Selbst wenn man akzeptiert, dass es im Profi-Radsport sowas wie einen Systemzwang zu Doping gibt, ist doch jeder Mensch in seiner Berufswahl frei. .[/i]
Ich gebe Dir zu 95% recht mit Deinem Posting.
Nur glaube ich ist bei vielen Pros der Weg "ins System" schon sehr früh vordeterminiert. Siehe den Lebensweg von Ulle..wer schon als Kind/Jugendlicher ins System reinrutscht lebt irgendwann in einer Paralellwelt. Ich vergleiche das im Ansatz mit dem Leben von Bundeswehrangehörigen.
Nichts desto trotz sind Profisportler erwachsene Menschen und müssen sich (als Personen des öffentlichen Intresses) an gängigen Wertvorstellungen und moralischen Kodi messen lassen...
Das ist der Punkt wo viele dieser bedauernswerten Gestalten versagen..aber woher solls kommen?
Er steht als Profi-Sportler im Lichte der Öffentlichkeit und hat damit eine Menge Geld verdient, da darf man ihn durchaus auch für sein Fehlverhalten als Sportler kritisieren.
Das ist zweigfelsfrei richtig. Wobei ich ergänzen möchte, dass z.B. meine Moral auch Fehlverhalten von Sportlern kritisiert, die nicht eine Menge Geld damit verdient haben und nicht im Licht der Öffentlichkeit gestanden haben. Meine Moral schaut nicht auf Geld. Meine Moral ist da recht einfach - aber gut belastbar
Zitat:
Zitat von Hafu
Wie würdest du denn Jacksche oder Sinkewitz beurteilen?
Tatsächlich anders als Ulle. Ulle ist DDR-sozialisiert. Das dürfen wir nie vergessen. Die Unglaublichkeiten, die einem Kind und jungen Menschen dort eingetrichtert bzw. zuteil wurden, prägen persönliche Wertesysteme, damit Moral und Ethik. Das entschuldigt freilich nicht. Erklärt aber aus meiner Sicht.
Zitat:
Zitat von Hafu
Ein geständiger Sünder hat aus moralischer Sicht eine andere, höhere Qualität als ein hartnäckig leugnender, ständig Nebelkerzen werfender.
Ein Satz, bei dem ich in tiefes Nachdenken falle und noch lange darüber nachdenken werde. Ich denke im Moment, wir sollten aufhören "uns mit der Moral" zu kommen. Welche Moral denn? Wessen Moral? Wie normativ ist die denn? Sollten wir nicht lieber über "Sollen und Wollen" oder über "Gerechtigkeit" reden?
[quote=Hafu;143488]
Selbst wenn man akzeptiert, dass es im Profi-Radsport sowas wie einen Systemzwang zu Doping gibt, ist doch jeder Mensch in seiner Berufswahl frei. In dem Augenblick, in dem man sich entschließt, diesen "Systemzwang" zu akzeptieren und fortan die Öffentlichkeit zu betrügen übernimmt man automatisch auch die Verantwortung für sein Tun.
[quote]
Das ist richtig, gilt aber auch ohne alle diese Prämissen. Kurz: Aus dem freien Willen resultiert Verantwortung für das eigene Tun. Die große Frage ist aber: Wem gegenüber eigentlich? Und in welcher Form? Und: Muss diese Form konform zu irgendeiner Moral sein und wenn ja zu welcher?
Mit welchem (moralischen) Recht erwarten wir von Ullrich, dass er sich hinstellt und seine Verfehlungen (aus unserer Sicht !!) zugibt? Wer sagt denn überhaupt, dass seine Moral auch unsere ist und wer sagt, dass wir überhaupt moralisch handeln müssen?
Also ehrlich: Mir ist das alles zu kompliziert.
Ich plädiere dafür Aufklärungsarbeit bei Kindern und Jugensportlern zu betreiben und bei deren Erziehungsberechtigten, bei Trainern in deren Umfeld und bei Betreuern usw. Undzwar Aufklärungsarbeit über Werte unserer Gesellschaft und über die bedeutung von Sport als kulturellen Aspekt, als soziale Komponente. Das ist konkret. Das können wir vorleben. Ulle und Co. sind so weit weg. Moralische Scheinriesen. Von weitem sehen sie noch aus wie Vorbilder. Je näher man kommt um so kleiner werden sie. Was wir brauchen ist ein Bewußtseinswandel.
Und wenn der Ulle solange wieder fahren will, dann lasst ihn wieder fahren. Unter seines Gleichen. Unerheblich ob er gedopt hat oder nicht oder ob er wieder dopen wird oder nicht.
Wer seines Gleichen sind, soll er selbst entscheiden.
Du sagst damit, daß alle Menschen, nur ihren Vorteil, auch mit illegalen Mitteln suchen.
Du sagst allen geht es nur um Geld und sonst nichts.
Wer dopt ist ein ganz normaler Mensch, behauptest Du weiterhin.
Dies trifft scheinbar für Dich zu. Ich widerspreche dem ganz entschieden.
Ich behaupte folgendes:
Wer einen Profiradsportler dafür verurteilt, dass er dopt, ist scheinheilig insbesondere zu sich selbst.
