Seit Monaten geht der Junior seinen Eltern auf die Nerven mit "Ich will einen großen Bruuuudäääär!" Dass die Mama zu alt ist, wird nicht akzeptiert, aber so langsam, langsam ist im kleinen Gehirn wohl doch angekommen, dass ein großer Bruder einfach nicht machbar ist. Seitdem geht es "Ich will einen kleinen Bruuuudäääär!". Die Eltern argumentieren sich einen Hecht, dass die Mama immer noch zu alt ist, und dass er, der dann große Bruder, wohl kaum mit einem schlappe sechs Jahre jüngeren Bruder spielen würde. Mit dem könne man z. B. auch gar nicht um die Wette rennen, Fußball oder gar Triathlon spielen. Nichts zu machen, der Zwerg lässt einfach nicht locker. Heute morgen dann ist mir endlich das alles entscheidende Argument eingefallen. "Was," frage ich ihn, "ist denn, wenn es kleine Schwester werden würde?" Erschreckt reißt der Filius die Augen auf und meint: "DAS, Mama, DAS wäre doof."
Die Kleinfamilie bosselt so vor sich hin. Der Zwerg überlegt sich, welche Schwimmabzeichen er machen möchte. "Also," sagt er ganz ernst, "auf jeden Fall "Trixi". Weil, Mama, der Name ist so lustig. Und auf jeden Fall "Gold"." Mittlerweile haben wir den Eindruck, dass es dem Junior vielleicht manchmal nicht schnell genug geht, denn wie sonst ist es zu erklären, dass ein 5-Jähriger nach knapper Ankündigung "Ich spring´ jetzt mal vor dir, Papa." mit Anlauf und Karacho vom Ein-Meter-Brett springt und sich offensichtlich ganz spontan zum ersten Köpper seines Lebens entschließt: selbstverständlich volle Möhre auf´n Bauch. Da ihn die Bauchlandung aber nicht weiter stört, entschließen die Eltern sich, ihn einfach gewähren zu lassen und ihm beizeiten mal den einen oder anderen Übungsversuch am Beckenrand unterzujubeln. Mit ansehen kann man so was nämlich eigentlich nicht.
Für´s neue Jahr haben wir noch den ersten Kinder-Triathlon in Aussicht gestellt. Der wird einen Ort weiter stattfinden und der Kurze zeigt sich äußerst interessiert. Wir gucken also mal im Netz, wie das so vor sich geht. Bei den Kleinsten haben im letzten Jahr nur zwei Jungs mitgemacht und für die kurze Strecke waren die beiden viel zu lang unterwegs, scheint´s. Die Erklärung ist schnell gefunden: Die Kinder mussten sich nach dem Schwimmen umziehen. Als ich das unserem Sohn sage, bricht der in Tränen aus: "Aber Mama, das kann ich nicht so guuuhuuut!" "Ach," beruhige ich ihn, "hier steht auch, dass da Leute sind, die den Kindern helfen." "Das kostet doch so viel Zeit," meint er immer noch unter Tränen und ich wechsel lieber das Thema und wir gucken uns Bilder vom Kinder-Triathlon an und freuen uns.
Und dann haben wir ja am letzten Wochenende noch einen neuen Familienrekord aufgestellt. Am Freitag Abend hatte ich lapidar gemeint. "Och, vielleicht mache ich morgen den Crosslauf in Offenbach mit." "Ich will auch, ich will auch, Mama", hatte Sohnemann ganz aufgeregt gerufen. Nach eingehender Diskussion entschließen wir uns alle drei, gemeinsam am 800-Meter-Rennen teilzunehmen. Der Kurze und ich zusammen, mein Mann was geht.
