Im letzten Jahr waren wir einen Tag vor dem Frankfurt Marathon an der Strecke des Frankfurter Struwwelpeterlaufes. Die jüngsten deutschen Hoffnungsträger sind 5 Jahre alt und laufen 420 Meter. Das Ziel ist in der Frankfurter Festhalle. Mit jeder Altersklasse lief ein Sport-Promi mit. Steffen Justus z. B. war auch dabei. Ganz schön großes Kino für so Kleine.
Der kleine Dicke hatte sich damals entschieden, in diesem Jahr mitzulaufen. Seit einem Jahr erinnert er sich daran, was er im letzten Jahr beobachtet hat: anfangs geht es ein Stückchen hoch, ein Erwachsener läuft mit und manchmal überholen die Kinder den Erwachsenen sogar, was natürlich ganz unglaublich toll ist. Auch heute noch führt allein die Erinnerung daran zu fröhlichem Lachen bei unserem Kind.
Seit vorgestern ist klar, welchen Renn-Dress der Läufer tragen will: schwarze Radhose, rotes Trikot, schwarz-grüne Nike free lite. Die Klamotten sind noch etwas zu groß, dafür sind die Schuhe eher ein bisschen zu klein, aber einmal wird´s wohl noch gehen. Im Treppenhaus trafen wir gestern Nachbarn. Tobias läuft Staffel. Nein, von uns läuft keiner mit. Nur der Lütte. "Nee," sage ich, "nicht den Mini-Marathon, nur den Struwwelpeterlauf mit den Kleinen." Dass meine Bemerkung offenbar gedankenlos und demotivierend war, bekomme ich heute morgen deutlich zu spüren. Der Filius erwacht und ist sofort schlecht gelaunt: "Ich will nicht mit den Kleinen laufen!". Es dauert einen Moment bis ich begreife, dass es nicht um irgendwelche Aktivitäten im Kindergarten, sondern um den morgigen Lauf geht. Empathie hin oder her, in so Fällen bin ich mittlerweile abgebrüht: "Ok," biete ich an, "dann melde ich dich morgen um und du startest bei den Großen." An dieser Stelle ist es erfahrungsgemäß wichtig, eine kurze Pause zu machen, bevor es weiter geht. "Dann," ergänze ich sachlich und emotionslos, "wirst du wahrscheinlich einer der Letzten sein, die ins Ziel kommen." Das sitzt. Der kleine Ehrgeizling lenkt sofort ein: "Ok, Mama," meint er, "ich starte bei den Kleinen." "Gut", antworte ich nur und frage mich im Stillen, wie man im zarten Alter von fünf Jahren nur so drauf sein kann.
Später am Frühstückstisch mümmelt der Junior auf seinem Honigbrot und meint versonnen und voller Vorfreude: "Vielleicht bekomme ich morgen einen Pokal." "Nein," sage ich, "morgen gibt es für alle Kinder ein T-Shirt und eine Urkunde. Und das finde ich schon ganz schön viel." "Allerdings," pflichtet mir mein Mann bei und wir rollen beide mit den Augen. Der Athlet bittet sich dann noch aus, dass wir uns die Strecke vor dem Start genau angucken. Denn, so meint er vorausschauend, es könne ja sein, dass er den Erwachsenen überholt und dann müsse er ja wissen, wo er lang laufen muss.
Bei so einer Erwartunghaltung fällt es mir gelegentlich schwer, sportlichen Veranstaltungen gelassen entgegen zu sehen.
PS: Der Vollständigkeit halber: Das Seepferdchen ist mittlerweile erteilt. Da es jetzt weitergehen sollte, war er mit seinem besten Freund zum Vorschwimmen im Verein. "Es geht nicht darum, schnell zu sein, sondern gut zu schwimmen, " hatte ich noch versucht, ihm einzuschärfen. Das war natürlich für die Katz. Er ist vor allem eins geschwommen: schnell.
Das "Schoen" lernt er dann schon noch
Aber wir mussten frueher im Schwimmen jedes Training irgendeinen kleinen Wk einbauen, egal was, am besten so dass jeder mal gewinnt und dann waren die Kiddies immer motiviert.
Viel Spass beim Lauf morgen!
__________________
Ein Stück Kuchen nicht zu essen, ist auch nicht die Lösung!
Samstag Morgen. Die Familie macht sich auf den Weg zum Frankfurter Struwwelpeterlauf. Wir parken das Auto ein Stück entfernt, der Zwerg fährt mit dem Rad, die Eltern gehen zu Fuß. Alle sind guter Dinge.
Als wir endlich an Ort und Stelle sind, sind wir auch gleichzeitig mitten drin im Gewühl. Ohje, denke ich, das kann der kleine Dicke ja leider gar nicht haben. Beim Einchecken erfahren wir, dass es keine Startnummern und somit auch keine Zeiterfassung gibt. Super, denke ich, und sage unserem Sohn auch gleich, dass das ja ganz toll ist und dass es ja auch nur darum geht, dass alle Kinder Spaß haben und das Laufen mal ausprobieren und und und. Und auch, wenn wir nicht drüber reden, wissen der Kurze und ich natürlich genau, dass er das alles ganz anders sieht.
