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Alt 22.01.2016, 22:33   #225
Bischi
Marcel Bischof
Triathlon TV-Sendung
Redaktion
 
Benutzerbild von Bischi
 
Registriert seit: 18.04.2008
Beiträge: 1.311
Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Ich kam über Reinhold Messner zum Ausdauersport. Über Reinhard Karl, Kurt Albert und Wolfgang Güllich. Die Geschichten dieser großen Kletterer waren wie eine Antriebsfeder in meinem inneren Räderwerk, deren Zahnräder durch meine Erziehung und Kindheitserlebnisse geformt worden waren. Ich bin früh aus dem Nest gefallen, bereits mit knapp 16 Jahren verließ ich das Elternhaus für immer, und beendete damit einige schwierige Jahre. Weitere würden kommen.

Meinem Vater verdanke ich ein großes inneres Durchhaltevermögen. Das liest sich gut in einem Sportforum, doch im echten Leben ist es eine zweischneidige Eigenschaft, die sich leicht gegen einen selbst richtet.

In der deutschen Grammatik nennt man sie die Konjunktionen des Gegengrundes: trotzdem, obwohl, wenngleich, dessen ungeachtet, und so weiter. Eine Sache tun, obwohl es Gegengründe gibt. Eine Situation aushalten zu können, Beschwerliches lange durchzustehen ist eine Eigenschaft, die ich öfter bei Menschen finde, die es in ihrer Kindheit schwer hatten. Was ihnen im Gegenzug häufig fehlt, ist die Fähigkeit, Dinge zu ändern. Man hält sie lieber aus, anstatt sie zu ändern.

Ob meine Beobachtung nun stimmt oder nicht: Ich war als 16- oder 17jähriger ein Mensch, der lange durchhalten konnte. Gleichzeitig fühlte ich mich von meinem Vater (er starb, als ich Mitte 20 war) nicht wahrgenommen und unterschätzt. Mich begeisterten Vorbilder, die sich durch ihr Durchhaltevermögen hervorgetan hatten, Großes leisteten und dafür Anerkennung fanden. Die Bücher von Reinhold Messner kannte ich auswendig, parallel dazu fesselten mich die Biografien großer Wissenschaftler. Die Alleingänge von Messner am Nanga Parbat und Mount Everest, oder die des jungen Albert Einstein, der mit 26 Jahren unser Weltbild revolutionierte, lagen für mich nah beieinander.

Meine Kumpels interessierten sich für andere Dinge, darum empfand ich mich selbst als Einzelgänger. Zumindest in einem inneren Sinne. Ich sprach wenig über das, was mich fesselte, und wenn ich es doch tat, dann in so einem Redeschwall, dass ich alle damit überforderte und auf verständliche Ablehnung stieß.
Gedanken, die man nicht teilen kann, sind in unseren Köpfen gefangen wie ein Kanarienvogel in seinem Käfig. Aber innerhalb seines Käfigs ist dieses Vögelchen das freieste Wesen, das man sich vorstellen kann. Ich liebte es, mich bei meinen damals einsetzenden Joggingläufen gedanklich in den Himalaya zu versetzen, mit seinen gewaltigen Strapazen und Möglichkeiten, sich zu bewähren. Oder mir den jungen Einstein vorzustellen, der als junger Patentprüfer dritter Klasse nach Feierabend über seinen Gleichungen brütete.

Ich trainierte also damals bereits regelmäßig laufen und klettern, teils vor, teils nach der Schule, und las viel. Ich entfernte die Matratze aus meinem Bett und schlief zwei Jahre lang, bis ich volljährig war, Nacht für Nacht auf einer Pressspanplatte ohne jede Unterlage, um mich für die Bergsteigerei abzuhärten. Ich gewöhnte mich daran und fühlte mich frei in diesem Biwak.

Die Begeisterung für Sport und Wissenschaft hat mir in der Schule viel Ärger und beschwerliche Feindschaften eingebracht. Ich war körperlich ein Spätentwickler, außerdem sehr schlecht und faul in allen schulischen Lernfächern, darunter sämtliche Naturwissenschaften. Fast alle Jungs in der Klasse waren stärker, schneller und geschickter als ich, und mein mathematisches Unvermögen war grotesk. Während ich also von großen Abenteuern träumte und Taschengeld für Bücher zur Erkenntnistheorie ausgab, war meine reale Lebenswelt das Gegenteil davon. Die Jungen und Mädchen, aber auch die Lehrer um mich herum rieben mir das natürlich unter die Nase, wo immer sie konnten.

