Lüning kommt hier ja aus der entgegengesetzter Richtung, er erläutert dass ein Sportler, der nur mit der Hand zieht, den Unterarm dazunehmen sollte um die Fläche zu vergrössern. Das ist natürlich absolut richtig und wesentlich, weil der Unterarm eine grössere Fläche darstellt als die Hand und beides zusammen am allerbesten wirkt. Dazu empfiehlt er seine speziellen Handgelenksschienen. Ich gehe da mit, falls wirklich aktuell nur mit der Hand gezogen wird. Er spricht von Vektor: der Handvektor zeigt beim Handzieher nach hinten, der Unterarm irgendwie nach unten, trägt also so gut wie nicht zum Vortrieb bei. Mit der Schiene kann man das ggf. Fixen.
Aber: Wenn man das jetzt geschafft hat und Hand und Unterarm bilden eine Einheit ("Paddel") wo nix wackelt, dann beginnt das Unterarmanstellen damit, dass das Paddel von 180 auf 170 auf 160 usw. Bis auf 90 Grad gestellt wird, was etwas Zeit dauert. Am Anfang geht der Druck des Unterarm-Hand-Paddels komplett nach unten (!) Was genau Null zum Vortrieb beiträgt, im Gegenteil, es verschlechtert die Wasserlage weil du vorne mit dem Oberkörper hochkommt durch das Nachuntendrücken, erst allmählich kommt ein kleiner Vektoranteil nach hinten dazu, so richtig Druck nach hinten kommt erst, wenn der Winkel in der zweiten Hälfte der 90Grad-Bewegung ist. Dann natürlich deutlich mehr als wenn nur die Hand nach hinten zeigt beim Nurhandzieher.
Anders wenn du zuerst die Hand abklappst: das geht aufgrund der geringeren Hebellänge der Hand deutlich schneller als der ganze Unterarm. Während der Anstellbewegung des Unterarms zeigt die Hand jetzt bereits die ganze Zeit nach hinten und erzeugt ab 180 Grad des Unterarms Vortrieb! Das wäre die nächste Stufe, dazu sagt Lüning nichts.
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Das mag alles sehr gut so sein. Ich kann das nicht theoretisch bewerten. Nur praktisch: Wir sind in meiner Jugendlichenzeit beim Wettkampfschwimmen ohne "Hand im Gelenk Abklappen" geschwommen. :-) . Ich finde, man hält sie automatisch in der Unterarm-Verlängerung.
Auch wenn ich mir Wettkampf-Videos von Wellbrock oder Thorpe (längere Kraulstrecke) anschaue, sind die Gelenke gerade oder minimal nach unten gerichtet.
- Vortriebsmässig ist es besser, weil die Hand Fläche früher nach hinten zeigt und Wasser nach hinten drückt. [...]
- Widerstandstechnisch sehe ich keinen Nachteil weil die Bewegung ja dynamisch ausgeführt wird, die Hand (und später der Unterarm) bewegt sich ja aktiv nach hinten und das schneller als der ganze Körper sich nach vorne bewegt, es entsteht also kein Widerstand.
Ich kann es nicht wissenschaftlich hieb- und stichfest belegen, aber ich bezweifle es aus folgenden Gründen:
Der Wasserwiderstand steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit. In dieser Phase, während die hintere Hand kurz vor dem Austritt maximal schnell aufs Wasser drückt, ist der Körper, und damit auch der gestreckte vordere Arm am schnellsten. Wenn ich jetzt nur die Hand abklappe, ist das, was den Wasserwiderstand angeht, ungleich schädlicher als wenn die Hand später mit dem Unterarm in Position gebracht wird. Dann ist der Körper schon langsamer geworden und der Wasserwiderstand deutlich geringer. Man darf auch das Ziel nicht aus den Augen verlieren: Der ganze Arm, inklusive der Hand, muss in die Vertikale.
Um Vortrieb zu erzeugen, muss eine beschleunigte Bewegung entgegen der Schwimmrichtung stattfinden. Wenn Du Dir mal Schwimmaufnahmen von der Seite anschaust, dann siehst Du, dass der Arm sich mit dem Schwimmer in Schwimmrichtung bewegt.
Bildinhalt: Weg des Armes ohne Vortrieb
Da die Hand sich nicht vom Arm lösen lässt, kann sie keinen Vortrieb erzeugen, denn sie bewegt sich mit dem Arm nach vorne. Erst wenn eine Bewegung entgegen der Schwimmrichtung stattfindet, also nach hinten, kann Vortrieb erzeugt werden. Und das ist grob gesagt frühestens der Fall, wenn das Anstellen beendet ist.