Man darf bei den ganzen Diskussion eines nicht vergessen:
Wir (das Forum hier) leben in einer Welt, die rein gar nichts mit Profisport zu tun hat. Wir leben in einer Welt, in der wir zur Arbeit fahren, abends nach Hause kommen, usw. Ich behaupte sogar weiter, dass in unserem "Dunstkreis" so gut wir keiner dopt oder sonst wie sportlich unfair agiert. Und da an unseren Sport keine Ansprüche gestellt werden, fällt es uns leicht, gar nicht in Versuchung geführt zu werden. Da ist es für uns nat. einfach mit erhobenen Zeigefinger dazustehen und zu sagen: Du unfaire Sau, wie konntest du nur so was falsches machen, du hast doch immer ne Wahl usw. usw.
Aus Ulles Horizont und in Ulles Umwelt ist es aber so, dass es alle machen, dopen ist ganz legitim, normal und es wird sogar medizinisch empfohlen. Sozusagen dopen als Kavaliersdelikt. Und wenn man erwischt wird, zahlt man die Strafe und weiter gehts. Bei Ulle kann es gar kein Unrechtsbewußtsein bezüglich des dopens geben, weil es in seiner Welt nicht oder nur ein ganz klein bißchen unrecht ist.
So zum Thema: scheinheilig zu sich selbst sind nur die nicht, die in Ihrer Umwelt bewußt das Recht achten, auch wenn alle anderen in der gleichen Umwelt unrechtes tun, wie zu schnell fahren, falsch parken, keine zusätzlichen kleinen Pausen in der Arbeitszeit machen, bei der Steuer schummeln usw.
Und in dem Punkt muß ich dir recht geben, auch ich versuche mich durchs Leben zu mogeln, auch wenn ich dafür ab und zu ein Kalvaliersdelikt begehe. Denn mehr war es für Ulle und seiner Umwelt nicht.
Das du völlig frei von "Betrug bist" ehrt dich aber auf jeden Fall, von daher laß ich mir Kritik von dir gefallen.
@ tobi_nb
du beschreibst Ulles Weltsicht sicher nicht unzutreffend. Der hatte (und hat) aufgrund seines Umfeldes, Herkunft und v. a. auch mangelnden Bildung/ moralischen Reife wohl wirklich wenig Unrechtsbewusstsein.
Aber: "Unwissen schuetzt vor Strafe nicht"
Andererseit gibt's zur Zeit weitaus wichtigere aktuelle Probleme im Zusammenhang mit Doping und Sport, bei denen Hirnschmalz und Engagement besser investiert werden sollte. Ullrich ist 'ne arme Wurst von gestern, die sich halt gerade mal wieder versucht ins Gespräch zu bringen.
Erinnert mich ein bischen an Kristin Otto )auch so eine ohne Unrechtsbewusstsein, die ihre Vergangenheit leugnet). Wenn diese als kritische Journalistin vor der Kamera darüber sinniert, warum Michael Phelps wohl so schnell ist, steigt auch automatisch mein Puls.
By the way: bitte, tobi, scher Profi-Radsportler und Profi-Triathleten nicht über denselben Kamm. Im Triathlon gibt es ganz sicher keinen Doping-Systemzwang und es gibt ganz sicher auch saubere Athleten in der Spitze. Hier im Forum gibt's durchaus einige, die nahe genug dran sind, um das zu beurteilen. Corki z. B. hat letzte Woche etliche Profis alt aussehen lassen...
[quote=Hafu;143675
By the way: bitte, tobi, scher Profi-Radsportler und Profi-Triathleten nicht über denselben Kamm. Im Triathlon gibt es ganz sicher keinen Doping-Systemzwang und es gibt ganz sicher auch saubere Athleten in der Spitze. Hier im Forum gibt's durchaus einige, die nahe genug dran sind, um das zu beurteilen. Corki z. B. hat letzte Woche etliche Profis alt aussehen lassen...[/QUOTE]
Ich schere Profiradsportler und Proftriathleten (und alle anderen Menschen) nicht über einen Kamm bezüglich Doping, sondern bezüglich des Unrechtsbewußtseins und des Erlangens eines persönlichen Vorteils auf jeden Fall.
Beim Triathlon ist das Unrechtsbewußtsein zu Doping vielleicht noch ausgeprägt, dafür fehlt es beim Lutschen.
Ich behaupte sogar weiter, dass in unserem "Dunstkreis" so gut wir keiner dopt oder sonst wie sportlich unfair agiert.
Sehr naiv
Sport ist für Profis auch Beruf. Und dann guck mal im Umfeld wieviel Leute bei ihren Stundenzetteln mogeln, bei der Steuererklärung pfuschen, private Dinge während der Arbeitszeit erledigen und Co.. Das ist in deren Umfeld doch das gleiche, sich mit unehrlichen Aktionen einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Vom Grundgedanken nichts anderes als Doping bei Profisportlern.
Von der Seite her sind Sportler doch nichts anderes als ein Querschnitt durch die Bevölkerung wie in anderen Bereichen auch.