...blankes Gletschereis:
Damit zeichnete sich der Zeitpunkt ab, an dem wir die Steigeisen anlegen durften.
Das ganze Schotterzeugs ist zwar Kleinkram, wird aber zunehmend (mit der Erderwärmung) zum Problem bei alpinen Aktivitäten.
Nachmittags, wenn der Steinschlag am liebsten zuschlägt, sollte man tunlichst aus der gefahrenzone schon raussein;- das ist neberm Wetter ne ziemlich wesentliche Komponente bei der Tourplanung.
Mai/Juni da im Karwendel konnten wir eindrucksvoll erleben, was ein nur kleiner Stein, nichtmal annähernd faustgross, so anrichten kann, wenn er in nen Helm einschlägt, bei der Gardasee-Aktion im Mai gingen wir am letzten Tag noch nen Steig, bei dem zwei Wochen zuvor ein Deutscher bei nem Steinschlag ums Leben kam. Und zwar, obwohl der Steig dafür berüchtigt ist und dementsprechend gepflegt, also ausgeputzt und gesichert, wird.
Aber gut, Steigeisen an, in die Seilschaft einbinden und weiter gings, nun bei Schneeregen, übern Gletscher.
Mittenmang konnte unser am Morgen ausm Tal mit hoch gekommener Kandidat nimmer.
Kagge. Du stehst da mit der kompletten Truppe im steilen Eis, eingekrallt mit den Steigeisen, kannst, weil angeseilt, nedd vor oder zurück und stehst dir da ne Viertelstunde (alle paar Meter...:-( ) die Füsse platt. Und kalt.
Ich hab so bitter gefroren, ich kanns kaum beschreiben.
Der Kaffee vom Morgen rächte sich bitterlich, ich musste schiffen wie ein Elch, aber keine Chance. Regenklamotten, darüber der Klettergurt, eingebunden in die Seilschaft und nicht den Hauch einer Möglichkeit, auch nur das kleinste, eingefrorendste Zipfelchen aus der Hose zu wursteln und auch nur ein halbes Tröpfchen da irgendwo hinzupieseln.
Ich bin nicht sicher, was an der Stelle schlimmer war: die Kälte oder die Blase von der ich dachte, dass sie jeden Moment platzen müsste.
Iiiiirgendwann, nach endlos anmutender Zeit, hatten wir die Randkluft, quasi der Übergang vom Gletschereis zum Fels, auf dems dann weiterging, erreicht.
Ich musste pissen, noch immer gut 300hm, mittlerweile schneite es.
Über die Randkluft hilft nur ein grosser Schritt, besser nicht nachdenken, wie weit die Spalte da zwischen Fels und Eis runtergeht. Man iss ja eh angeseilt...
Dahinter kommen rund 10m nahezu senkrechter Fels ohne Zwischensicherung, elend, wenn man am kurzen Seil eingebunden ist. Ich hatte ständig Panik, die Steigeisen meines Vordermanns jeden Moment in der Fresse zu haben.
Glücklicherweise war ich ganz hinten, so konnte ich mich ausbinden, um etwas Abstand halten zu können.
Der Bergführer war nur mässig begeistert, das war mir aber vollkommen wurscht, da ich mir sicher war, meine Kenntnisse und Fähigkeiten deutlich besser einschätzen zu können als er, der Typen wie dem Knaben vor mir, dem Kandidaten mitm vollgesogenen Teddyfutter, Zeug erzählt, wie dass er sich nur mit einem Schäkel sichern sollte, was der da oben, völlig am Ende, bibbernd und zitternd, tatsächlich machte.
Ich war mir knapp hundertpro sicher, dass wir an dem Tag noch Bekanntschaft mit der Bergwacht machen würden und wenn nicht, weil wir den Bruder in ner Rettungsdecke eingewickelt dort irgendwo entkräftet deponieren müssten, dann weil er beim Umklippen, wo er ja den Karabiner aus einem Seilsegment rausmacht und ins nächste rein und derweil, weil er tatsächlich nur einen benutzte, ungesichert abschmiert und unten im Nebel irgendwo aufklatscht, im Idealfall, ohne mich dabei mit abzuräumen.
Davon kriegte aber auch unser Bergführeranwärter kaum was mit, denn der war bereits nach oben enteilt, nur ich Dabbes hing hinter unserm Todeskandidaten und getraute mich irgendwie auch nicht, den zu überholen und ihn seinem Schicksal zu überlassen.
Wenn schon der Chef d'Equipe nix mitkriegt, schlepp ich halt die Verantwortung mit rauf.
Ich will das nicht künstlich dramatisieren;- mir persönlich ging es trotz Mistwetter und drückender Blase prächtig. Super. Also, geiler gings unter den gegebenen Umständen gar nicht.
Ich merkte von den zurückliegenden mittlerweile rund 1500hm gar nix, nullo. Im Gegenteil, ich fühlte mich besser als am Morgen, schlicht, weil ich mittlerweile wach war.
