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Zitat von tuben
Wir haben jetzt in unserem Theater einen Probenraum geräumt,
Stühle und Tische aufgestellt und geputzt, eine Tafel aus dem Fundus geholt,
ein Whiteboard aufgehängt, einen großen Bildschirm angeschraubt, Rechner und Drucker installiert, Schulhefte, Stifte und Mappen gekauft, Brotbüchsen und Trinkflaschen organisiert, die Wege und Türen markiert, vier ukrainische Lehrerinnen gewonnen, zwanzig Kinder auf der Klassenliste, haben für alle Mittagessen und für die die Lehrerinnen Blumensträuße bestellt und für die Kinder Zuckertüten gekauft und gefüllt.
Und jetzt bin ich aufgeregt, als würde ich selbst eingeschult.
Am Montag um 9 Uhr fängt der Unterricht an, ob das das staatliche Schulamt oder das Ministerium gut oder schlecht finden ist uns schei,,,egal, wir hoffen, dass es den Kindern und ihren Müttern gut geht.
Und ob die kurz oder lang oder für immer hier bleiben oder ganz schnell nach Hause wollen ist auch egal, das alles bringt die Zeit und das dürfen und sollen sie selbst entscheiden.
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Ich hatte damals versprochen zu berichten, wie und was wir mit "unserer" Schulklasse erlebt haben, das tue ich jetzt.
Das ist auch insofern ein guter Zeitpunkt, die Klasse wird nächste Woche auf Wunsch der Stadt geschlossen, die Kindern werden nach dem Sommer die Regelschule besuchen, unsere werden das auch können und schaffen.
Wir haben am 11. April unsere Klasse eröffnet und hatten eine wunderbare und sehr zu Herzen gehende "Einschulung", das öffentliche "Brimborium" hätten wir nicht gebraucht, aber gut.
Vier ukrainische Lehrerinnen, zwei haben die Kinder in unserer Sprache unterrichtet, zwei waren/sind für den ganz normalen ukrainischen Grundschulstoff zuständig, die Lehrerinnen habe alle inhaltlichen Dinge geklärt und in der Regel gemeinsam unterrichtet, dadurch konnten unterschiedliche Lernstände gut bewältigt werden.
Ich habe dreimal "hospitiert" und war von der Zugewandtheit und Klarheit beeindruckt.
Die Kinder waren in der ersten Woche sehr still und unsicher, die Mütter grau und müde.
Alle aber waren froh, dass sie einen Ort hatten an dem sie willkommen waren, die Mütter haben sich hier oft getroffen und so wurden wir, neben der Schulsituation, zu einem "Ukrainetreff", Kaffee und Tee stehen immer bereit und das Haus offen.
Am Ende der zweiten Woche fingen die Kinder an zu rennen und in den Pausen zu spielen, da wussten wir, es geht ihnen gut.
Die ersten Kinder haben sich in unseren Theater- und Tanzgruppen angemeldet, für die Mütter haben wir Gesprächsrunden angeboten, um sie bei den ersten Wegen zu beratern.
Für die Lehrerinnen haben wir bei der amtlichen Registrierung ein wenig nachgeholfen und sie bei der Wohnungsversorgung unterstützt, da haben unsere Beziehungen gut funktioniert.
Das alles hat sich schnell über das sog. "Ukrainenetzwerk" verbreitet, wir haben unsere Vorstellungen für alle mit ukrainischem Pass kostenfrei gemacht und Angebote für Jugendliche erfunden.
Wir wussten vorher nicht, was ukrinische Kinder gern essen und konnten unserem Schulessenlieferanten deshalb wenig helfen.
Wir wissen nun: Milchnudeln immer, die regionale "Nationalspeise" Quark, Kartoffel und Leinöl neeeee
Wir hatten die schöne Situation, dass wir oft/meistens gemeinsam mit Lehrerinnen und Kindern gegessen haben, die Kinder haben gelernt, dass aufwischen muss, wer kleckert und wir haben gelernt, dass TikTok elementar ist, auch beim Essen.
Die vielen Gespräche mit den Lehrerinnen möchte ich nicht missen, sie alle haben Verwandet, Ehemänner, Freunde und Familien in der Ukraine und sie haben mir viel über ihr Land erzählt und diese Informationen waren immer tagesfrisch und wahr.
Das ist ein Austausch von Mensch zu Mensch und nicht von Feldherrenhügel zu Feldherrenhügel, da geht es um die elemntaren Dinge des Lebens und des Überlebens, fünf Minuten Augenkontakt ersetzen für mich ganze Nachrichtensendungen, ganze Talkshows und stundenlange, selbstreverenzielle Internetsuche.
Jetzt sind noch zwei der Lehrerinnen da, die anderen habe inzwischen feste Stellen und überlegen zu bleiben, die anderen zwei wollen bleiben.
Ich kann sagen, dass wir immens bereichert und beschenkt wurden und froh sind, dass wir es so gemacht haben.
Es sind so viele neue Menschen zu uns gekommen, die meisten wohl auf der Durchreise.
Die Vizepräsidenten der Internationalen Universität Kiew hat es auf ihrer Flucht hierher gespült, als sie eine Wohnung hatte, hatte sie keine Möbel, also: ab ins Möbelhaus und eine komplette Einrichtung, die zweite Frau, für die ich ein Bett gekauft habe...
Und das war es, was braucht Frau, wenn Frau 66 ist und auf der Flucht ?
Ein eigenes gutes Bett mit allem Drum und Dran, Wäsche, Nachttisch mit Leselampe und eine Tür, Schlüssel innen.
Ich habe das gerne gemacht, ein Laufradsatz kommt dafür eben weg.
Es war eine herrliche Einrichtungsfeier, Bortsch, Tee und Unterhaltung, ohne die gegenseitige Sprache zu kennen, na gut, mein rudimentäres Schulrussisch war schon hilfreich und es war willkommen. Und so geht es weiter, Svitlana hat einen Kontakt zu ihrem Studententheater hergestellt, gerade versuche ich, die Gruppe hierher einzuladen, aber das Kriegsrecht...
Nun nehmen wir jeden Tag ein Stück Abschied von "unserer Schule", das ist richtig und trotzdem schwer, deshalb "strecken" wir es...
Na klar, es gibt eine Abschiedsfeier, wir haben T-Shirts drucken lassen und kleine Geschenke besorgt, der Kreis muss sich ja schließen.
Gestern habe ich lang mit einer Deutschlehrerin gesprochen, ich wollte wissen, wie es nach ihrer Meinung weitergehen sollte, in der Ukraine.
Sie hat mich lange angesehen und gesagt: "Wir sind einfache Menschen und wir wollen Frieden, Frieden um jeden Preis".
Dann hat sie bisschen geweint und ich war auch ganz wacklig und dann war es wieder gut und Marina hat wiederholt: "um jeden Preis".
Nicht nur, aber auch deshalb heißt unsere nächste Spielzeit einfach: Frieden.
So das war ein kurzer Eindruck, wer bis hierher gelesen hat: Danke für die Aufmerksamkeit.