Es ist doch eine völlig verfehlte Interpretation, anzunehmen eine symbolische Handlung, wie die des Ziegenopfers, sei aufgegeben worden, aufgrund einer Einsicht in ihre mangelnde Wirksamkeit.
Symbolische Handlungen sind zu verstehen als Ausdruck einer jeweiligen Befindlichkeit: Du nennst sie hier selbst und sprichst von Hoffnung. Bauern hoffen weiterhin gelegentlich auf Regen, drücken das aber heute vermutlich aus verschiedenen Gründen anders aus.
Schönes Beispiel. Die Beherrschung der Natur wuchs im Laufe der Entwicklung der Produktivkräfte so, dass Menschen Bewässerungssysteme wie z.B. Staudämme schufen und der "Regengott" und die Regenopfer an Bedeutung verloren. Im Kanton Wallis beteten die Menschen zu Gott um Hilfe, dass beim Bau der gefährlichen Suonen (Wasserkanäle entlang senkrechter Felswände) niemand abstürzte und errichteten Schutzkreuze und segneten die Kanäle. http://suone.ch/
Bei der industriellen Gemüseproduktion entfällt auch der Segen für die Bewässerung in den Gewächshäusern sowie ihrem Bau und die Freilandbauern erhalten bei Katastrophen Entschädigungen von der Gemeinschaft.
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Wer nur Naturtatsachen und zweckrationale Fiktionen kennen will, dem bleiben weite Teile des kulturell geistigen Lebens verschlossen bzw. ein Mysterium.
Veränderungen im kulturell geistigen Leben und in den Religionen entstehen letztlich als Reaktion auf Veränderungen bei der Beherrschung der Natur (siehe oben).
Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.
Das ist erstaunlich! Es liegt also an der schwindenden "Dringlichkeit des Problems" -- und nicht an der Einsicht, dass das Ziegenopfer völlig wirkungslos ist.
Wäre es also angemessen, Ziegen für einen steigenden Milchpreis zu opfern? Das ist unbestreitbar ein "dringendes Problem" der Landwirtschaft. Auch die Syrien-Krise bedarf einer Lösung.
Der Beitrag von qbz enthält schon die Antwort. Kurz gesagt: Die (Arbeits-)Bedingungen ändern sich so, daß das der Befindlichkeit zugrundeliegende Problem an Dringlichkeit verliert. Damit nimmt auch das Bedürfnis nach einer gemeinsamen, ritualisierten Ausdrucksweise ab oder verschwindet.
qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?
Ich weiß nicht, worauf Du konkret anspielst. Du meinst, weil Katholiken nicht um das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen beten, sei ihr Glaube rationaler, als wenn sie es täten?
Ich will das nicht entscheiden. Zumindest mit amputierten Beinen geschieht genau das, was geschehen würde, wenn es keinen Gott gibt. Und zwar immer, ohne eine einzige Ausnahme. Zählt das nichts?
Anmerken möchte ich, dass ich nicht die Katholiken für verblendet halte.
Ich denke, das kann man so stehen lassen, ja. Ich halte es nicht für grundsätzlich unvernünftig bei Krankheit um Kraft zur Genesung zu bitten. Alleine der Glaube an und die Hoffnung auf etwas kann eine Wirkung entfalten, auch ohne jedes göttliche Zutun.
Letztendlich besteht, meiner Erfahrung nach, ein gehöriger Teil christlichen Glaubens mehr aus Hoffnung, denn aus Gewissheit.
Zur "Bein-Frage" kann ich sonst nicht viel beitragen, steht es doch nur stellvertretend für das hier schon mehrfach diskutierte Theodizee-Problem. Ich bin in theologischen Fragen auch nicht so belesen wie du und auch nicht in gleichem Maße daran interessiert.
Vielleicht ist "verblendet" der falsche Ausdruck. Ersetzen wir ihn einfach durch "irrational".
qbz spricht von der Beherrschung der Natur, du von den Arbeitsbedingungen, welche die Befindlichkeiten und damit die Weltsicht und Riten geändert haben.
Ihr stellt stark die äußeren Bedingungen in den Vordergrund. Mir fehlt dabei der Aspekt der Leistung des menschlichen Denkens, welches die Überwindung von Irrtümern bzw. Aberglauben begründet. Oder sind die Leistungen eines Galilei oder Newton, um nur zwei Namen beispielhaft zu nennen, in euren Augen ebenfalls nur Produkt sozialer Verhältnisse und äußerer Bedingungen?
Nein, natürlich nicht. Es handelt sich um komplexe Wechselwirkungen mit der Priorität auf der Entwicklung der Produktivkräfte und der sozialen Verhältnisse, die zu den Auseinandersetzungen, Konflikten im wissenschaftllichen und geistig-kulturellen Leben führen. Erstere entscheiden in grösseren historischen Zeiträumen halt, was sich erfolgreich durchsetzt. Ich sehe diesen Zusammenhang auf keinen Fall "unmittelbar", "mechanisch" bestimmt. Gerade die Naturwissenschaften bilden natürlich Teil der progressiven Entwicklung für die Beherrschung der Natur und der Produktivkräfte. Newton u. Galilei gehörten andererseits zu den geistig-wissenschaftlichen Strömungen des "Humanismsus" und des wachsenden Bürgertums in den Städten. Damals begrenzten mittelalterliche Dogmen zwecks Herrschaftserhaltung des Feudaladels den Fortschritt. Heute begrenzen Formen des Kapitalismus den Fortschritt (private Aneignung der Wissenschaftsergebnisse z.B., Schwerpunkte durch Profitstreben bestimmt) bis hin zur Vernichtungsgefahr (Atomkrieg, Erderwärmung), andererseits brachte und bringt er revolutionäre wissenschaftlich-technologische Entwicklungen und Wachstum der Arbeitsproduktiviät wie nie zuvor.
Was ich inbezug auf Religion und Naturbeherrschung meine: je mehr der Mensch die Natur und seine Lebensgrundlagen "beherrscht", desto weniger erscheinen weltliche Phänomene als "gottbestimmt". Was bleibt noch der Religion: Allein ein fiktives "Jenseits" ausserhalb der von Menschen erforschten, erfahrbaren Welt gedacht.