Zitat:
Zitat von Helmut S
Da irrst du meines Erachtens deutlich. Impression Management ist Teil der Politik und gehört zur professionellen Arbeit. Ebenso wie die Akzeptanz kultureller Eigenheiten in einem Gastland.
Wenn man aber im Jahre 2023 nach China - einem Land voller Symbolik - fährt, von denen was einfordert was von vorne herein als sehr problematisch beurteilt wird, die Antworten vorher klar sind, der Gastgeber extra in seine Heimatstadt(!) einlädt und mit Anzug und Krawatte empfängt, dann ist es professionell, ganz einfach(!) den Blazer/das Jacket überzuziehen. Da kann man nach meinem Verständnis nicht aufschlagen, als würde Frau Nachmittags zum Kaffee auf der Kommunionfeier des Neffen gehen.
Und weil es so einfach ist, ist das Weglassen eine Message. Da haben die Berater m.E. situativ nicht gut gearbeitet. Offensichtlich fiel das jedoch (ggf. bei der Nachbetrachtung und Analyse der Bilder) auf, denn am zweiten Tag war das Auftreten professionell und angemessen.
Anyways …
Wie beurteilst du denn die Ergebnisse der Gespräche und was denkst du, wie die Entwicklung weiter geht?

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Grundsätzlich wünsche ich mir von Frau Barbock etwas weniger Symbolpolitik und stattdessen mehr Arbeit en Detail, am besten auch unter Erzielung konkreter Ergebnisse.
Initial war ich entschieden gegen die Wahl Baerbocks als Spitzenkandidatin; ich hätte seinerzeit Habeck für die deutlich kompetentere Besetzung und konnte fast nicht damit aufhören, mich über die Parteiraison der Grünen aufzuregen, nach der sie einfach als Frau den Vorzug bekam.
Die Mittel, mit denen sie sich gegenüber Habeck in den Vordergrund spielte, fand ich zum Teil ganz schön schäbig (an einer Stelle bezog sie sich abwertend auf seine Herkunft vom Lande, während sie ja internationales Recht studiert haben will - ein Blick in ihr CV und auf ihre Abschlüsse war dann doch etwas enttäuschend).
Insofern hatte ich zunächst große Vorbehalte und Befürchtungen, dass sie sich auf dem internationalen Parkett gründlich blamieren würde und somit in gewisser Weise auch das Land, das sie vertritt. Diese Befürchtungen haben sich für mich nicht bestätigt und nach wenigen Monaten war ich sogar angenehm überrascht, wie souverän sie da in großer Runde auf wichtigem Parkett auftrat.
Irgendwann aber, ich weiss gar mehr genau, wann das war, fiel mir auf, dass unsere Außenpolitik zwar irgendwie gut klingt, aber ebenso irgendwie überall nur an der Oberfläche der Dinge bleibt. Ganz sicher war ich mir über diese Beobachtung, als sie mit dem Zug in den Osten der Ukraine fuhr und dort berührende Bilder produzierte.
Dennoch dauerte es auch danach noch eine Ewigkeit, bis die Entscheidung zur Lieferung schweren Geräts gefällt wurde (man verzeihe mir, wenn ich die Ereignisse nicht in korrekter chronologischer Reihenfolge wiedergebe; für meine Einschätzung ist das nicht relevant).
Ab da begann ich bewusst darauf zu achten, ob und wenn ja welche konkreten Ergebnisse (oder irgendwas, das in die Richtung eines solchen weisen würde) unter einem von Annalena Baerbock geführten Außenministerium zustande kamen bzw. kommen und beklagenswerter Weise fällt mir jetzt kein einziges ein. Viele (überraschend) gute Reden, aber ich sehe so wenig Fakten. Besonders enttäuschend fand ich ihre Rolle im Zusammenhang mit dem Iran. Ob das nun an der Person Annalena Baerbock liegt und ob jemand anders das besser könnte, I don‘t know.
Nun zurück zu China, zu Deiner Frage. Ich finde es gut und wichtig, dass Baerbock sich klar positioniert hat was den potentiell bevorstehenden Angriff auf Taiwan betrifft. Da fand sie - wie so oft - gute Worte. Parteiintern wird sie damit sicher punkten, in der Realpolitik hat das leider keine große Bedeutung.
Ich halte es für eher wahrscheinlich, dass es mittelfristig zu einem Angriff der VR China auf Taiwan kommen wird. Da hat Xi Jinping sich ja selbst unter einen gewissen Zeitdruck gesetzt, aus dem „irgendwann“ des Ansschlusses der Insel an das Festland ein „zu seiner Amtszeit“ zu machen. Die Fakten inform von entsprechenden Manövern und die gesamte Rhetorik passen hierzu.
Die Konsequenzen eines solchen Angriffes, wie anmaßend müsste ich sein, die ausmalen zu wollen! Ich bin aber überzeugt davon, dass es nichts sein wird, aus dem „wir“ uns, dem Macron‘schen Narrativ folgend, einfach raushalten können, und das nicht nur aus gesinnungsethischen Gründen, weil man nicht wegsehen möchte, wenn ein Land völkerrechtswidrig ein anderes überfällt.
Eine Eroberung des Inselstaates geht potentiell mit einer weitreichenden Zerstörung der dortigen Industrie und Infrastruktur einher. Wie ja jeder weiß, wird der Großteil hochwertiger Chips ebendort produziert. Ein Erliegen der Produktion dort wirkt sich auf zahlreiche Industrie- und Technologiezweige hier aus
Ein erheblicher Teil des Welthandels erfolgt durch die Straße von Taiwan, bei den Chips sind es anscheinend sogar 50%. Blockiert China diesen Seeweg, hat das relevante Folgen für die gesamte Weltwirtschaft.
Aber das wird jetzt zum Gemeinplatz, das weiss ja jeder und Du fragtest nach meiner Auffassung.
Ich bin ein großer Freund der Diplomatie, was aber voraussetzt, dass der Gesprächspartner auch eine zumindest gewissgradige Verhandlungsbereitschaft mitbringt. Und die sehe ich aktuell auf der Seite Chinas nur bedingt gegeben.
Daher halte ich es für unabdingbar, sensible und kritische Elemente der Infrastruktur in so schnell wie möglich und so besonnen wie möglich aus chinesischer Hand zu entfernen.
Was die USA betrifft, habe ich keine allzu romantischen Vorstellungen. Ich bin auch kein Träumer und weiß, dass die USA natürlich auch primär ihre eigenen Interessen vertreten, unter einer Regierung Biden vielleicht ein bisschen weniger prollig, als unter der vorigen und wenns dumm läuft kommenden Regierung. Ich habe auch nicht das Treiben der USA in ihrem Hinterland vergessen, ihre schmutzigen Kriege in El Salvador und in Nicaragua; ich habe nicht die Operation Desert Storm vergessen und viele andere vollkommen völkerrechtswidrige Aktionen der USA.
Dennoch, wenn ich mich entscheiden muss, mit wem ich mich eher identifizieren kann, dann ist das derzeit eher die transatlantische Verbindung, als die zu China. Mir ist es extrem wichtig, meine Meinung sagen und schreiben zu können, ohne dafür eingesperrt zu werden.
Dass Europa auch nur annähernd als starke Entität auftritt, ist derzeit leider Utopie. Und so lange das so ist, fürchte ich, haben wir eben nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis.