Warum sind tausend Kilo eine Tonne?
Warum ist dreimal Drei nicht Sieben?
Warum dreht sich die Erde um die Sonne?
Warum heisst Erna Erna statt Yvonne?
Und warum hat das Luder nicht geschrieben?
Warum ist Professoren alles klar?
Warum ist schwarzer Schlips zum Frack verboten?
Warum erfaehrt man nie, wie alles war?
Warum bleibt Gott grundsaetzlich unsichtbar?
Und warum reissen alte Herren Zoten?
Warum darf man sein Geld nicht selber machen?
Warum bringt man sich nicht zuweilen um?
Warum traegt man im Winter Wintersachen?
Warum darf man, wenn jemand stirbt, nicht lachen?
Und warum fragt der Mensch bei jedem Quark: Warum?
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Froestelnd geht die Zeit spazieren.
Was vorueber schien, beginnt.
Chrysanthemen bluehn und frieren.
Froestelnd geht die Zeit spazieren.
Und du folgst ihr wie ein Kind.
Geh nur weiter. Bleib nicht stehen.
Kehr nicht um, als sei's zuviel.
Bis ans Ende musst du gehen.
Hadre nicht mit den Alleen.
Ist der Weg denn schuld am Ziel?
Geh nicht wie mit fremden Fuessen,
und als haett'st du dich verirrt.
Willst du nicht die Rosen gruessen?
Lass den Herbst nicht dafuer buessen,
dass es Winter werden wird.
An den Wegen, in den Wiesen
leuchten, wie auf gruenen Fliesen,
Baeume bunt und blumenschoen.
Sind's Buketts fuer sanfte Riesen?
Geh nur weiter. Bleib nicht stehn.
Blaetter tanzen sterbensheiter
ihre letzten Menuetts.
Folge folgsam dem Begleiter.
Bleib nicht stehen. Geh nur weiter.
Denn das Jahr ist dein Gesetz.
Nebel zaubern in der Lichtung
eine Welt des Ungefaehrs.
Raum wird Traum. Und Rauch wird Dichtung.
Folg der Zeit. Sie weiss die Richtung.
'Stirb und werde!' nannte er's.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Die Staedte wachsen. Und die Kurse steigen.
Wenn jemand Geld hat, hat er auch Kredit.
Die Konten reden. Die Bilanzen schweigen.
Die Menschen sperren aus. Die Menschen streiken.
Der Globus dreht sich. Und wir drehn uns mit.
Die Zeit faehrt Auto. Doch kein Mensch kann lenken.
Das Leben fliegt wie ein Gehoeft vorbei.
Minister sprechen oft vom Steuersenken.
Wer weiss, ob sie im Ernste daran denken?
Der Globus dreht sich und geht nicht entzwei.
Die Kaeufer kaufen. Und die Haendler werben.
Das Geld kursiert, als sei das seine Pflicht.
Fabriken wachsen. Und Fabriken sterben.
Was gestern war, geht heute schon in Scherben.
Der Globus dreht sich. Doch man sieht es nicht.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Ich hab im Traum mit einem Hund gesprochen.
Erst sprach er spanisch. Denn dort war er her.
Weil ich ihn nicht verstand - das merkte er -
sprach er dann deutsch, wenn auch etwas gebrochen.
Er sah mich ganz entsetzt die Haende falten
und sagte freundlich: 'Kaestner, wissen Sie,
warum die Tiere ihre Schnauze halten?'
Ich schwieg. Und war verlegen wie noch nie.
Der Hund sprach durch die Nase und fuhr fort:
'Wir koennen sprechen. Doch wir tun es nicht.
Und wer, ausser im Traum, mit Menschen spricht,
den fressen wir nach seinem ersten Wort.'
Ich fragte ihn natuerlich nach dem Grund.
(Ich glaube nichts, was man mir nicht erklaert.)
Da sagte mir denn der getraeumte Hund:
'Das ist doch klar! Der Mensch ist es nicht wert,
dass man gesellschaftlich mit ihm verkehrt.'
Er hob sein Bein, sprang flink durch krumme Gassen ...
Und so etwas muss man sich sagen lassen!
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Man haelt sie, wenn sie schweigen, fuer Gelehrte.
Nur ist das Schweigen gar nicht ihre Art.
Sie haben vor der Brust Apostelbaerte
und auf den Eisenbahnen freie Fahrt.
Ihr seht sie eilends in den Reichstag schreiten.
Das Wohl des Volkes foerdert ihren Gang.
Und wuerdet Ihr sie noch ein Stueck begleiten,
dann merktet Ihr: sie gehn ins Restaurant.
Sie fuerchten Spott, sonst nichts auf dieser Welt!
Und wenn sie etwas tun, dann sind es Fehler.
Es ist, zum Glueck, nicht alles Hund, was bellt.
Sie fuerchten nur die Wahl und nicht die Waehler.
Ihr Leben waehret zirka siebzig Jahre,
und wenn es hochkommt -. Doch das tut es nie!
Das Volk steht auf vor jedem grauen Haare.
Das Volk steht immer auf! Das wissen sie.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Die Existenz im Wiederholungsfalle - Erich Kästner
Die Existenz im Wiederholungsfalle
Man muesste wieder sechzehn Jahre sein
und alles, was seitdem geschah, vergessen.
Man muesste wieder seltne Blumen pressen
und (weil man waechst) sich an der Tuere messen
und auf dem Schulweg in die Tore schrein.
Man muesste wieder nachts am Fenster stehn
und auf die Stimmen der Passanten hoeren,
wenn sie den leisen Schlaf der Strassen stoeren.
Man muesste sich, wenn einer luegt, empoeren
und ihm fuenf Tage aus dem Wege gehn.
Man muesste wieder durch den Stadtpark laufen.
Mit einem Maedchen, das nach Hause muss
und kuessen will und Angst hat vor dem Kuss.
Man muesste ihr und sich, vor Ladenschluss,
fuer zwei Mark fuenfzig ein Paar Ringe kaufen.
Man wuerde seiner Mutter wieder schmeicheln,
weil man zum Jahrmarkt ein paar Groschen braucht.
Man saehe dann den Mann, der lange taucht.
Und einen Affen, der Zigarren raucht.
Und liesse sich von Riesendamen streicheln.
Man liesse sich von einer Frau verfuehren
und daechte stets: Das ist Herrn Nussbaums Braut.
Man spuerte ihre Haende auf der Haut.
Das Herz im Leibe schluege hart und laut,
als schluegen nachts im Elternhaus die Tueren.
Man saehe alles, was man damals sah.
Und alles, was seit jener Zeit geschah,
das wuerde nun zum zweitenmal geschehn ...
Dieselben Bilder willst du wiedersehn? Ja!
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.