Da liegt man nun, so nackt, wie man nur kann,
hat Seife in den Augen, welche stoert,
und merkt, aufs Haar genau: Man ist ein Mann.
Mit allem, was dazugehoert.
Es scheint, die jungen Maedchen haben recht,
wenn sie - bevor sie die Gewohnheit packt -
der Meinung sind, das maennliche Geschlecht
sei kaum im Hemd ertraeglich. Und gar nackt!
Gluecklicherweise steht's in ihrer Hand,
das, was sie stoert, erfolgreich zu verstecken.
So frueh am Tag, und schon soviel Verstand!
Genug, mein Herr! Es gilt, sich auszustrecken.
Da liegt man, ohne Portemonnaie und Hemd
und hat am ganzen Leibe keine Taschen.
Ganz ohne Anzug wird der Mensch sich fremd ...
Da traeumt man nun, anstatt den Hals zu waschen.
Der nackte Mensch kennt keine Klassenfrage.
Man koennte, falls man Tinte haette, schreiben:
'Ich kuendige. Auf meine alten Tage
will ich in meiner Badewanne bleiben.'
Da klingelt es. Das ist die Morgenzeitung.
Und weil man nicht, was nach dem Tod kommt, kennt,
schreibt man am besten in sein Testament:
'Legt mir ins kuehle Grab Warmwasserleitung!'
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Ich koennte gleich das Telefon ermorden!
Nun hat er, sagt er, wieder keine Zeit.
Ein ganzer Mensch bin ich nur noch zu zweit.
Ach, eine Haelfte ist aus mir geworden.
Ich glaube fast, er will mich manchmal kraenken.
Es schmeichelt ihm vielleicht, dass er es kann?
Wenn ich dann traurig bin, sieht er mich an,
als wuerde ich ihm etwas Huebsches schenken.
Dass er mich lieb hat, ist hoechst unwahrscheinlich.
Ich habe ihn einmal darnach gefragt.
Das war im Bett. Und er hat nichts gesagt.
Er gab mir Kuesse. Denn es war ihm peinlich.
Es waer schon schoener, wenn es schoener waere
und wenn er mich so liebte, wie ich ihn.
Er liebt mich nicht. Obwohl es erst so schien.
Mein Koerper geht bei seinem in die Lehre.
Mama sagt oft, ich moege mich benehmen.
Sie ahnt etwas. Und redet gern von Scham.
Ich wollte alles so, wie alles kam!
Man kann sich doch nicht nur pro forma schaemen.
Er ist schon Dreissig und kennt viele Damen.
Er trifft sie manchmal. Und erinnert sich.
Und eines Tages trifft er dann auch mich.
Und gruesst. Und weiss schon nicht mehr meinen Namen.
Zwei Dutzend Kinder moecht ich von ihm haben.
Da lacht er nur und sagt, ich kriegte keins.
Er weiss Bescheid. Und kaeme wirklich eins,
muesst ich es ja vor der Geburt begraben.
Ich hab ihn lieb und will, dass es so bliebe.
Es bleibt nicht so, und naechstens ist es aus.
Dann weine ich. Und geh nicht aus dem Haus.
Und nehme acht Pfund ab. Das ist die Liebe.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Die unzufriedene Strassenbahn
Sie hasste die gewohnte Strecke,
sprang aus dem Schienenstrang heraus
und wollte endlich einmal gradeaus,
statt um die Ecke.
Ein Unglueck gab's. Und keine Reise.
Erinnert euch, bis ihr es wisst:
Wenn man als Strassenbahn geboren ist,
dann braucht man Gleise.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Wie saeh er aus, wenn er sich wuenschen liesse?
Schaltmonat waer? Vielleicht Elfember hiesse?
Wem zwoelf genuegen, dem ist nicht zu helfen.
Wie saeh er aus, der dreizehnte von zwoelfen?
Der Fruehling muesste bluehn in holden Dolden.
Jasmin und Rosen haetten Sommerfest.
Und Aepfel hingen, muerb und rot und golden,
im Herbstgeaest.
Die Tannen traeten unter weissbeschneiten
Kroatenmuetzen aus dem Birkenhain
und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten
Maigloeckchen ein.
Adam und Eva laegen in der Wiese.
Und liebten sich in ihrem Veilchenbett,
als ob sie niemand aus dem Paradiese
vertrieben haett.
Das Korn waer gelb. Und blau waeren die Trauben.
Wir traeumten, und die Erde waer der Traum.
Dreizehnter Monat, lass uns an dich glauben!
Die Zeit hat Raum!
Verzeih, dass wir so kuehn sind, dich zu schildern.
Der Schleier weht. Dein Antlitz bleibt verhuellt.