Als wir fast eine Viertelstunde vorm Start langsam zur Startlinie schlendern, stehen die Kleinen bereits dichtgedrängt in vier Reihen hintereinander. Dem Kurzen wird schon ganz klamm ums Herz, denn er hält Mamas Hand ganz fest und drückt sich immer enger an ihr Bein. Wir stellen uns in die letzte Reihe und ich hocke mich neben das Kind. Papa ist schon Richtung Festhalle, in der der Zieleinlauf sein wird. Neben uns steht ein Mädchen an der Hand einer Helferin und weint bitterlich. Als der nächste Junge auf Papas Arm anfängt zu schluchzen, ist es auch um die Fassung unseres Kindes geschehen. Es drückt seinen Kopf an meine Schulter und erste dicke Kullertränchen laufen über die kleinen Wangen. Ich biete sofort an, dass wir gehen: "Wenn du nicht möchtest," versuche ich ihn zu beruhigen, "brauchst du nicht. Wir können einfach gehen und zugucken. Das macht gar nichts, alles ok!" "Nein, Mama," meint er unter Tränen, "ich will ja laufen, ich will ja!" So verbringen wir die nächsten elendlangen zehn Minuten: ich in der Hocke, er stehend und um Haltung bemüht. Die nette Helferin mit dem weinenden Kind an der Hand verwickelt uns in ein Gespräch. Gemeinsam überlegen wir, ob der Zwerg vielleicht noch ein bisschen weiter nach vorn gehen soll. Denn, und da bin ich mir ganz sicher, nach dem Rennen, wenn die Tränen versiegt sind, wird im Zweifelsfall geschimpft, dass er an irgendwelchen Kindern nicht vorbeigekommen ist, weil´s so voll war. Der Junior zappelt so viel auf der Stelle, dass ich frage, ob er mal Pipi muss. Nein, muss er nicht. Er ist einfach nur fürchterlich aufgeregt. Bei jedem Tränchen biete ich erneut an, dass wir einfach gehen können. Aber nichts zu machen, er will bleiben.
Als es noch zehn Sekunden bis zum Startschuss sind, lässt der Filius meine Hand los und schiebt sich außen etwas nach vorn. Als bei fünf Sekunden angefangen wird, runterzuzählen, guckt er nur noch nach vorn und ich versuche den Startbereich zu verlassen und vor zu laufen. Als der Startschuss fällt, kann ich ihn noch gut erkennen: in einer ganzen Meute Kinder, die fast alle bereits ihre blauen Finisher-Shirts tragen, hüpft ein Blondschopf im knallroten Radtrikot. Es ist so voll, dass ich einfach nicht nach vorn komme. Auf einmal steht da sogar noch eine Trommelband, die ich vorher nicht bemerkt hatte, und zwei Schlagbäume müssen auch noch umlaufen werden. Einmal sehe ich noch von Weitem etwas Blondes aufblitzen, das war´s.
Als ich im Zielbereich meine Männer finde, bin ich erst mal beruhigt: keine Schürfwunden, keine Tränen, Vater und Sohn die Coolness in Personen. "War ganz gut," meint mein Mann, "Dritter oder Vierter ist er. Ich hab´s nicht genau gesehen." "Nee," raune ich ihm leise zu , "es war ganz schrecklich. Der macht sich immer so einen Stress, ich versteh´ das gar nicht. So ein Druck ganz ohne Grund. Ich weiß dann immer gar nicht, was ich machen soll. Und vor allem tut er mir dann so fürchterlich leid!" Mein Mann ist erstaunt. "Also, im Ziel," sagt der Kindsvater, "hat der Dicke nur gesagt, er wäre mit ganz vorn gewesen. Und dann hat er gemeint, er hätte Durst, und wir haben was zu trinken geholt."
Ja, liebe Leserinnen und Leser, und dann habe ich mich auf irgendeine Treppe gesetzt und auch mal ein paar Tränen vergossen. Mein Mann hat mir über die Wange gestreichelt und lachend gemeint: "Also, den Ehrgeiz, den hat er nicht von mir." "Ich weiß", habe ich mit Kloß im Hals und kleinlaut gesagt, "ich bin genauso. Wäre nur schön gewesen, er wäre da anders und etwas entspannter."
Und der Einzige, den die Aufregung in diesem Moment völlig kalt lässt, ist der kleine Dicke. Der guckt nur groß und nimmt ein paar kräftige Schlucke Isoplörre aus der Flasche.
Ja, liebe Leserinnen und Leser, und dann habe ich mich auf irgendeine Treppe gesetzt und auch mal ein paar Tränen vergossen. Mein Mann hat mir über die Wange gestreichelt und lachend gemeint: "Also, den Ehrgeiz, der hat er nicht von mir." "Ich weiß", habe ich mit Kloß im Hals und kleinlaut gesagt, "ich bin genauso. Wäre nur schön gewesen, er wäre da anders und etwas entspannter."
Und da möchte man doch alle in die Arme nehen und Drücken...
__________________
.
.
Ich will nicht perfekt sein, sondern glücklich.