Theoretisch wäre es denkbar, dass man die Hand mit so großer Geschwindigkeit abklappt, dass tatsächlich in der Summe eine Bewegung entgegen der Schwimmrichtung entsteht. Aber das würde ich dann doch gerne mal auf Video sehen und zwar nicht in einem Science-Fiction-Film.
Wie man es dreht und wendet, das komplette Anstellen ist eine unerquickliche Geschichte, was den Wasserwiderstand angeht, aber irgendwie muss der Arm in die gewünschte Position. Wenn das aber so ist, dann macht man es lieber so, dass man nicht in der schnellsten Phase der Bewegung die unnützesten Flächen zuerst quer "in den Wind" stellt, sondern den Arm in die Vertikale bringt, wenn der Korpus müde vor sich hin dümpelt während der andere Arm in der Rückholphase ist.
Eine interessante Variante wäre allerdings das Drehen der Hand, so dass die Fläche der Hand erst zum Wasser steht, wenn der Unterarm in Position ist. Es wird ja nicht empfohlen, mit dem Daumen zuerst einzutauchen, wegen der Schulterproblematik, aber genau diese Handposition würde das erlauben.
(Ein wenig geschieht das sowieso, denn wenn man ordentlich anstellt, sieht man – bei vielen guten Schwimmern – die Handfläche bis kurz vor der Druckphase leicht von der Seite. Unter dem Aspekt der Widerstandsverringerung habe ich das allerdings bisher noch nicht betrachtet...)
Es wäre mal interessant zu erfahren, ob es zu dem Gesamtkomplex etwas Fundiertes gibt.
Aus meiner persönlichen Sicht ist jedoch das Widerstandsthema eher nebensächlich, viel wichtiger finde ich, dass bei ungeübten Schwimmern das Anstellen der Hand dazu führt, dass im Endeffekt der ganze Vortriebsapparat zusammenbricht, weil sie den Ellbogen nicht über die Hand bekommen.
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Edit sagt noch: Wenn du Delphin Beine machen möchtest, was ich super finde, dann übe mit Flossen, dann kriegst da auch mehr Kraft/Zug rein und die Bewegung kommt dann irgendwann auch aus‘m Körper. Ist zu empfehlen, macht echt Bock.
Überhaupt: Alle Schwimmlagen zu lernen und im Training zu verwenden, bringt mehr Abwechslung, Wassergefühl und wirkt sich positiv in der Spezialdisziplin aus. Kann man nur empfehlen.
Theoretisch wäre es denkbar, dass man die Hand mit so großer Geschwindigkeit abklappt, dass tatsächlich in der Summe eine Bewegung entgegen der Schwimmrichtung entsteht. Aber das würde ich dann doch gerne mal auf Video sehen und zwar nicht in einem Science-Fiction-Film.
Ohne echte Messergebnisse bleiben wir theorielastig unterwegs, ich kenne solche auch nicht. Aber das was du hier oben sagst hiesse ja, das jegliche Anstellbewegung, egal ob (1) Hand und Unterarm isoliert voneinander ODER (2) Hand-Unterarm kombiniert ODER gar (3) der Arm als ganzes eine Bremswirkung hat weil die Bewegung langsamer wäre als die aktuelle Vorwärtsbewegung des Gesamtkörpers und somit Wasser von vorne dagegendrückt.
Das glaube ich nicht und behaupte sogar am wenigsten Widerstand bzw am meisten Vortrieb hat Variante 1, weil du die Hand schneller klappen kannst als Hand/Unterarm oder gar den ganzen Arm. Ich sehe auch nicht dass überhaupt Widerstand entsteht, denn wenn du Widerstand von vorne hast, hast du nach hinten keinen Druck, also kleiner Null, ergo Null Vortrieb. Das ist offensichtlich nicht der Fall denn wir schwimmen ja vorwärts, und das nicht nur wegen dem Beinschlag. Und dass die Anstellbewegung bremst und erst hinten in der Druck Phase bei beschleunigter Armbeweging Vortrieb entsteht glaube ich auch nicht, weil ich den arm auch schon auf Brusthöhe aus dem Wasser nehmen kann und trotzdem vorwärts komme. Gleiches gilt fürs "Skullen" oder auch die Scheibenwischerübung
Widerstand von vorne hiesse kein Druck nach hinten. Also ich denke wenn da nennenswert Widerstand entsteht macht man irgendwas grob falsch.
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Grüße
Tri-K
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Aber das was du hier oben sagst hiesse ja, das jegliche Anstellbewegung, egal ob (1) Hand und Unterarm isoliert voneinander ODER (2) Hand-Unterarm kombiniert ODER gar (3) der Arm als ganzes eine Bremswirkung hat weil die Bewegung langsamer wäre als die aktuelle Vorwärtsbewegung des Gesamtkörpers und somit Wasser von vorne dagegendrückt.
