbst nicht kannten und ich nicht immer auf den Bildschirm schauen konnte (wir bummelten ja nicht dahin sondern fuhren von Anfang an mit Druck um 30-34km/h), der Track nicht so einfach zu erkennen war, gab es noch die ein oder andere Stelle an der falsch abgebogen werden musste, also wieder umdrehen, neu antreten, das kostete natürlich schon irgendwie Körner.
Irgendwann rollte es dann aber gut geradeaus. Einmal kamen wir noch an eine Stelle die eigentlich nicht für Räder zu befahren war, aber „der Track“ ging nunmal dort lang (an dieser Stelle hatten wir beschlossen, dass, egal was passiert, der Routenersteller war Schuld!) (Anmerkung: Danke an den Fori Nordexpress, die Route hat uns letztendlich den Arsch gerettet
)
Nach etwa 25km gab es dann die erste „Panne“. Das iPhone war bereits bei 65% (nach ca. 1,5 Stunden Fahrt ab dem Zeitpunkt als wir vom Autoverleiher los sind), weshalb ich beschlossen habe den mobilen Akku zu starten. Nun gibt es neuerdings bei iPhones eine Fehlermeldung, wenn es sich nicht um original Apple Zubehör handelt. Das Problem: Dadurch dass das ganze Wasser auf der Hülle war und solche Smartphones ja quasi auf die Feuchtigkeit der Finger reagieren, konnte ich die Meldung nicht wegdrücken. Ich musste also irgendwie das iPhone trockenlegen, denn die Meldung war genau auf dem Track und jetzt schon auf Blindflug zu fahren ohne einen anderen Radfahrer vor einen zu haben, das wär nix.
Zum Glück war eine Tankstelle da, dort haben wir das Problem dann lösen können und es ging weiter.
Die nächsten Kilometer ging es dann problemlos weiter. Bis Kilometer 65 etwa war dann nix besonderes. Es regnete bis dahin durchgehend und wir hatten einen Schnitt von über 32km/h und wechselten uns in der Führung mehr oder weniger gleichmäßig ab, wobei der Captain als stärkster und Micha als zweitstärkster Fahrer den großen Anteil der Führungsarbeit übernahmen.
Hamburg nach Berlin. Das hört sich nach Flachland an. Tatsächlich sollten auf den ca. 280km auch nur etwa 600 Höhenmeter zu überwinden sein. Nun ja, das kam am Ende wohl hin, allerdings waren diese zu 95% von Kilometer 65-80 zu erledigen. Es folgten jetzt viele kurze, teils heftige (für Berliner Verhältnisse) Anstiege. Anfangs versuchte ich vorne auf dem großen Blatt zu bleiben, doch ich musste dann auch aufs kleine, was sich doof anfühlte, denn ich hab beim großen Blatt ein Ovales und das kleine ist noch ein normales rundes Kettenblatt, was sich aber dann während der Fahrt total unrund anfühlt.
So wie es hoch ging, ging es auch teils steil bergab. Bisher hatte ich nie wirkliche Bremsprobleme mit Carbon, nach diesen 15km war mir klar, dass ich mir für solche Fahrten noch Laufräder mit Alubremsflanke kaufen werde. Die „Abstiege“ also schon oben langsam angefahren und sofern eine Kurve kam wurde es selten schneller als 30km/h bergab, den anderen ging es zum Glück auch nicht viel besser.
Zwischendrin war ein ca. 3-4km langes Stück auf Asphalt, welches aber komplett mit Laub bedeckt war. Wir sind da ungebremst mit 33km/h durchgebollert, aber etwas unwohl wurde mir da mit dem Rennrad schon, es blieb aber alles Sturzfrei!
Nach etwa 2,5 Stunden hat es dann endlich mal aufgehört zu regnen, übrig blieb nur noch der Gegenwind, der wie erwartet schon von Anfang an meist von vorne, manchmal von der Seite und so gut wie nie von hinten wehte.