Der Samstag Morgen artet dann komplett aus. Die von mir improvisierte Kinder-Winter-Laufbekleidung aus Discounter-Thermounterwäsche als langer Laufhose, langärmeligem Baumwolle-T-Shirt mit darüber getragenem Singlet geht grundsätzlich in Ordnung, wird allerdings aus Gründen der Farbästhetik freundlich aber bestimmt abgelehnt. "Nein, Mama, schwarz und weiß will ich nicht. Ich will blau und weiß." Irgendwann sitzen wir dann doch im Auto. Das Navi zeigt klar und deutlich, dass wir das Ziel drei Minuten vor dem Start erreichen werden. "Das schaffen wir" sage ich und wir beschließen so lange wie möglich auf der Autobahn zu fahren. "Kannst du was rausfahren?", bitte ich meinen Mann. Der sagt gar nichts und gibt Gas. Während wir über die Autobahn fliegen, hören wir auf der Rückbank jemanden gähnen. Ja, siebeneinhalb Stunden Schlaf sind dann vielleicht doch ein bisschen wenig gewesen für einen von uns. "Na," frage ich und drehe mich nach hinten, "bist du müde?" Der Zwerg reibt sich die Augen und meint zögerlich. "Ich glaube, vielleicht laufe ich doch nicht ...." Im Kopf zähle ich 3 - 2 - ... und dann bricht es auch schon aus meinem Mann hervor: "Ich mache das nicht mehr, ich riskiere hier Kopf und Kragen!". "Nur ruhig," beschwichtige ich ihn, "das klappt schon." Und ich fange schon mal an, dem Junior eine lange Hose auszuziehen und ihn aus seiner Daunenjacke zu schälen. Ich gebe letzte Instruktionen: eure Laufschuhe sind im Kofferraum, meine bringt ihr mit an den Start, ich hole die Startnummern.
Zehn Minuten vor Start rollen wir auf einen Parkplatz. Leider nicht auf den vom letzten Jahr, sondern auf einen, der für eine Turbo-Nachmeldung denkbar ungünstig liegt. Ich jage los und denke nur kurz, wie bescheuert ich aussehen muss in meinen schwarzen Laufklamotten und meinen creme-weißen Stiefeln. Man, ist das weit zum Vereinsheim. Mit fliegenden Fahnen melde ich nach, der Mann an der Startnummernausgabe gibt alles. Ich stürze raus und als ich eine Treppe im Park wieder hoch muss, kommen mir meine Jungs schon entgegen. "Bleibt oben", belle ich, und oben drücke ich meinem Mann seine Startnummer in die Hand. Die vom Kurzen frickel ich an sein Startnummernband und sage eindringlich: "Wenn ich es nicht rechtzeitig schaffe, läufst du einfach los. Ich komme dann nach!" (Anmerkung der Schreiberin: ja, das habe ich wirklich gesagt, das muss man sich mal reinpfeifen, wir reden hier von einem 800-Meter-Rennen!). Der Kleine nickt und läuft Richtung Start. Mein Mann ruft noch irgendwas, dass meine Laufschuhe neben irgendeiner Bank stehen würden. Am Start hole ich die beiden ein, Stiefel aus, Schuhe an. Der Moderator sagt gerade über die Lautsprecher: "Noch 30 Sekunden bis zum Start." Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass selbst mir eine Anreise deutlich zu spät ist.
Das Laufen an sich macht Spaß. Das Kind hüpft über Strohballen und liegende Baumstämme, Hügel runter, Hügel rauf und muss zwischendurch ganz kurz mal gehen, weil es sich zu lange an einem C-Jugend-Schüler festgebissen hat. Auf dem einfachsten Teilstück der Strecke stolpert er über seine eigenen Füße, rappelt sich flugs wieder hoch und läuft weiter. Nach 5:01 Minuten sind wir im Ziel, freuen uns diebisch und lechzen nach etwas zu trinken. Die Urkunde nimmt der kleine Läufer später freudig entgegen und bittet seinen Papa, ihm alles von ganz oben nach ganz unten vorzulesen.
Und ich hatte mal wieder einen kompletten Filmriss: Es gibt Fotos, und auf denen sehe ich, dass ich beim Lauf keine Jacke und keine Handschuhe an hatte - ich kann mich nur nicht dran erinnern, dass ich sie augezogen habe. Ich weiß nur noch, dass ich die Stiefel aus- und die Laufschuhe angezogen habe.
Also, ein guter Vorsatz für dieses Jahr lautet: früher anreisen!
Pantone, das ist mir sooo sympathisch - ich hab mal 1 Min vor dem Start Neo, Kappe und Brille angezogen und war 10 Sekunden vor dem Start im Wasser nachdem ich die Zuschauer beiseite geschubst hatte.
Zugegeben: Ich hatte 51,5 km Zeit, um mich von dem Gehetze zu erholen und mußte dann nicht 800 m hinter nem Rennzwerg herhechten
Und natürlich kann ich das alles nicht so schön erzählen
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Erfahrung ist fast immer eine Parodie auf die Idee. (J.W.v.Goethe)
Das gilt übrigens auch für Weitsprungversuche (= Idee) und Achillessehnenrisse (= Erfahrung) ...