Am Wochenende waren wir in Offenburg. Dort arbeitet mein Mann unter der Woche und für den Samstag war ein Firmenevent angesagt: Barfußweg wandern. Ich bin also ca. eine Stunde gesenkten Hauptes und angespanntesten Geistes marschiert und habe es geschafft, mir die Bänder mal nicht zu dehnen. Dafür hatte ich die folgende Stunde einen Schädel, konnte aber nach dem zweiten Espresso wieder voll in das gesellschaftliche Ereignis "Grillabend" einsteigen.
Gestern haben wir dann den Tag im "Europapark" in Rust verbracht. Für einen von uns ist das ja sowas wie der siebte Himmel. Heute stelle ich dann fest, dass es Neuigkeiten aus dem Fußballverein des Blonden gibt:
Sein Jahrgang stellt insgesamt drei Mannschaften und es soll (immer dieselben) Kinder der ersten Mannschaft geben, die die Spieler der zweiten und dritten Mannschaft hänseln. Als pädagogische Maßnahme wurde geplant, die Mannschaften folglich nicht mehr erste, zweite oder dritte zu nennen, sondern "Namen" zu vergeben.
Leider bin ich erst seit Kurzem Koordinationstrainerin, denn mein Ansatz wäre ein anderer. Ich würde hingehen, würde gelbe Karten verteilen und notorische Großmäuler mal eine Zeitlang in der zweiten oder dritten Mannschaft spielen lassen. Da könnte heulen wer will, und intervenierende Eltern würde ich freundlich, aber bestimmt abprallen lassen. Welch großartige Konsequenz von Erwachsenen, sich um das indiskutable Verhalten von Kindern herumzuorganisieren.
Schön auch beim Elternnachmittag der Vorschlag einer Mutter, die Mannschaften stärker zu mischen, damit alle mal gewinnen. Da haben die Schwachen was von, ja, und was ist mit den anderen?
Neulich hat eine Mutter ihrem Sohn gesagt, seine Mannschaft sei im Turnier nicht Letzter, sonder Fünfter geworden. Tatsächlich war der Fünfte der Letzte. Ich muss dann immer an den Dude denken, der mal irgendwo geschrieben hat, dass es ja keine Verlierer mehr gäbe. Recht hat er. Alle sind toll. Leistung spielt keine Rolle. Geht ja an den Schulen auch so: Gefördert werden die Schwachen, die Starken sollen man allein klarkommen. Mathe-IQ von 145 und eine 4 geschrieben? Pech gehabt. Da gibt´s keine Extras. Hier lernen alle dasselbe im Tempo der Langsamsten. Wiederholungen bis zum Abwinken. Meine Freundin hofft jetzt für ihren Sohn, dass es auf der weiterführenden Schule interessanter für´s Kind wird.
Zurück zum Spocht: Die Mannschaften sollen jetzt die Tiger, die Panther und die Bomber (erste Mannschaft!) heißen. Ich bin mir sicher, dass man auch aus diesen Namen genügend Kapital schlagen kann, wenn man die anderen ärgern will.
Das Kind ist übrigens neulich morgens aufgewacht und hat gemeint, dass es jetzt wohl doch mit Leichtathletik anfangen wolle. Auf meine Frage, warum, hat er gemeint: "Weil ich schneller werden will, Mama." Ich vermute, dass die aus seiner Sicht schlecht gelaufenen Bundesjugendspiele gewesen sind, die zu dieser Idee geführt haben. Mit hängenden Schultern kam er nach Hause und hatte gemeint: "Ich hatte heute keinen guten Tag, Mama." "Ach," hatte ich beschwichtigt, "das macht doch nichts, das ist gar nicht wichtig. Und außerdem ist das nun mal so, dass man mal einen guten und mal einen schlechten Tag erwischt."
Und dann hat der Junior eine Ehrenurkunde bekommen und immerhin einer hat sich gefreut - ICH. Dabei sei er aber "nur" 2,75 Meter gesprungen, wie er meinte. Ich fand das gut und habe ihn tüchtig gelobt, aber er hat leicht angesäuert darauf hingewiesen, dass er sei schon mal 3,30 Meter gesprungen sei. Und geworfen habe er 25 Meter und der Anti habe 27 Meter geworfen. Ein bisschen beruhigt hatte ihn, dass Anti ja ein Jahr älter ist. Wie das mit dem Sprint war, habe ich nicht rausbekommen. Er hat mir einfach nicht geantwortet. So bockig war er. Zahlen hat er auch keine genannt. Ich vermute aber, dass Adi dieses Mal schneller war.
Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich so einen kleinen Realisten zu Hause habe, der sich die Steine selbst aus dem Weg räumen möchte. Und mal wird er gewinnen, mal wird er verlieren. Dann werden wir uns freuen oder wir werden trösten. Das ist Sport.
Schön dass Du wieder da bist Pantone!
Ich gebe zwar hier auch nur noch Stippvisiten, da ich schon ewig keinen
richtigen Sport mehr machen kann, aber Du hast mir gefehlt!
Ein Grund mal wieder öfter reinzuschauen.
Alles Liebe!
Marion
Zurück zum Spocht: Die Mannschaften sollen jetzt die Tiger, die Panther und die Bomber (erste Mannschaft!) heißen. Ich bin mir sicher, dass man auch aus diesen Namen genügend Kapital schlagen kann, wenn man die anderen ärgern will.
Das geht ja noch, bei meinen Kindern gab es im Kindergarten eine Bären und eine Hasen Gruppe. Da war der Stress direkt vorprogrammiert, besonders mit den 'starken' Jungs, die geweint haben, wenn sie in die Hasengruppe gesteckt wurden.
Schön dass Du wieder da bist Pantone!
Ich gebe zwar hier auch nur noch Stippvisiten, da ich schon ewig keinen
richtigen Sport mehr machen kann, aber Du hast mir gefehlt!
Ein Grund mal wieder öfter reinzuschauen.
Alles Liebe!
Marion
Zitat:
Zitat von Franco13
Das geht ja noch, bei meinen Kindern gab es im Kindergarten eine Bären und eine Hasen Gruppe. Da war der Stress direkt vorprogrammiert, besonders mit den 'starken' Jungs, die geweint haben, wenn sie in die Hasengruppe gesteckt wurden.
Ach ja - schön wieder von dir zu hören
Man glaubt ja gar nicht, was die kleine Jungenseele so alles belasten kann, herrlich
Zitat:
Zitat von holger801
Es ist immer wieder schön Eure Geschichten zu lesen. Erst recht, wenn man jetzt so lange nichts mehr gehört hat.
Ich muss dringend mit meiner Frau reden, dass wir uns auch einen Spaßvogel zulegen
Achte drauf, dass du einen Spaßvogel bestellst, der nachts auch SCHLÄFT .
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5-km-Erfahrungsspektrum 2013
Der geneigte Leser erinnert sich vielleicht, dass das Kind im letzten Jahr 40 Runden beim Sponsorenlauf abgerissen hat. Irgendwas zwischen 18 und 20 Kilometern waren das. Heute frage ich mich, wie wir das zulasse konnten, aber zu unserer Entschuldigung kann ich anführen, dass uns das Ganze völlig unvorbereitet getroffen hatte.
Danach hatten wir dann wenig Argumente, das Kind nicht bei 5-Kilometer-Läufen mitzunehmen:
Barbarossalauf
Juli 2013. Die Außentemperatur beträgt 32 Grad. Das Kind will unbedingt mitlaufen. Nach langer Debatte lasse ich mich breit schlagen und willige ein, dass er mit mir joggen darf. "Aber", ermahne ich ihn, " ich bestimme das Tempo!" Er willigt ein und wir laufen zwei Runden mit je 2,5 km Länge. Mit uns Hunderte andere, die an so einem heißen Tag auch nichts Besseres zu tun haben, als sich durch eine Kleinstadt zu schleppen. Viele Gartenschläuche sind zu improvisierten Duschen auf der Laufstrecke umfunktioniert und der Dicke und ich haben einen Heidenspaß. Ich übernehme die Versorgungsstellen und reiche Eiswürfel und Wasser an. Im Ziel sind wir zufrieden und fit.
Öko-Run
Juli 2013. Meine Mann möchte 5 flotte Kilometer laufen und wir fahren im herrlich kühlen Auto nach Wächtersbach. Der Dicke will auf keinen Fall den Schülerlauf, nein, die 5 Kilometer will er. Auf jeden Fall. "Vergiss es," sage ich, "wir haben mittlerweile 36 Grad und da genügt so ein Schülerlauf jawohl vollkommen." Das Kind ist verstockt und meint: "Dann laufe ich eben allein." Das will ich noch viel weniger und fülle zähneknirschend zwei Anmeldeformulare aus.
