Hatte viiieeel Zeit auf der Heimfahrt:
Ein Urlaub mit Folgen
Warum nicht mal Ferien in Großbritannien?
Mario hatte noch mal Lust auf eine Langdistanz also planten wir, 2 Wochen in Wales zu verbringen und erstmalig Ironman-Luft zu schnuppern.
Meine zweite Saison auf der Langstrecke verlief optimal, ich war restlos zufrieden, ging also ohne Druck ans Projekt IM.
Am Mittwoch nahmen wir bei starkem Seegang und kaltem Wetter die Fähre von Calais noch Dover. Als wir dann wenige KM später ein Plätzchen mit Seeblick zum Frühstücken fanden, pflügten Schwimmer im Neo durchs Meer, trainieren die etwa für Wales?
Ich hatte einige Tage vor der Abreise einen bescheuerten Unfall: hab in einer blöden Körperhaltung beim Putzen meiner Küche niesen müssen. Dabei hat sich irgendwas in meinem Brustkorb verspannt, dass ich am Boden hockte und nach Luft rang (ich sollte Hausarbeit künftig besser trainieren).
Naja, irgendwas hatte sich jedenfalls an meiner Wirbelsäule getan und als ich die Schwimmer sah, dämmerte mir, dass ich möglicherweise beim Rennen zuschauen muss –durch die lange Sitzerei im Auto war der Rücken nun dicht. Ich fühlte mich ziemlich leer.
Dennoch fiel mir die Landschaft auf: sanfte grüne Hügel von Hecken durchzogen. Die Siedlungen schmiegten sich ins Bild, viele gesunde kräftige Bäume: Eichen, Buchen, Ahorn bestimmten die Landschaft. Man fährt auf sehr schmalen Straßen durch Hecken oder wie in Gräben natürlich im Linksverkehr.
Wir hatten eine Ferienwohnung in einem Bungalow 12 km entfernt vom Start, gemütlich, ruhig, alles vorhanden, sogar Internet. Die Wettervorhersagen waren vorerst katastrophal.
Wir haben uns in Teilen die Radstrecke angesehen bei Regen und Wind - ich war erstmal bedient, was will ich hier eigentlich? Das Trainingsschwimmen hab ich mir geschenkt bei der Kälte. Und mein Rücken tat weh.
Am Freitag fand sich bei der Registrierung auf der kleinen Expo bereits das Massagezelt, in dem ich unerwartet auf unglaubliche Fachkompetenz stieß. Rebecca hieß meine Heilerin. Sie mühte sich redlich und setzte mir letztendlich Akupunktur-Nadeln in die Blockade. Es zog fast bis in die Kniekehlen!!
Die Wettkampfbesprechung haben wir verschnarcht, war aber kein Problem: Unser Bungalow stand Wand an Wand zu netten Franzosen, die wir fragen konnte. Dass einer von ihnen, Jeremy Jurkiewicz das Rennen gewinnen würde, ahnten wir da noch nicht.
Die Nudelparty war nett, das Buffet reichlich aber schwach.
Ich hab mich gefreut, wieder neue Foris kennenzulernen. Außerdem trafen wir auf einige Athleten aus Sachsen-Anhalt, durch die ich dann sogar noch zu einer Neo-Haube und zu Neo-Socken kam (die waren wegen der Kälte erlaubt!). Danke Mike und Dennis!!
Und danke an Steilküste, der mir mit wenigen Worten die Radstrecke schmackhaft machte und letzte Taper-Düsternis vertrieb.
Gottlob hatten wir uns die Laufstrecke nicht angesehen ;-).
Die Hawaii-Quali war hier für viele ein Thema, ich erfuhr dann auch, dass es zwei Slots in meiner AK gab, entgegen des üblichen einen.
Aber darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht, zumindest nicht für dieses Rennen.
Am Samstag kehrte mein Optimismus zurück, der Rücken fühlte sich besser an, wir probierten noch mal ein windanfälliges Stück auf dem Rad, nunmehr mit 28-11er Ritzelpaket hinten.
Als ich dann das 404er Vorderrad gegen mein Trainingslaufrad mit flacher Felge getauscht hatte, fand ich meinen Spaß wieder und trat ordentlich rein. Der kleine Abschlusslauf ging sensationell gut.
Nachdem ich dann nochmal bei Rebecca war und sie die letzten Wehwehchen weggezaubert und mir blaues „Race-Tape“ (passend zum Rad) auf den Rücken geklebt hatte, war ich auf „GO“.
Das Einchecken der Räder ging schnell bei uns, keiner wollte den Helm sehen oder die Räder kontrollieren, hinter uns änderte sich das aber dann.
Die Räder baumelten im auffrischenden Wind an den Metallstangen – hoffentlich bleibt alles heil!
Das Rennen:
Ich hatte wie immer sehr gut und fest geschlafen, alles war getan, nach dem Frühstück 20min Fahrt nach Tenby, Räder waren ok, Riegel ins Täschchen, Flaschen gefüllt, Neo an, Start-Schoki in die Hand und zum Start gewandert.
Wir trauten unseren Augen kaum: Das Ufer war dicht gesäumt von hunderten begeisterten Zuschauern, die uns feierten wie Helden – das hatten wir so nicht erwartet.
Der Nordstrand bietet eine Traum-Kulisse. Ich hing den Beutel mit einem Paar Laufschuhen an den Haken mit der Nummer 74 und prägte mir den Platz ein.
Jetzt war Zeit für Schokolade.
Ich beobachtete, wie einige Athleten beim Einschwimmen von der Brandung des 15 Grad-kalten Atlantik umgeworfen wurden, ich schaute weg, versuchte mich abzulenken.
Was dann kam, war ziemlich mechanisch.
Nach dem Startschuss setzte sich das Feld erstmal am Strand entlang in Bewegung, da wohl alle die Massen entzerren wollten. Ich hatte dann Glück, kam gut durch die Brandung, konnte erstmal härtere Kollisionen vermeiden, traf sogar Ironlollo.
An der ersten Boje gab es dann aber tüchtig auf die Mütze. Ich bekam mehrere Schläge von Armen und Beinen alle auf Kopf und Gesicht. Meine linke Wange wurde taub.
Auf neuem Kurs kamen dann die Wellen frontal, ich war kurzzeitig völlig überfordert, schwamm wie ein Langhalsfrosch.
Irgendwie hat sich dann in meinem Kopf ein Schalter umgelegt: Ich machte mich lang und drosch aufs Wasser, keine Ahnung, wie das ging.
Im Nu war der Spuk vorbei; 1:06h zeigte die Uhr, als mich eine große Welle auf den Strand spülte.
Ich flog vor Freude die ersten Höhenmeter des Tages hinauf zum Schuhbeutel. Marios Beutel war weg, er hatte also auch überlebt.
Ich hatte mich entschieden, Laufschuhe anzuziehen, kam erstmal nicht aus den Neoprensocken heraus, bin dann mit Neo und Haube den KM zu T1 gelaufen, um ordentlich Wärme zu tanken.
Ich zog mich komplett trocken an und ging mit guten Beinen aufs Rad, flog mit einem Lächeln auf die erste Radrunde Richtung Westen zum Wind, zu den wunderschönen Dünen. Ich wusste, heut wird’s lang, mir war klar, dass die Radstrecke eine Grenzerfahrung wird, ich bin ein Schisshase bergab und in den Kurven, Der Asphalt war rau, der Kurs sehr anspruchsvoll.
Na und, ich zieh jetzt hier mein Ding durch, die Leute sind klasse, die Landschaft ein Traum!
Die Abstände zwischen den Versorgungsstellen waren am Anfang zu lang, ich bekam Durst und Kopfweh, hab mich dann aber gründlich „betankt“.
Meine Pulskontrolle fiel aus, der Gurt saß wohl nicht richtig ich musste mich also auf mein Gefühl verlassen, das sollte klappen.
Als ich das erste Mal in der zweimal zu fahrenden Runde die letzten km zum Ziel gefahren war und erkannte, dass nach der 16%-Wand und den brutalen Abfahrten noch so ein Klopper kurz vor Tenby steht, zweifelte ich dann doch kurzzeitig.
Ich tröstete mich damit, dass die Straßen im Wind getrocknet waren –das war ein Geschenk!!
Die letzten 60 km zogen sich, es ging gefühlt nur bergauf. Trotzdem fiel mir das letzte Stück dann leichter als beim ersten Mal.
Was gar nicht mehr ging, waren die Hände. Ich hatte kaum noch Kraft zum Schalten und Bremsen.
Ok, den Becher auf der Laufstrecke kann ich notfalls mit den Zähnen krallen.
Der Wechsel zum Lauf fiel wieder leicht, Marios Laufbeutel war weg, er ist also mit dem Scheibenrad in die richtige Richtung gesegelt.
Mein Geschwindigkeitssensor liebt keine großen Wettkämpfe, da steigt er zuverlässig aus. Puls hatte ich aber wenigstens wieder.
Was war das für eine Laufstrecke?? Ich ahnte Schlimmes. Viele Athleten machten Gehpausen an den Anstiegen, ich wollte mich nicht anstecken lassen.
Es gab keine Meilen- oder KM-Schilder, ich wusste also erst nach der ersten von vier Runden, wie ich unterwegs bin: Alles war im grünen Bereich.