So ist es aber leider. Ich habe die Physik, unter der wir alle leiden müssen, nicht erfunden.
Zitat:
Zitat von tridinski
Ich sehe auch nicht dass überhaupt Widerstand entsteht, denn wenn du Widerstand von vorne hast, hast du nach hinten keinen Druck, also kleiner Null, ergo Null Vortrieb. Das ist offensichtlich nicht der Fall denn wir schwimmen ja vorwärts, und das nicht nur wegen dem Beinschlag.
Wie gesagt: Schwimmen ist eine Mischkalkulation. Die Arme sind keine Propeller, die Biomechanik erlaubt es uns nicht permanent Vortrieb zu erzeugen. Du musst fast gleichzeitig Widerstand minimieren, nämlich in Schwimmrichtung, während Du Widerstand maximieren musst, nämlich entgegen der Schwimmrichtung. Der Vortrieb kommt daher, dass man durch die Beschleunigung der Armes nach hinten mehr Widerstand erzeugt als vorne zu überwinden ist. Wenn man die Arme schnell genug bewegt, bzw. stark beschleunigt, wird der Wasserwiderstand (wir erinnern uns: proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit) so groß, dass selbst diese dürren Ärmchen einen fetten Körper – wie den von Kristian Blummenfelt – nach vorne schieben können.
Deswegen ist Kraft beim Schwimmen auch sehr relevant: Je schneller desto wichtiger. Und es gibt eben Phasen in der Schwimmbewegung, wo überhaupt kein Vortrieb erzeugt wird, weil keine Bewegung effektiv entgegen der Schwimmrichtung ausgeführt wird: Das ganze System wird radikal abgebremst. Deswegen ist die Geschwindigkeit des Körpers auch nicht konstant, sondern nimmt zu, wenn der Arm nach hinten beschleunigt wird und nimmt ab, wenn die Rückhol- und Anstellphase stattfindet.
Zitat:
Zitat von tridinski
Widerstand von vorne heisst kein Druck nach hinten.
Also ich denke wenn da nennenswert Widerstand entsteht macht man irgendwas grob falsch.
Der Widerstand von vorne existiert immer. Je mehr Druck Du hinten ausübst, desto größer wird er auch vorne. Es ist unmöglich ohne Widerstand zu schwimmen, wir kommen vorwärts, weil wir Krafteinsatz, also beschleunigte Armbewegung entgegen der Schwimmrichtung, und minimierten Frontalwiderstand geschickt kombinieren. Wir versuchen nach vorne immer ganz schmal zu sein und nach hinten richtig auf die Tube zu drücken, in der Summe geht es dann meist vorwärts.
Klar Widerstand von vorne, am Kopf, an der Schulter, an runterhängenden Beinen, auch am waagerecht nach vorne gestreckten Arm.
meine These: der Armzug erzeugt selbst in der Anstellphase keinen/ kaum Widerstand.
(Da müsste man so Widerstanssensoren aufkleben vorne und hinten und dann messen ...)
Und ja, es gibt Geschwindigkeisänderungen des Gesamtkörpers in der Vorwärtsbewrgung, aber längst nicht so stark wie du das andeutest ("radikal abgebremst"). Weniger "Gleiten" heisst die Lösung da, Frequenz erhöhen, konstanter Vortrieb. Im Triathlontypischen Freiwasser noch viel wichtiger als im Becken
Curing the overglider.
Reach Not Glide.
Wenn man eine niedrige Frequenz hat kein Abschlagschwimmen machen als Übung, damit verschärft man das nur
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Geändert von tridinski (04.06.2022 um 22:24 Uhr).
Grund: Freiwasser, Abschlag
meine These: der Armzug erzeugt selbst in der Anstellphase keinen/ kaum Widerstand.
Sorry, das ist esoterisch. Das Wasser interessiert sich nicht dafür, welchen Stil Du schwimmst, ob Du Overglider oder sonstwas bist. Was sich bewegt, wird gebremst. Je schneller es sich bewegt und je mehr Fläche es bietet, desto mehr wird es gebremst. Da gibt es keine Diskussion, es sei denn, Du willst die Physik neu erfinden.
Mich hat eure Diskussion spontan ans Rudern erinnert.
Hier unterscheide ich die Phase des Gleitens, die mit dem eintauchen der ruderblaetter in eine bremsphase übergeht, bevor mit dem Ruderzug das Boot in die Beschleunigungsphase kommt.
dann wieder gleitphase, danach bremsphase, beschleunigen und so immer wieder weiter.
Ein wenig sieht man das vielleicht auf dem Video, beim zweiten Boot noch eher als beim ersten: