Hallo Zusammen,
anbei ein kleiner Reisebericht von meiner Flanderundfahrt.
Freitag:
300km Anfahrt, wir waren gegen 16.3o am Hotel, Holiday Inn in Gent. Als erstes fielen uns einige Team LKWs auf, die wir dann erstmal ausführlich begutachteten. Hotel selber waren die Briten in deutlicher Überzahl… aber nicht nur dort.
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Nach kurzem Einchecken sind wir dann die 20km nach Ourdenaarde gefahren um die Startunterlagen abzuholen und um was zu essen. Das Abholen der Unterlage war sehr entspannt und klappte prima. Die Expo dagegen fand ich persönlich etwas übersichtlich, da hatte ich mehr erwartet. So sind wir dann Ourdenaarde rein und haben ordentlich Nudeln gegessen. Im Ort herrschte reges Treiben und die Mehrzahl der Radsportler waren Briten und Italiener. Überhaupt hatte ich den Eindruck das die Ronde de Vlaanderen eine sehr international besetzte Veranstaltung ist, was dem Ganzen zusätzlich eine sehr entspannte und lustige Note gab. Noch zwei belgische Bierchen dann ging es zurück zum Hotel und ins Bettchen.
Samstag:
Um 5.3o klingelte der Wecker, aufstehen, duschen, frühstücken. Wetter App sagt 9 Grad am Morgen, dann steigende Temperaturen, bis 17 Grad und Sonnenschein… da geht doch einem das Herz auf wenn man(n) so hört was die letzten Jahre für Bedingungen herrschten, da durfte ich mich eigentlich nicht über die Morgenfrische beschweren. Nur mein Motor mag es halt lieber im 2stelligen Temperaturbereich. Aber das war Jammern auf extrem hohen Niveau.
Anfahrt und parken waren super geregelt, generell war die Organisation auf einem sehr hohen Niveau. Mein Rad war mein ehemaliges MTB mit einer Strassenbereifung 28mm.
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Dann ging es auch los. Ich wundere mich: 16.000 Teilnehmer hat das „Cyclo“ und dennoch war am Start und während der ganzen Strecke die riesige Teilnehmerzahl nicht präsent. Wie gesagt mir war etwas frisch und so radelten wir zügig los, musste meine Kumpels zwischendurch bremsen da die losbretterten als hätten wir nur 50km im Flachen vor uns (dafür bezahlten Sie dann auch ab dem Koppenberg
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Dann kamen Sie, DIE ersten Kopfsteinpflasterpassagen – in Belgien „Kasseien“ genannt und geben einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird. Meine Kumpels und ich hatten bis dahin so gut wie keine Erfahrung mit dem Pflastersteinen, und wenn waren dies nur kurze und gut gepflasterte Stücke.. aber nicht vergleichbar mit dem was das da auf uns zukam. Es war der HAMMER. Die Steine sind groß, nur grob behauen, nicht abgerundet wie in Deutschland. Keine der Kasseien passiere ich, ohne nicht ein paar Leute am Straßenrand mit kaputten Schläuchen und Mänteln an ihren Laufrädern hantieren zu sehen. Ich war so froh mit meiner Fahrradwahl. Auf dem ersten flachen Stücke flogen schon die ersten nicht richtig (fest) angebrachten Teile und ich dachte mir haut es die Plomben aus dem Kiefer, Steiß und andere untere Extremitäten hatten Rodeo… Pogo in Togo. Die armen Schweine mit reinen Rennrädern hatten richtig zu kämpfen um halbwegs die Spur zu halten, da war ich mit meiner Federgabel schon besser dran.
Bei Abfahrten beginnt aber der eigentliche Wahnsinn, hier sind neben Steuerkünsten, Schmerzresistenz vor allem Konzentration gefragt um die Spur zu halten und den Geschossen auszuweichen die einem entgegenfliegen wie Flaschen, Pumpen, Navis, Sattelstützen, Reifenteile, etc.. Einem meiner Kumpels hat es am Hinterrad den Schlauch und Mantel erledigt, hatten aber mächtig Glück weil nach ca. 400m die Servicestation kam.