Kaum ist das erledigt, diskutieren wir schon wieder. Er ist wild entschlossen, heute unbedingt das Tempo machen zu wollen. "Die Strecke ist heute ganz anders," versuche ich ihm zu erklären, "Es geht durch Felder. Da ist es heiß und da wird es auch keine Duschen geben." Irgendwann entscheide ich, dass jetzt genug diskutiert ist. Wir stehen mit vielleicht drei Dutzend anderen Laufwilligen an der Startlinie. Vom ersten Moment an mahne ich, nicht so schnell zu laufen. Nichts zu machen. Ich laber mir einen ab von wegen lieber gleichmäßiges Tempo und so. Zuhören tut mir keiner. An der ersten Wasserwanne wird sich tüchtig mit dem Schwamm abgeschrubbt. Irgendwann und das ziemlich schnell, sind wir Letzte. Ich sage das und ernte augenblicklich einen kapitalen Schreianfall. Ein kleiner blonder Junge steht brüllend vor mir: "Du beleidigst mich!".
Ungefähr nach der Hälfte der Strecke stehe ich mit einem weinenden Kind am Wegesrand. Läufer, die nach uns auf die 10-km-Strecke gegangen sind, überholen uns und die meisten Augen sagen klipp und klar: "Rabenmutter!" Ich biete an, eine ausgiebige Pause zu machen: abgelehnt. Ich biete an, einen Streckenposten um einen Shuttle zu bitten: abgelehnt. Ich biete an, das Kind Huckepack (!) zu nehmen: abgelehnt. Und so wandern und joggen wir immer im Wechsel und ich ärgere mich über mich selbst, warum ich mir das alles antue.
Irgendwann geht´s zurück in die Zivilisation. Beim Anblick der ersten Häuser mit Leuten und Duschen davor, ereilt den jungen Läufer die zweite Luft. Als wäre nie was gewesen läuft er strahlend an fremden Menschen vorbei. Noch ein Stück und noch ein Stück und dann geht´s schon ins Ziel und der Dicke sprintet los. Als mein Mann mich in Empfang nimmt, rolle ich nur mit den Augen. Als der Papa das Kind fragt, wie´s denn so war, meint das Kind: "Gut. Zwischendurch habe ich mal geweint, weil da war ich Letzter und das bin ich ja nicht gewohnt."
Als ich vom Duschen zurück komme, meint mein Mann, Leute am Nebentisch hätten sich über das arme Kind am Wegesrand unterhalten, das so bitterlich geweint habe. Man, bin ich sauer.
Zu allem Überfluss bin ich mit 38 Minuten irgendwas auch noch 3. Frau. Das ist an Absurdität nicht zu überbieten, aber ich bin zu höflich, die Trophäe nicht in Empfang zu nehmen. Getrieben von starken Rachegelüsten würde ich das Kind gern sofort für den Öko-Run 2014 anmelden.
Silvester
Ohne besondere Vorkommnisse verläuft der 5,6-km-Silvesterlauf in Kiel. Die Kleinfamilie joggt zur Abwechselung mal gemeinsam. Ich zügele den Junior und treibe meinen Mann an. Eigentlich bin ich für so ausgleichende Aufgaben vom Typ her völlig ungeeignet, aber am letzten Tag des Jahres will ich mit niemandem Ärger und irgendwie bekommen wir eine für alle zufriedenstellende Geschwindigkeit hin.
Das letzte Stück darf der Nachwuchs sprinten und mein Mann und ich können beim besten Willen den Anschluss nicht halten. Im Ziel meint mein Mann nur: "Dass das irgendwann so kommt, war mir klar, aber ich hatte schon gehofft dass das nicht so früh ist."
Gebt mir nur die Schuld, den Rest könnt ihr behalten
Neulich fragte mich eine Mutter, wann denn unser Sohn Fußball spielen würde. Ich hatte ordnungsgemäß wie folgt geantwortet: "Dienstags und freitags hat er Training hier im Ort, sonntags Torwarttraining in Wiesbaden und jeden zweiten Montag Torwarttraining hier im Verein." Ich gucke in Augen, die nicht verwundert, sondern irgendwie ein bisschen angeekelt wirken.