Man macht, wir wissen's, aus zwoelf alten Bildern
kein neues Bild.
Drum schaff dich selbst! Aus unerhoerten Toenen!
Aus Farben, die kein Regenbogen zeigt!
Pluendre den Schatz des ungeschehen Schoenen!
Du schweigst? Er schweigt.
Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
ERICH KAESTNER: Kennst Du das Land, wo die Kanonen bluehn?
Kennst Du das Land, wo die Kanonen bluehn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kuehn
in den Bueros, als waeren es Kasernen.
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknoepfe.
Und unsichtbare Helme traegt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Koepfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!
Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
- und es ist sein Beruf etwas zu wollen -
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rueckgrat rollen!
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befoerdert, wer die Schnauze haelt.
Kennst Du das Land? Es koennte gluecklich sein.
Es koennte gluecklich sein und gluecklich machen!
Dort gibt es Aecker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiss und Kraft und andre schoene Sachen.
Selbst Geist und Guete gibt's dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie gruen.
Was man auch baut - es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen bluehn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Es ist im Leben haesslich eingerichtet,
dass nach den Fragen Fragezeichen stehn.
Die Dinge fuehlen sich uns keineswegs verpflichtet;
sie laecheln nur, wenn wir voruebergehn.
Wer weiss, fragt Translateur, was Blumen traeumen?
Wer weiss, ob blonde Neger haeufig sind?
Und wozu waechst das Obst auf meterhohen Baeumen?
Und wozu weht der Wind?
Wir wolln der Zukunft nicht ins Fenster gaffen.
Sie liegt mit der Vergangenheit zu Bett.
Die ersten Menschen waren nicht die letzten Affen.
Und wo ein Kopf ist, ist auch meist ein Brett.
Wir werden spaeter jung als unsre Vaeter.
Und das was frueher war, faellt uns zur Last.
Wir sind die kleinen Erben grosser Uebeltaeter.
Sie luden uns bei ihrer Schuld zu Gast.
Sie wollten Streit. Und uns gab man die Pruegel.
Sie spielten gern mit Flinte, Stolz und Messer.
Wir saeen Gras auf Eure Feldherrnhuegel.
Wir werden langsam. Doch wir werden besser!
Wir wollen wieder mal die Tradition begraben.
Sie sass am Fenster. Sie ward uns zu dick.
Wir wollen endlich unsre eigne Aussicht haben
und Platz fuer unsern Blick.
Wir wollen endlich unsre eignen Fehler machen.
Wir sind die Jugend, die an nichts mehr glaubt
und trotzdem Mut zur Arbeit hat. Und Mut zum Lachen.
Kennt Ihr das ueberhaupt?
Beginnt ein Anfang? Stehen wir am Ende?
Wir lachen hunderttausend Raetseln ins Gesicht.
Wir spucken - pfui, Herr Kaestner - in die Haende
und gehn an unsre Pflicht.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Die Welt ist rund. Denn dazu ist sie da.
Ein Vorn und Hinten gibt es nicht.
Und wer die Welt von hinten sah,
der sah ihr ins Gesicht!
Zwar gibt es Traum und Mondenschein
und irgendwo auch eine kleine Stadt.
Das ist nicht anders. Denn das muss so sein.
Und wenn du tot bist, wirst du davon satt.
Mensch, werde rund, Direktor und borniert.
Trag sonntags Frack und Esse.
Und wenn dich wer nicht respektiert,
dann hau ihm in die Fresse.
Sei dumm. Doch sei es mit Verstand.
Je duemmer, desto klueger.
Tritt morgen in den Schutzverband.
Duz dich mit Schulz und Krueger.
Nimm ihre Frauen oft zum Uebernachten.
Das ist so ueblich. Und heisst Freiverkehr.
Es lohnt sich nicht, die Menschen zu verachten.
Und weil die Welt bewohnt wird, ist sie leer.
Es gibt im Sueden Gaerten mit Zypressen.
Wer keine Lunge hat, wird dort gesund.
Wer nichts verdient, der braucht auch nicht zu essen.
Normale Kinder wiegen neu acht Pfund.
Du darfst dich nicht zu oft bewegen lassen, den andern Menschen ins Gesicht zu spein.
Meist lohnt es nicht, sich damit zu befassen.
Sie sind nicht boese. Sie sind nur gemein.
Ja, wenn die Welt vielleicht quadratisch waer!
Und alle Dummen fielen ins Klosett!
Dann gaeb es keine Menschen mehr.
Dann waer das Leben nett.
Wie dann die Amseln und die Veilchen lachten!
Die Welt bleibt rund. Und du bleibst ein Idiot.
Es lohnt sich nicht, die Menschen zu verachten.
Nimm einen Strick. Und schiess dich damit tot.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.