Nach 80km waren die Berge
zwischen Hamburg und Berlin bezwungen und es rollte wieder flach weiter, aber nur zwei Kilometer, denn auf einmal rief der Captain irgendwas hinter uns und blieb stehen. Plattfuß. Kein wirklich erkennbarer Grund, außer Blätter, Äste und Eicheln lag eigentlich nix auf dem Boden.
Durch die kalten Finger hat es fast 20 Minuten gedauert bis wir den Schlauch gewechselt haben, was dazu führte dass wir alle drei durchgefroren und zitternd wieder auf die Räder gestiegen sind und zu dem Zeitpunkt wohl alle ziemlich angepisst waren, aber es half ja nichts, es waren noch gute 200km zu fahren.
Meine Hochrechnung was die Akkulaufzeit inkl. Zusatzladung fürs iPhone anging war: Nach spätestens 6 Stunden wären wir auf uns alleine gestellt. Laufende GPS App plus laufender Bildschirm frisst einfach zu viel Strom. Würde man die Strecke kennen und zwischendrin mal das iPhone ausmachen können, wäre sowas kein Problem.
Bei Kilometer 100 war der Einzige Kontrollpunkt der Strecke in Dömitz, dort konnten wir unsere Flaschen auffüllen (keiner von uns hatte bis da mehr als eine Flasche getrunken) und zu Essen gab es ebenfalls.
5-10 Minuten später ging es weiter.
Glücklicherweise blieb es weiterhin trocken. Wir wechselten uns nun regelmäßig ab, mir persönlich ging es noch richtig gut. Der Schnitt bis dahin immer noch knapp 32km/h, mehr gab die Kälte und der Wind nicht her, für mich jedenfalls.
Es war der erste Härtetest bei Regen für das iPhone und man lernt ja nie aus. Es ging prinzipiell alles, außer dass die Fahrzeit und Kilometer weiterliefen. Ich kannte das Problem der app. Ich hab dann die Fahrt auf der App gestoppt und mir nur die Karte anzeigen lassen samt route, das sparte dann Strom und da es trocken war und es nun oft Kilometerweit geradeaus ging ohne dass man abbiegen musste, konnte ich das iPhone auch mal ausschalten und so war sichergestellt, dass es bis zum Ende reichen sollte. Etwa 5 Minuten später hatte ich dann meine Uhr angemacht, so dass ich am Ende zumindest die Gesamtstrecke hatte.
Ab und an haben wir nun auch vereinzelt andere Radfahrer überholt, wir dachten allerdings am Anfang, dass dies häufiger der Fall wäre, aber anscheinend sind die meisten deutlich vor uns gestartet (es wurde ab 6.20 Uhr gestartet, der letzte Start war etwa 20 Minuten nach unserem).
Zwischen hauptsächlich Landstraße kamen auch ein paar nervige Abschnitte dazwischen. Es gab die ein oder andere Kopfsteinpflasterpassage, was meistens nass war, dann kamen Baustellen wo man 300m über einen mit Schlaglöcher übersäten Kiesweg fahren musste, das kostete nach 5-6h Rad viel Kraft.
Etwa nach 150km hatte ich dann auch mein persönliches Tief erreicht, bis dahin bin ich auch durchaus mal einige Kilometer vorne gefahren, doch da ging nix mehr. Captain und Micha versuchten ihr bestes mir den Wind von vorne und von der Seite zu nehmen, aber trotzdem war teilweise nicht mehr als 28km/h drin, zumindest wenn noch schlechter Asphalt dazukam, wie es mal für ca. 10km am Stück der Fall war, das hat mich dann komplett zerstört.
Mein unterer Rücken wechselte sich mit Knie und Nacken ab, es gab kaum Momente wo mir mal nix weh tat. Irgendwie ging es aber doch und im Kopf rechnete man sich die Zahlen eben schön wie weit es noch ist, quatscht dann auch mal miteinander (was grundsätzlich eher mau ausfiel, aber wann reden 3 Männer schonmal viel miteinander
).
