Es ist schon erstaunlich. Jegliche sportliche Betätigung des Nachwuchses wird von Freunden, Nachbarn und sonstigen Mitmenschen kommentiert mit "Kein Wunder bei den Eltern". Das sehen die Eltern allerdings genau umgekehrt und denken nur "Ein Wunder bei den Eltern!". Diese Haltung bezieht sich allerdings nicht nur auf die sportlichen Dinge des Lebens:
Der Kindsvater selbst hat ja so mit um die Dreißig überhaupt erst mit Sport begonnen. Mal ein bisschen Squash, dann ein bisschen Tennis, und schließlich Kraftsport und Yoga. Ich habe sportlich immer irgendwas gemacht, aber nie irgendeinen Leistungssport. Wenn das Kind dann zum ersten Mal einen Tennisschläger in der Hand hält und wie selbstverständlich den Ball trifft, seufzt mein Mann nur neidisch auf und überlegt, wie lange es bei ihm eigentlich noch mal gedauert hat bis er den ersten Ball getroffen hat. Die Minigolf-Saison hat im Übrigen auch wieder begonnen und wir haben selbstverständlich bereits ganze Nachmittage auf der hiesigen Anlage verbracht. Nun, meint der Junior, würde er aber auch gern mal richtiges Golf ausprobieren. Wir haben das abgelehnt. Triathlon ist schon teuer genug.
Wie seine Eltern so ist auch der Lütte ein Einzelkind. Sein Vater und ich waren es gewohnt, viel allein zu spielen. Der Dicke ist da ganz anders drauf. Nehmen wir zum Beispiel mal den letzten Sonntag, an dem der Papa mit ihm hingebungsvoll zwei Stunden lang zahlreiche Ballsportarten auf dem nahegelegenen Spielplatz ausprobiert hat. Ja, da wären wir damals froh und dankbar gewesen, wenn sich einer mit uns so ausgiebig beschäftigt hätte. Und müde wären wir auch gewesen und bestimmt auch ganz schön hungrig und durstig und hätten erst mal unsere Ruhe haben wollen. Gespielt hätten wir dann in einer Ecke des Wohnzimmers, schließlich waren es die 70-er Jahre und wir hatten noch kein eigenes Kinderzimmer. Wenn Mann und Kind also nach stundenlanger Outdoor-Aktivität durch die Wohnungstür treten, sagt der Junior als erstes: "Mir ist langweilig!". Mein Mann ringt um Fassung und ich antworte betont lässig: "Gut, dann können wir ja alle deine Spielsachen verschenken, wenn du die nicht mehr brauchst!" Irgendwie haben wir bisher immer noch die Kurve gekriegt, bevor ein Familienmitglied komplett ausfallend geworden ist.
Überhaupt ist es ja nicht immer einfach, einen an allen Sportarten interessierten 5-Jährigen mit Indoor-Aktivitäten zufrieden zu stellen. Kuchen backen geht ganz gut. Gerade neulich hat er begeistert gefragt: "Mama, darf ich die Zitronen schlachten?" Aber das geht ja auch nicht jeden Tag. Mit Lego-Bausätzen haben wir uns schon kleine Auszeiten erkauft, und ich habe auch beim Schach gut aufgepasst, damit der kleine Kerl mir nicht im halben Jahr das Fell über die Ohren zieht. Da wir nicht sicher sind, ob wir das Kind in diesem Jahr einschulen lassen sollen, hatten wir einen Termin bei der Schulärztin gemacht. Und weil die Dame 600 Kinder pro Jahr sieht, hatte sie gemeint, Schach könnte was für den Dicken sein. Wir also am Freitag drauf um 18 Uhr los und nun ist der Dicke seit einigen Wochen im Schachclub. Für mich ist das ungefähr so als würde ein Apfel vom Birnenbaum fallen, schließlich habe ich mein BWL-Studium um ein Haar versemmelt, weil meine Leistungen im mathematisch-logischen Bereich eher Richtung Null tendieren. Mein Mann ist Philosoph, also auch eher Birnenbaum.
Am erstaunlichsten ist aber nach wie vor das nicht vorhandene Ruhe- bzw. Schlafbedürfnis der Brut. Nehmen wir beispielsweise mal den Dienstag. Zwischen Kindergarten und Fußballtraining liegen zwei Stunden, die der Junior auf keinen Fall ungenutzt verstreichen lassen will. Auf meine Bemerkung, wir würden nach dem Kindergarten nach Hause fahren, eine kleine Kaffeepause machen und er könne sich dann noch ein bisschen ausruhen, reagiert er mit völligem Unverständnis. "Ich brauche keine Pause, Mama," sagt er, "und in der Zeit kann doch noch ein Freund oder eine Freundin zu mir zum Spielen kommen." Nach dem Training geht´s ähnlich weiter. Während die meisten Eltern den Parkplatz der Sportanlage mit quietschenden Reifen verlassen, damit die erledigten Kinder so schnell wie möglich ins Bett kommen, holen wir noch mal tief Luft, denn vor 21 Uhr wird aus Prinzip nicht geschlafen. Da können die eigenen Eltern noch so müde sein.
Und am Ende eines langen Tages stellen wir uns oft die Frage: "Von wem hat das Kind das bloß?" und kommen zu dem Schluss: "Erziehung nützt nichts. Die machen eh was sie wollen."
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Arbeitet, als würdet ihr kein Geld brauchen.
Liebt, als hätte euch noch nie jemand verletzt.
Tanzt, als würde keiner hinschauen.
Singt, als würde keiner zuhören .
Wenn Mann und Kind also nach stundenlanger Outdoor-Aktivität durch die Wohnungstür treten, sagt der Junior als erstes: "Mir ist langweilig!".
Das kommt mir sooo bekannt vor.
Letztens war unserer nachts unruhig. Als wir nach ihm schauten, setzte er sich halb auf. Im Schein der Lampe aus dem Flur saß er also da in seinem Pyjama, die Haare völlig verstrubbelt. Er hat nicht mal die Augen geöffnet, aber den Mund: "Mir ist sooo langweilig!" murmelte er.