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So ging es dann die ersten 65km relativ „gemütlich“ weiter. Die erste Runde endete in Ourdenaarde mit einer grossen Verpflegungsstation. Hier „lecker“ was gegessen und dann hinein in die eigentlichen Herausforderungen, Koppenberg, Oude Kwaremount, Paternberg.
Der Koppenberg kam ca. 4km nach der Verpflegung…. Im Schnitt 11,6 % steil, am steilsten Stück 23 % Kopfsteinpflaster. Zufahrt zum Berg geht leicht bergan und dann kommt die Wand, das Martyrium geht los: „Ja den Druck auf der Kette behalten!“, denke ich mir und trete rein, voll konzentriert auf die Passage, kein Blick für die vielen Zuschauer. Bis zum Mittelstück ist es für alle fast kein Problem, als es dann in die Wand reingeht ist Schluss mit lustig und viel schaffen es nicht, Sicherheitskräfte brüllen Stay Left, und ich brülle im gleichen Stakkato wie ich trete und am Lenker reiße. Es herrscht ein irres Gewusel .. was für ein Schauspiel, der Kampf der Gescheiterten (am Berg hatten sie noch zusätzliche Stand- und Gehprobleme mit Ihren Radschuhen) dazwischen die eisernen Kämpfer. So stampfe und jongliere ich den Koppenberg rauf und schaffe es ohne abzusteigen yeaaahhhh!!! Was für ein DING. Kurz danach verlor ich leider auch meine Kumpels, so dass ich dann alle weitergeradelt bin.
So „rollt“ es dann immer weiter. Die nächsten Helligen waren nicht ganz so brutal in der Steigung, sind aber teilweise länger und jede Hellige entsaftete Körper und Geist immer mehr. Ca. 20km vor dem Ziel kommen dann die letzten Highlights. Der Oude Kwaremount= 2,2km Kopfsteinpflaster mit 4-11%. Nach dieser Passage musste ich mal dringend pinkeln, das Gerüttel und die ewigen Stöße hinterließen einen brennenden Eindruck.
Der letzte Anstieg, Paternberg verlangte noch mal alles ab, nur 360m aber 11,6% bis 20%. Hier bot sich ein ähnliches Bild wie beim Koppenberg, wobei hier nicht mehr die Massen Radler waren, dafür aber Zuschauer die sich vorglühten für den nächsten Tag. Als ich oben ankam waren Kopf und Körper leer. Die letzten ca. 16 km kämpfte ich mich ins Ziel. Leider gab es auf dem Weg dorthin einige sehr böse Stürze, wahrscheinlich Konzentrationsprobleme. Kurz vor dem Ziel blieb ich noch mal stehen um Bilder zu machen und rollte glücklich und zufrieden ein.
Besonders schön war es dann in Ourdenaarde selber. Hier trafen sich alle Radsportler auf dem „Dorfplatz“ saßen dort alle entspannt auf den Straßen und Pubs, tranken Bier und genossen dazu belgische Fritten… Eine geile Atmosphäre.
Bilder folgen
Fazit:
Viel Freud und einiges Leid. Am Ende Blicke ich /wir auf eine unvergesslich brutale, eine wahnsinnig schöne, extrem anstrengende und auf jeden Fall empfehlenswerte Zeit zurück. Tolle Strecke, gutes Wetter, top Organisation. Ganz ehrlich hat es mir sogar Spaß gemacht … auf dem Kopfsteinpflaster. Dies lag mit bestimmt an den hervorragenden Wetterbedingungen, ich könnte mir durchaus vorstellen hier noch mal zu fahren oder gar Paris-Roubaix in Angriff zu nehmen.
PS: Samstagabend waren wir dann noch in Gent, ein sehr schönes Städtchen absolut empfehlenswert. Später in der Hotelbar hatten wir dann noch ein paar Bierchen mit den Mechaniker von Cofidis, AG2r und Movistar, mit Trikottausch. Einer der Mechaniker wollte das Finischershirt von einem meiner Kumpels und gab dafür seinen Teamkapuzenpulli. Die ganze Bar feierte den Trikottausch.
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