Ich war über 7h auf dem Rad und trotzdem ritt mich hier ein Teufelchen: Ich wollte eine gute Marathonzeit –ich wollte auch hier bei diesem harten Rennen beweisen, dass ich unter 4h bleiben kann, was mir in Roth deutlich gelungen war. Und endlich konnte ich auch mal überholen.
Ja, der Kurs war schwer, bergan kostete es Kraft und Willen, bergab Konzentration und Koordination, ebenso schwierig waren die engen kurvigen Gassen in Tenby, wo es doch tatsächlich manchmal flach war. Ein 25%-Anstieg mit abschließenden bergab-Treppen entschädigten postwendend.
Die zweite Runde von vier fiel mir am schwersten, die 4. war gefühlt die stärkste. Highlight: einige überholte Athleten hatten noch die Kraft zu einem „good run!“ Das hat mich berührt.
Auf dem letzten Rückweg zur Stadt überkam mich Stolz und Glück darüber, dass ich dieses Schwimmen so gut bewältigen konnte; dass ich mich auf dem Rad klug eingeteilt hatte und viel Sicherheit gewinnen konnte; dass ich letztendlich meine zweite Langdistanz in diesem Jahr zufrieden und ohne Probleme finishen werde.
3:48h brauchte ich für den Marathon der um die 550HM hatte – jippiii

und kam letztendlich bei 12:23h ins Ziel.
Ich klatschte noch viele Kinderhände ab, manchmal traf ich nicht mehr. Ein aufbrausender Jubel der Zuschauer war jedes Mal der Dank. Die Leute hier sind unglaublich!!!
Ins Ziel lief ich lachend und weinend und hing wie immer heulend an einer Helferin, die solidarisch mitschluchzte.
Mein erster Weg führte zu Rebecca mit den goldenen Händen (und Nadeln). Ich bedankte mich nochmal bei Ihr.
Im Endversorgungszelt traf ich dann Mario, der mit seinem Rennen zufrieden war. Ich bat einen in der Runde mal per Handy die Ergebnisse zu checken und damit war klar: Mario hat mit AK-Platz 2 die Quali. Wow!
Bei mir stand Platz 6, damit war mein Basisziel TopTen erreicht, Traum TOPFive knapp verfehlt, ja es waren starke Gegner.
Und es war ein Durcheinander bei der Zeitmessung.
Ich wanderte dann vor auf Platz 3 –
Fein, aufs Treppchen morgen!
Aber ehrlich, eigentlich ist einem an so einem Abend alles egal. Ich konnte nur etwas von unserem Super-Regenerationsgetränk trinken, sonst weder essen noch trinken oder schlafen bis sechs Uhr am Morgen.
Nach kurzer Ruhe gestärkt ging es nach Tenby zur Slotvergabe. Dort hingen die offiziellen Ergebnislisten, auf den ich mich plötzlich auf Platz 2 fand und unter meinem Namen war ein roter Strich.
Das muss erstmal sacken..
Hätte ich allein den Slot, wäre ich stolz gewesen und gut. Nun, da wir beide auf einen Streich die Quali holen konnte, gehen wir das Abenteuer Hawaii 2012 an.
Die folgende Siegerehrung ging schnell, vielleicht war ich einfach zu müde.
Das Buffet war wieder so lala.
Kristin Möller, die nun nach dem Ironman UK in Bolton auch hier die Damenkonkurrenz für sich entscheiden konnte, ist verdammt nett, wo diese zarte Person die Power herholt ist schon erstaunlich, man gönnt Ihr den Sieg von Herzen.
Wir waren 10 Tage in Wales, mir hat es sehr gut gefallen. Nach dem Rennen genossen wir die tolle Landschaft, erst per Auto, dann zu Fuß, auch mit dem Kite in den Wellen. Nun schien ja auch die Sonne. Es gibt Traumstrände, unendlich viel Grün, wunderschöne Ausblicke entlang der Küstenlinie –ich bin restlos begeistert.
Die Menschen hier sind sehr freundlich, die Kinder lustig und robust; sogar die Hunde sind deutlich entspannt.
Was mich erstaunte: Meine Beine waren schnell wieder ok, viel schneller als nach Roth.
Meine linke Wange ist nach einer Woche fast nicht mehr blau und der kleine Cut an der Augenbraue bald verheilt –das war’s mir wert!
Wir wohnten die letzten zwei Tage im Nachbar-Bungalow und verspeisten ehrfürchtig Zwiebeln und Orangen, die der Sieger uns im Kühlschrank gelassen hatte.
Der Vermieter holte eine geborgte Backform ab und erzählte vom geheimnisvollen Energiekuchen.
Sicher hat allein der Duft bei uns Höchstleitungen bewirkt.
Das Rezept hat uns Jeremy leider nicht hinterlassen.