Irgendwie erreichten wir dann so bei km200 einen Supermarkt. Der Track ließ erkennen: Hier war der Trackersteller wohl auch
Knappe 10 Minuten Pause, Verpflegung auffüllen, kurzer Plausch mit anderen Mitstreitern die hier auch Pause machten und weiter ging es auf die letzten ca. 80 Kilometer.
Energietechnisch war ich ganz gut dabei, ich hatte 4 Riegel, 1 Schokocroissant und ein Snickers gegessen und 3 Flaschen Eistee getrunken. Von den Beinen her wäre auch mehr drin gewesen, aber der Druck aus dem unteren Rücken war einfach nicht drin, das ging mal für 2-3km aber sobald dann ein störender Faktor wie Gegenwind oder schlechter Straßenbelag kam, war das gleich wieder zu Ende.
Mehr und mehr kam man Nauen näher. Da war ich schonmal und von da aus sollten es noch etwa 40km sein. Bis dahin ging es mir echt nicht gut. Es gesellten sich noch Kopfschmerzen dazu, denke das kam davon dass ich fast eine Stunde lang nichts getrunken habe, aber ich habe einfach nichts mehr zu mir nehmen können in dem Moment.
Es haben sich zwei Fahrer zu uns gesellt und wir sind dann eine Weile zu fünft gefahren, was für mich zu dem Zeitpunkt echt gut war, so hatte ich teilweise von 4 Leuten Windschatten.
Etwa bei 250km (von der Route, also 262km gesamt), bekam ich warum auch immer einen Energieschub. Ich hatte volle Power, konnte Problemlos an einem Hinterrad bei 36km/h mitfahren und auch alleine mal noch 2-3km mit 34km/h Windschatten geben. Das pushte mich, ich konnte sogar wieder Eistee trinken, was Energie brachte. Das Kopfweh blieb zwar, aber damit konnte ich leben.
Wir waren immer noch zu fünft und es ging nun nach Falkensee, von da aus nach Spandau, die Strecke kannte ich dann schon vom Lauf der Sympathie (Falkensee-Spandau) und die ersten Hochrechnungen ergaben, dass wir im Olympiastadion (dort in der Nähe war das Ziel) etwa 295km insgesamt haben würden und dann noch mit den 7km nach Hause die 300km geschafft wären!.
Es war bereits 18 Uhr, wir mussten uns nun auch sputen da es dunkel wurde und wir kein Licht hatten (ich hab noch im Ohr, dass wir um 16 Uhr spätestens zu Hause wären ;-) )
Endlich waren wir an der Heerstraße angekommen, doch diese zog sich auch noch unendlich. Meine „letzte Luft“ war hier fast aufgebraucht, jetzt galt es nur noch irgendwie anzukommen.
Endlich der Abzweig zum Horst-Kober-Sportzentrum, hier war das Ziel! 18.18 Uhr, also 10 Stunden und 15 Minuten inkl. ca. 45 Minuten Pausen/Pannenzeit waren wir am Ende unterwegs für 281km!
Ich war glücklich, unsere Räder und wir selbst auch sowas von schmutzig und die erste Tat nach dem Ablegen meines Rades war der Griff in die Kuchenbox auf einem Tisch und danach ging es gleich weiter zum Gulasch!
Auch wenn es echt richtig hart war, teilweise auch mal nervig (falsch abbiegen, neu antreten, Baustellen, Kopfsteinpflaster), es war eine coole Erfahrung und die 180km die man ja sonst als Triathlet (oder Staffelfahrer) zu fahren hat, sind ja jetzt ein Katzensprung, jetzt muss nur noch am Tempo gearbeitet werden!
Zu Hause angekommen hatte ich dann nach dem Zusammenrechnen von meiner App+Tacho 302km in 9:45h Fahrtzeit auf dem Tacho, am Ende also ein guter 31er Schnitt über alles!
Hätte man an dem Tag Berlin-Hamburg gemacht, wäre es wohl ein 36er Schnitt geworden ;-)
Nun noch ein paar Bilder, leider sehr neblig, da sich etwas Wasser in der Kamera gesammelt hatte, was jetzt zum Glück wieder weg ist.