Wir waren ja von morgens um Sieben bis mittags um Drei (am Gipfelkreuz waren wir etwas früher, aber erst gg. Drei kamen wir oben wieder ins Warme) unter übelsten Bedingungen unterwegs und ich war total euphorisch, weil ich von den Strapazen nullkommanix merkte.
Leider eben nicht unser Freund vor mir. Ich sah ihn jeden Moment stürzen, unglaublich, wie er es mit ner Zitteramplitude von vielleicht gut 5cm schaffte, seinen Karabiner aus- und dann wieder einzuhängen, wie beschrieben, dazwischen ungesichert, und nur mit der andern Hand sich festhaltend, ohne abzustürzen.
Ich bat ihn, weils auf den letzten Metern nimmer auf die paar Minuten(?) ankam und so kurz vorm Schluss nu auch deppert gewesen wär, ihn abschreiben zu müssen, doch bitte beide Äste des Klettersteigsets zu benutzen und er tat es, wenngleich völlig konfus und deutlich sichtbar nimmer Herr seiner Sinne, aber ich getraute mich daraufhin dann eben, näher hinter ihm zu bleiben und ihm beim Umklippen eben zu helfen.
Und dann, plötzlich:
Das Ziel vor Augen!
Unglaublich, wir hatten es geschafft!
Nicht nur mir gab es daraufhin nochmal nen Push (völlig nutzlos mit nem Opfer vor der Nase), sondern auch meinem neuen Freund (haahaaaa...) und die letzten Meter durch Eis und Schnee waren fix geschafft.
Unglaublich! Unfassbar! Unheimlich geil!
Bei diesem Schicewetter!
Was für ne Aktion!
Direkt nach dem Gipfelfoto rannte ich los, rief irgendwem noch zu, ich wär auf der ersten Toilette am Weg zur Seilbahnstation, nestelte im Laufen das Gurtzeug auf und die Regenhose zu den Knien runter (wie ich halt noch laufen konnte...) und: Baustelle.
Kein gotterdammtes Schiceklo nirgendwo!
Ich hab gedacht, gleich zerreissts mich, bis ich nen Bauarbeiter zu fassen kriegte, den ich echt packte und anschrie "TOILETTE!!!!????".
Der wusste gar nicht,wie ihm geschah, geleitete mich aber total perplex zum nächsten (garnichtmal so weiten) Sanitärbereich.
Welch ein Segen!
Das war, ich muss es gestehn, das eigentliche Highlight des Tages.
Nicht das Gipfelkreuz, nicht das Bewusstsein, es an nem Tag, wo jeder vernünftige Mensch im Bett bleibt, auf die Zugspitze gemacht zu haben, nee, das befreiende Gefühl, nach acht Stunden die Hose runterzureissen und den Pillermann entspannt überm Pissoir _seinen_ Job erledigen zu lassen.
Aaaaaaah.........
Nun gut, die Truppe war danach natürlich verschollen.
Und natürlich war ich auch nicht auf der ersten Toilette aufm Weg zur Seilbahn.
Ich fand die Meute dann vorm (geschlossenen) Gipfelrestaurant und mit dem Vorsatz, erst mit der Seilbahn runterzufahren aufs Zugspitzblatt (wo man in die Zugspitzbahn umsteigen musste)(mittlerweile ist die durchgehende Seilbahn neueröffnet), wo sie das dortige Etablissement zwecks Kaffee und Schorle aufsuchen wollte.
Natürlich war ich es, der unserm Käptn den Kaffee spendierte;-fast sind wir noch Freunde geworden darüber und als ich berichtete, was ich da hinten im Zug mit unserm speziellen Kandidaten so erlebte.
Das Wetter wurde dann auch wieder ganz gut.
Für uns natürlich etwas zu spät, wenngleich genau im vorhergesagten Zeitfenster.
Die Zugfahrt da runter zum Eibsee und weiter dauert ja fast ewig, ich fror mittlerweile wieder wie ein Schneider. Nachdem nur alle halbe Stunde n Zug fährt und nur einer in ner Stunde nach GAP durch, hatten wir freilich den falschen erwischt und mussten im Tal ne halbe Stunde auf den andern warten, aber: himmlisch! In der Sonne!
Irgendwie hatte ich noch ne Tüte Raketenbrennstoff im Rucksack, im Handel als 'Haribo Phantasia' erhältlich (hatte ich erwähnt, dass man da oben unterwegs nichtmal eben jausnen kann, während die Truppe weiterhetzt?), die wurde nicht wirklich alt.
Tja und dann: alles schon vorbei.
Was machste an nem Samstag Abend in GAP?
Pizzaessen, eh klar.
Und diesmal schaffste auch die Ganze, mit Salat.
Hatte ich erwähnt, dass ich mich dieses Jahr bei meiner Sektion in Regensburg zum gleichen Datum für die gleiche Tour angemeldet hab?
Irgendwann musses ja klappen;- wie die Wettersteinrunde, die ich dann auch gleich nochmal 'erledigen' kann...