Alles schwankte. Ich war in jedem Jahr meiner Schullaufbahn Klassensprecher, außer in einem, als ich gerade die Schule gewechselt hatte. Ich wurde drei Jahre zum Schülersprecher des Gymnasiums gewählt. Gleichzeitig war ich immer wieder sehr unbeliebt. Mal hatte ich viele, dann wieder gar keine Freunde. Für Mädchen war ich unsichtbar, aber das vielleicht schönste Mädchen aus der Gegend ging mit mir. Dasselbe Chaos bei den Lehrern: In der 8. Klasse gewann ich einen Buchpreis für meine schulische Leistungen. In der 9. Klasse bleib ich sitzen, ohne dass ein einziger meiner Lehrer gefragt hätte, was los sei.

(Die schulische Lage spitzte sich weiter zu: Dass ich heute mehr als einen Hauptschulabschluss habe, verdanke ich dem nicht ganz regelkonformen Eingreifen eines einzelnen Lehrers, mit dem ich mich ab und zu nachmittags traf, um ihm bevorzugt über die Geschichte der Relativitätstheorie Löcher in den Bauch zu fragen. Das Internet als Wissensquelle gab es damals noch nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich begreife erst jetzt beim Schreiben, wie absurd sie ist.)

Ich war ein schmächtiger Kerl, aber das Lauftraining tat seine Wirkung. Bei einem 1000m-Lauf im Schulsport schlug ich alle anderen mit Leichtigkeit, was mich selbst überraschte. Doch das zählte nicht viel. Ganz im Gegenteil: Bereits bestehende Konflikte mit anderen Jungs wurden dadurch eher schlimmer.

Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam, aber irgendwie wurde ich danach in ein „Armdrücken“ mit einem der stärksten Jungs aus der Klasse verwickelt. Ich wollte nicht, denn die Sache war witzlos, der Ausgang klar. Entsprechend hämisch war die Stimmung der Umstehenden. Als geistiger Bergsteiger und aktiver Kletterer war ich eigentlich gar nicht so schlecht drauf. Ich hatte mich auf 69 Kilogramm runtergehungert und konnte mühelos 30 Klimmzüge am Stück. Aber gegen die Pranke auf der anderen Seite des Tisches waren meine Aussichten sehr schlecht.

Er begann lächelnd mit mäßigem Druck, seiner Sache sicher. Das war sein Fehler. Einer schnellen Attacke hätte ich nichts entgegensetzen können. Wie man sich eine Viertelstunde lang mit brennenden Armen in einer Felswand festkrallt, wusste ich jedoch nach vielen hundert Seillängen sehr gut. Als es nach zwei Minuten noch unentschieden stand, wendete sich das Blatt und ich spürte, heute ändert sich etwas in deinem Leben.

Einige Jahre später rannte ich bei einem Berglauf im Nachbarort vom Tal hinauf auf den Gipfel. 800 Höhenmeter auf 8 Kilometern Länge. Von Anfang an schrieen mich die Zuschauer an: Peeeter!! Peeeeeter!! Peeeeeeteeeer!!! Überall waren diese Rufe von Menschen, die ich nicht kannte und die mich nicht kannten. Was war los? Direkt an meinen Fersen lief Peter Zipfel, Deutscher Meister im Berglauf von 1985, Olympiateilnehmer im Skilanglauf und eine lokale Sportberühmtheit. Das war krass! Ich lief so schnell ich irgendwie konnte und war überwältigt von diesen alles vereinnahmenden Läuferschmerzen, die sich keiner vorstellen kann, wenn er sie nicht gerade spürt.

Zwei Kilometer vor dem Ziel dieses Berglaufs gibt es ein Flachstück von einigen hundert Metern Länge. Da Peter deutlich größer war als ich, erwartete ich dort seinen Angriff mit raumgreifendem Schritt. Alles in mir konzentrierte sich auf diese langsam herannahende Stelle. Ich sah sie von weitem, Peter kannte sie ganz sicher ebenfalls. Mit fliegendem Atem stürmten wir dort hinauf, ich voraus, Peter eine Armlänge dahinter. 10 Meter bevor die Straße sich neigte, attackierte ich so hart ich noch konnte. Ich bereute es auf der Stelle, denn das Gefühl zu ersticken war gewaltig, und das Ziel noch anderthalb teilweise steile Kilometer entfernt. Zehn, vielleicht 15 Meter betrug die Lücke zwischen uns. Leicht und locker würde er sie schließen können.

Als nach einer halben Minute (die Zeit läuft bekanntlich in Zeitlupe) der Abstand noch der gleiche war, passierte etwas Seltsames. Mich traf ein Adrenalinstoß, so gewaltig, dass ich im eigenen Körper zum Passagier wurde. Und der rannte, keuchte und spie, schmerzte, schrie und jubelte im Inneren, wie ich es nie wieder in der Weise erlebt habe. Im Ziel gab er mir empathisch die Hand, und ich heulte später Rotz und Wasser vor Glück und Befreiung. Im Dorf begann man mich zu grüßen, und irgendwie presste sich aus alldem ein Tröpfchen Öl hervor, das mir bisher gefehlt hatte und alle Reibung etwas leichter machte.

Die Schere zwischen innerem und äußerem Leben, die an allen jungen Menschen zerrt, schloss sich für diesen sportlichen Teil meines Lebens. Zumindest ein wenig. Es machte keinen neuen Menschen aus mir, fühlte sich aber nachhaltig gut an.

Vielleicht ist dieses Gefühl gemeint, wenn man sagt, man sei im Einklang mit sich selbst. Tatsächlich ist man das ja nur hin und wieder, für einige Momente. Viele davon lagen für mich im Sport, wenn ich gemeinsam mit Frank durch die Wälder streifte, oder allein mit einem Walkman dem Schatten davonflog, der allabendlich die Berghänge hinaufkriecht.
Ein einzelner Post reicht, um über Arne 1000 % mehr zu wissen, als in sieben Jahren Triathlonszene
Bischi ist offline  
Alt 22.01.2016, 22:46   #226
Eber
Szenekenner
 
Benutzerbild von Eber
 
Registriert seit: 18.09.2012
Ort: Karlsruhe
Beiträge: 2.327
Arne, nun kenn ich dich ja fast so gut wie Bischi dich kennt
(Hoffe auf einen guten Fortgang bei dem was du noch zu berichten hast )
Herzliche Grüße,
Eber
__________________

hmh ??
Eber ist offline  
Alt 22.01.2016, 22:57   #227
Spanky
 
Beiträge: n/a
Zitat:
Zitat von Bischi Beitrag anzeigen
Ein einzelner Post reicht, um über Arne 1000 % mehr zu wissen, als in sieben Jahren Triathlonszene
yep....mir ist jetzt auch einiges klarer....
 
Alt 22.01.2016, 23:01   #228
dude
Bunte-Tussi des Triathlon
 
Benutzerbild von dude
 
Registriert seit: 07.03.2007
Ort: NYC
Beiträge: 19.259
Zitat:
Zitat von Rälph Beitrag anzeigen
Aber wer muss schon schnell schwimmen können, wenn er so schön schreiben kann.
Selbstverstaendlich nicht! Aber so wie sich das liest haette doch mindestens ne 8:30 drin sein muessen.
__________________
@ulif | GFNY
dude ist offline  
Alt 22.01.2016, 23:21   #229
Pippi
Szenekenner
 
Benutzerbild von Pippi
 
Registriert seit: 06.02.2008
Ort: Steinen City/ Switzerland
Beiträge: 3.210
Danke für die Zeilen!!
__________________
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Weltmeister Duathlon WM Powerman Zofingen 2024 Ak 45 Racebericht
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Pippi ist offline  
Alt 23.01.2016, 00:34   #230
wodu
Szenekenner
 
Benutzerbild von wodu
 
Registriert seit: 30.07.2008
Ort: Teutoburger Wald
Beiträge: 1.516
Arne, DAS ist richtig toll! Danke !
__________________
There's no easy way out
wodu ist offline  
Alt 23.01.2016, 16:47   #231
schoppenhauer
Gesperrt
 
Registriert seit: 26.10.2007
Beiträge: 3.515
Habs jetzt erst gelesen.

Mein Dank für diese schönen Worte an deine neue Freundin!
schoppenhauer ist offline  
Alt 23.01.2016, 17:18   #232
Raimund
Szenekenner
 
Benutzerbild von Raimund
 
Registriert seit: 28.05.2007
Beiträge: 6.963
Ich frage mich, ob in der heutigen Zeit die Kinder durch mediale Aufmerksamkeitsräuber von Visonen abgehalten werden...

Viel schlimmer als Kinder, die sich nicht schul- und bildungskonform verhalten, empfinde ich es, wenn sie sich einfach nur kurzweilig ablenken - ohne eine Vision, ein Ziel oder Träume...


Wenn es eine Muse ist, die Arne so schreiben lässt, kann sie nicht so falsch sein, mein philosophischer Freund!
Raimund ist offline  
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