Das ist schon ein interessanter Punkt. Auf mich hat es aber den Eindruck, dass sich die Theologie bewusst einer Art Geheimsprache oder man könnte auch sagen spezieller Fachsprache bedient, um sich hier mit gefühltem Hoheitswissen lästige Nachfragen bei Seite zu halten. ...
Da ist natürlich etwas daran. Man könnte der Theologie durchaus vorwerfen, daß sie sich wenig darum kümmert sich an den heute geläufigen Sprachgebrauch anzupassen und dadurch zu Mißverständnissen einlädt. Allerdings ist ihr Sprachgebrauch insofern zu entschuldigen als er zur Zeit seiner Entstehung der auch außerhalb der Religion vorherrschenden Sprache, u.a. auch der Philosophie, entnommen und somit der ursprünglichere ist. Der Umstand, daß mit dem Aufkommen der neuzeitlichen Wissenschaften viele Begriffe einfach umgedeutet bzw. verengt wurden, ist nicht einseitig der Religion zur Last zu legen.
Beispielsweise gibt der bekannte Theologe Eberhard Jüngel (29 Jahre lang Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland) über die Eigenschaften von Gott präzise Auskunft:
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Hältst Du diese ganzen Formulierungen wirklich für präzise und klar in ihrer Bedeutung? Das erstaunt mich, angesichts der ins Auge springenden Metaphorik.
Hältst Du diese ganzen Formulierungen wirklich für präzise und klar in ihrer Bedeutung? Das erstaunt mich, angesichts der ins Auge springenden Metaphorik.
Ja, denn diese Bücher wurden ausschließlich zu dem Zweck geschrieben, die verschwurbelten Märchen mal klar und eindeutig auf den Punkt zu bringen und Unklarheiten zu beseitigen.
Von Metaphorik ist dort keine Spur.
Ich denke, dass die Frage nach Marias Körperöffnungen keine Sache der Metaphorik ist. Sondern Kardinal Ratzinger hat sich konkret und präzise damit auseinandergesetzt, wie es "technisch" vonstatten ging.
Nun, da sind wir wohl vollkommen entgegengesetzter Ansicht.
Auch eine Metaphorik wäre eine Aussage. Wie soll eine Aussage möglich sein über eine Dimension, die "außerhalb unserer Erfahrung" liegt? Und sei es als Metapher?
Wie kann man (meinetwegen als Metapher) bestimmen, dass Gott und Sohn hauchen, nicht jedoch der Geist?
Das dauernde Herumgetanze ist mühsam. Zitiert man aus der Bibel, ist natürlich alles nicht so gemeint. Zitiert man daher aus einer "amtlichen" Erläuterung der Bibel, dann sind es angeblich Metaphern. Zitiert man daraufhin aus universitären Aufsätzen (meine beiden Zitate stammten daher), die den Sachverhalt klären sollen, dann sind die Begriffe angeblich nicht präzise. Wer weiß schon, was damit gemeint sein könnte?
Selbst so simple Sätze wie "Jesus ritt auf einem Esel durch Jerusalem" haben plötzlich eine nicht klärbare, nicht durchschaubare Bedeutung.
Wenn wir nie zu einer Aussage kommen, die wir definitiv festnageln können, sodass sie zum Gegenstand einer Untersuchung werden kann, dann ist kein Gespräch möglich.
Aus meiner Perspektive ist es seit etlichen Seiten eher ein Selbstgespräch, verhaftet im eigenen Kontext.
Das sehe ich anders. Es ist durchaus ein Gespräch, und zwar unter jenen, die normale Begriffe so verwenden, wie sie allgemein verstanden werden. Ich würde vermuten, dass die weitaus meisten Leute in diese Kategorie fallen; auch Gläubige.
Dann gibt es eine kleine Gruppe, die jede Debatte zum Erliegen bringt, weil sie darauf besteht, dass nichts eine klar fassbare Bedeutung haben kann.
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Die Gläubigen haben sich der Reformation also keineswegs aufgrund von Inhalten angeschlossen. Denn die Inhalte kannten sie nicht. Es war vor der Reformation verboten, die Bibel in die Landessprache zu übersetzen. Deswegen gab es die Bibel nur in lateinischer Schrift. Auch die Messen wurden in lateinischer Sprache abgehalten, wobei der Priester mit dem Rücken zur Gemeinde stand. Die Gemeinde hat der Zeremonie lediglich beigewohnt, war aber nicht Adressat und nicht Teilnehmer.
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Ich gehe schon davon aus, dass die Bürger die von Luther, Zwingli und Calvin öffentlich gepredigten zentralen, reformatorischen Inhalte kennen lernten und übernahmen. Wer die Unterstützung ausserhalb des Klerus und der Bischöfe überlebensnotwendig brauchte wie die Reformatoren, musste solche Dinge ändern, welche auch beim Kirchenvolk spürbar wahrgenommen werden, und auf breite Zustimmung hoffen. Die Abschaffung der Beichte und der Absolution sowie des Ablasshandels (Luther´s Thesen in Wittenberg), des Fegefeuers, der Bildersturm, Veränderung der Liturgie und andere Lehränderungen dürften in der Praxis von jedem Bürger einer reformierten Stadt bemerkt worden sein und veränderten die gelebte Frömmigkeit der Bürger in der Praxis und Theorie deutlich. Die Einführung der Reformation in den Kirchen einer Stadt beendete für die Bürger ebenso definitiv die Zugehörigkeit zur römischen Kirche mit deutlichen Folgen für die Ausübung des Glaubens.
Apropos Zustimmung des Kirchenvolkes: Der Beginn des offenen Streites zwischen Zwingli und der katholischen Kirche stellte ein öffentliches "Wurstessen" (sog. Fastenbrechen) dar, um gegen das Fastengebot der römischen Kirche aufzubegehren. Zwingli hielt als sog. Leut(e)priester die Predigt in der grössten Zürcher Kirche und legte dabei die Evangelien aus vor / während des Wandels.
Ps: Mit der Froschauer (Zwingli) Bibel gab es neben Luther noch eine zweite, auf Alemannisch, im Buchdruck. (gleichzeitig zur Lutherbibel).