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Zitat von noam
Interessant dass die integrative Gesamtschulidee hier im Sport relativ eindeutig abgelehnt wird.
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Das ist ein sehr interessantes Thema. Hier in Ö haben wir unter Mittelschulpädagogen momentan dazu eine heiße Diskussion. Grundlage dazu ist der Umstand, dass mit der flächendeckenden Umstellung der Hauptschule in die Neuen Mittelschule (in Ö), die Leistungsgruppen in den Hauptgegenständen Mathematik, Deutsch und Englisch abgeschafft wurden.
In den Nebengegenständen, wie dem Sportunterricht, gab es diese Leistungsgruppen nie. Da allerdings jeder Mittelschullehrer eine Fächerkombination aus Haupt- und Nebengegenständen studiert und unterrichtet, hat sich der Leistungsgruppengedanke stark verwurzelt.
Paradebeispiel in der österreichischen Diskussion ist immer der Skikurs. Dort haben wir verständlicherweise die Schüler genauso in Leistungsgruppen unterteilt. Ja klar, weil das ist auch besonders doof, wenn die schnellen immer auf die Anfänger warten müssen.
Da ich seit Jahren jährlich Skikurse mit bis zu 100 Schülern organisiere und vor Ort leite, hatte ich letztes Jahr mit einem jungen und innovationsbereiten Team die Idee, zumindest in Ansätzen ein heterogenes Konzept auszuprobieren.
Und siehe da: Im Übungsbetrieb funktioniert das wunderbar! Alles was man dazu braucht ist eine Piste, die verschiedene Schwierigkeiten und Möglichkeiten anbietet, dazu einen Lift, der leicht zu handhaben ist. Diese haben wir im Skigebiet vielfach (!) vorgefunden. Und dann mussten wir von der "Instruktion homogener Gruppen" weggehen und neudenken: Individuelle Zielvorgaben, Skilehrer als "Lernbegleiter" (vs. Instruktor), offene Organisationsformen, etc. Für uns Pädagogen war es sehr anstrengend und wir mussten sehr mutig sein. Abends saßen wir beisammen und haben unser Hirn mit Übungsformen angestopft. Ich hatte nämlich die Prämisse ausgegeben, nicht über Fehler zu korrigieren (=ständiges bewerten), sondern meine Idee war, dem Schüler immer die Übung anzubieten die er in dem Moment braucht, um weiterzukommen, inkl. kurzes Vorfahren der Zielbewegung. Dafür muss man als Trainer sehr genau hinschauen.
Unterm Strich war es für alle Beteiligten eine sehr spannende Erfahrung und zwei Punkte waren auffallend:
1. Der durchschnittliche Lernerfolg war erheblich höher als im alten System (Lehrer fährt einer "homogenen" Gruppe Übungen vor).
2. Auch die Anfänger und "schlechten" Skifahrer hatten viel mehr Spaß. Viel mehr. Früher war der Skikurs für manche immer ein traumatisches Erlebnis, weil sie ihrer "homogenen" Gruppe einfach nicht nachkamen und hinterher purzelten.
Ich glaube nämlich mittlerweile, dass es die "homogene" Gruppe der gleich guten nicht gibt. Eine Gruppe Schüler kann vielleicht ziemlich gleich schnell skifahren (zumindest über einen begrenzten Zeitraum), aber jeder einzelne in der Gruppe braucht individuelle Betreuung, um sein Können weiter zu verbessern (=Individualisierung).
Hat jemand von euch schon Erwachsenen Kraulen gelernt? 10 Erwachsene auf einer Bahn? Heterogener gehts fast nicht. Ich hab hier einen Schwimmlehrer an der Hand, der das super auf die Reihe bekommt.
Genauso kann man ein Lauftechniktraining organisieren. Dazu Spielformen, die individuelle Belastungssteuerungen zulassen. Bekommt man ein paar Spinningbikes, ist dies auch am Rad sehr leicht möglich. Jeder Spinningkurs ist extrem heterogen.
Es braucht halt ein Umdenken der Trainer und es ist zu Beginn sehr aufwändig. Dazu muss das Hauptaugenmerk der Trainer der Motivation gelten und irgendwie sollte es langsam aber immer mehr dazu kommen, dass die jungen Athleten von sich aus kommen, getrieben vom eigenen Antrieb besser zu werden. Die Freude am eigenen Gelingen ist dafür die beste Droge.
Vielleicht bin ich Idealist und scheitere mit meiner Jugendgruppe kläglich. Da ich aber nun schon länger in diesem gedanklichen Kontext arbeite und sich Erfolge einstellen, bin ich immer noch gut motiviert
Nik