Irgendjemand wirft ein, dass die Kinder ja in der Regel noch am Wochenende ein Spiel oder Turnier haben. "Stimmt", sage ich und gucke schuldbewusst. Dann stellt sich raus, dass die Frau eigentich etwas ganz anderes wissen wollte. Nämlich, wann - wenn ihr Sohn denn mal zum Training kommen wolle - das Training wohl sei. Ich erkläre, dass ich das nicht genau sagen kann, weil ihr Sohn ja in einer anderen Altersklasse unterwegs wäre. Aber sie hört mir schon gar nicht mehr richtig zu und ich höre dann, dass so ein Programm auch nicht zu ihnen (gemeint ist die Familie) passen würde und dass ihr Sohn im Sport auch keine Leistung bringen müsse. Dann sage ich gar nichts mehr und denke nach.
Meine Gefühlswelt kann sich für keine Richtung entscheiden: In einem Strudel zwischen Belustigung, Verärgerung und Unverständnis treibe ich so hin und her. Belustigt, weil ich merke, dass jemand eigentlich schon eine Frage nicht so stellt wie er eigentlich will. Verärgert, weil ich mich fühle, als würde ich etwas falsch machen. Unverständig, weil ich mich frage, zu wem, bitte, die Hobbies von Kindern denn in erster Linie passen sollten.
Von Letzterem kann mein Mann ja ein Lied singen. Bis 30 hat er sich eher wenig bewegt, dann hat er Squash gespielt und Krafttraining gemacht. In seiner Jugend waren ihm Sportler suspekt. Fußball fand er ganz schlimm. Und dann wurde er mit 40 Vater und erhielt postwendend (ja, das Schicksal ist manchmal eine dumme S**) ein Energiebündel mit ausgeprägten Aversionen und Vorlieben. Bewegung (fast) von Anfang an. Es war manchmal zum Haareraufen.
Was wäre ich mit dem Kind gern mal ins Theater gegangen oder gar ins Weihnachtsmärchen. Fehlanzeige. Wir hatten es mit "Mama Muh" versucht als das Kind 3 Jahre alt war. Das Stück beginnt. Eine Kuh kommt auf einem Fahrrad angefahren. Das Kind meint: "Eine Kuh kann doch gar kein Fahrrad fahren." Als nächstes betritt ein großer schwarzer Rabe mit Riesenschwingen die Bühne. Der Blonde will nicht mehr. Wir verlassen das Sommertheater und setzen uns an die 100 Meter entfernte Skaterbahn. Der Junior sitzt dort eine gute Stunde wie festgewachsen bis die Theatervorstellung zu Ende ist. Dann fahren wir mit den anderen heim. Auch, wenn er gern noch etwas geblieben wäre.
Nein, Fußball hätten wir unserem Sohn sicherlich nicht ausgesucht, aber ich soll den ja auch nicht spielen und wegen so etwas werden wir uns bestimmt nicht streiten. Natürlich gibt es auch noch andere Dinge, die interessant sind, aber leider hat so eine Woche nur 7 Tage mit je 24 Stunden. Da passt gerade noch ein bisschen Tec-Rugby und Ballsport rein. Freibad muss im Sommer natürlich auch sein (unvergessen das freundliche Runterwinken und erste spontane Springen vom 5er, natürlich, OHNE seiner Mutter vorher was zu sagen, die einem nur ein paar hinderliche Vorsichtsmaßnahmen mit auf den Weg gegeben hätte). Und Minigolf und Slackline. Rad stände eigentlich auch mal wieder an.
Ja, manchmal würde ich gern etwas anderes unternehmen: Theater, Konzert, Museum, Kino. Geht alles nicht. Einen Museumsbesuch werde ich demnächst mal durchsetzen, aber alles andere ist mir den Stress nicht wert. Ferngesehen wird ja mittlerweile mal. Das hatte mich mit der Sportbesessenheit ein bisschen verwöhnt, denn - so hatte ich mir das Ganze versucht schön zu reden - wer sich als kleiner Knirps auf arte die Dokumention "Afghanistan - Mit Cricket aus der Krise" fasziniert reinpfeift, dürfte dann doch nicht an Hyperaktivität leiden und Sport vielleicht wirklich von ganzem kleinen Herzen lieben.
Vielleicht kommen wir als Eltern ja unserer Erziehungsaufgabe nicht nach, aber dann ist es so. Wie gesagt: Gebt mir nur die Schuld ...