Mit Sanktionsbashing meinte ich in dem Fall Deine aus meiner Sicht einseitige und jedenfalls verfrühte Einordnung der Sanktionen als völlig unwirksam, die auch in Deinem Satz verdeutlicht wird, mit dem Du den dann folgenden Link vorstellst. Um Deine Eingangsfrage in diesem Post zu beantworten: Fundierte Kritik wägt immer auch ab, akzeptiert Gegenargumente und in diesem Fall vor allem auch, dass das Ende der Geschichte noch nicht geschrieben ist. Wir wissen beide noch nicht, wie es weiter geht.
Und das Wort "Krieg" für Sanktionen mag als politisches Schlagwort verwendet werden - vor allem aber wohl von denen, die Sanktionen ablehnen und als gewalttätigen Akt "framen" wollen. Krieg ist meiner Meinung nach aber das, was Russland in der Ukraine angezettelt hat. Wenn die Sanktionen also als Wirtschaftskrieg bezeichnet werden, dann wohl vor allem mit dem Ziel, die EU als Aggressor zu brandmarken. Der "Wirtschaftskrieg" wäre aber sofort vorbei, wenn Russland den echten Krieg einstellen würde.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/russland-sanktion-wirtschaft-b"aerbock-ukraine-krieg-100.html
Ich hoffe, dass Du diese ausführlichere Kritik nicht als herabsetzend empfindest, auch wenn ich mir in diesem Fall anmaße, selbst eine Wikipedia-Definition kritisch zu hinterfragen.
Danke für Deine Antwort. Nun,man kann sicher nicht in jedem Kommentar eine lange Liste von Argumenten pro u. contra von Wirtschaftssanktionen diskutieren, erst recht nicht, wenn man nur einen Link in einen Thread reinsetzt, der darüber informieren soll, dass die deutsche Aussenministerin sich enttäuscht über die Wirkung der Sanktionen geäussert hat. "Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen", so Baerbock. Eigentlich. Doch die Außenministerin ist enttäuscht vom Ergebnis der Russland-Sanktionen." . Dabei habe ich nichts von "völlig unwirksam" geschrieben, wie Du mir oben fälschlicherweise unterstellst, sondern sie als "Misserfolg" bezeichnet, was sie, inbezug auf die erwarteten Ziele, in der Tat auch bedeuten, sonst würde Frau Baerbock keine Enttäuschung äussern.
Ich habe an anderen Stellen auch schon ausführlicher und mit Links zu dem Thema Stellung genommen und werde das gerne hier noch in einem Extra Kommentar tun. Auf jeden Fall gibt es keine Untersuchungen oder Studien, welche überwiegend Erfolge im Sinne der gesetzten Ziele durch Wirtschaftssanktionen begründen bzw. erwarten lassen. (siehe mein anderer Kommentar).
Eigentlich wäre meine Erwartung schon, dass man die allgemein üblichen sprachlichen Definitionen wie sie dann auch bei Wikipedia verwendet werden, anwendet. Tut man das nicht, sollte man das dann zumindest auch deutlich machen. Der Begriff "Krieg" wird in der Alltagssprache metaphorisch auf zahlreiche andere Bereiche übertragen wie Scheidungskrieg, Rosenkrieg, Informationskrieg, Wirtschaftkrieg, was Dir als Journalisten sicher geläufig ist, so dass Wikipedia damit nur der üblichen sprachlichen Verwendung folgt, von Der Du abweichst, wenn Du die Verwendung "Wirtschaftskrieg" für "Wirtschaftssanktionen" als Bashing bezeichnest und den Begriff "Krieg" nur für militärische Handlungen beanspruchst.
So bedeutet auch Bashing objektiv "herabsetzende Kritik" und es entsprach nicht nur meinem subjektiven Empfinden, als Du meinen Kommentar als "Sanktionsbashing" bezeichnet hast.
Ich habe hier mal eine Studie bzw. einen Report rausgesucht, welche die bisherige Studienliteratur, die Geschichte der Wirtschaftssanktionen sowie die Wirtschaftssanktionen gegen Russland darstellt und bewertet.
Zitat:
Erfolgsquote:
Abbildung 7 stellt die politische Zielerreichung aller in der GSDB (Global Sanctions Data Base) erfassten Sanktionen dar, kategorisiert nach den identifizierten unterschiedlichen Zielen. Interessanterweise wird mit Ausnahme der politischen Ziele im Zusammenhang mit Terrorismus, bei denen die Erfolgsquote sehr niedrig ist, etwa ein Drittel der aufgeführten Sanktionsziele als erfolgreich bewertet. Eine deutlich positivere Bewertung wird für politische Ziele im Zusammenhang mit Demokratiefragen beobachtet. Bei den negativen Bewertungen ist das Bild heterogener. Sanktionsziele im Zusammenhang mit Terrorismus, Regimeschwächung und Politikwechsel werden häufiger als gescheitert bewertet als die übrigen politischen Ziele.Insgesamt entspricht die durchschnittliche Erfolgsquote von rund 34 % über verschiedene Politikziele hinweg weitgehend der Effektivitätsquote von Hufbauer et al. (2007). (Anmerkung von mir: Es gibt auch 1 Studie mit 4 % Erfolgsquote"). Wichtig ist bei der Bewertung von Sanktionserfolgen, dass hinter dem Drittel als erfolgreich bewerteter Fälle in der Regel weitere Maßnahmen, wie z. B. militärische Intervention vorliegen, sodass die politischen Erfolge nicht nur auf Sanktionen reduziert werden können. Insgesamt deuten die deskriptiven Ergebnisse darauf hin, dass Sanktionen einen flankierenden Beitrag leisten können, internationale politische Konflikte zu lösen.
Fazit:
Auf Basis der GSDB (Global Sanctions Data Base) ist es möglich, die zunehmende weltweite Sanktionspolitik empirisch besser zu analysieren und entsprechende Empfehlungen für Entscheidungsträger zu liefern. Bisherige empirische Studien erlauben eine belastbare Quantifizierung der ökonomischen Folgen von Sanktionen, insbesondere mit Blick auf Handelsströme. Demnach erreichen Sanktionen den größten wirtschaftlichen Effekt, wenn sie als multilaterale Maßnahmen den Handel im Zielland umfassend unterbinden.
Im Falle der aktuellen Sanktionen gegen Russland sind diese Kriterien nicht gegeben. Die Sanktionen gegen Russland sind unilateral von einzelnen Ländern wie den USA, Kanada und der EU implementiert. Sie umfassen bis heute nicht den gesamten Handel Russlands. In der Folge kann Russland weiterhin Güter mit Ländern handeln, wenngleich unter erschwerten Bedingungen. Solange große Handelsnationen wie China oder Indien nicht an umfassenden Sanktionen gegen Russland teilnehmen, sind die zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden für Russland deutlich geringer als dies technisch durch umfassendere multilaterale Sanktionen möglich wäre. Die Konsequenz der fehlenden Kooperation in der Völkergemeinschaft sind nicht nur geringere wirtschaftliche Schäden für Russland, sondern auch sehr unterschiedliche wirtschaftlichen Lasten für Senderländer. Die EU verzeichnet beispielsweise im Vergleich zu den USA deutlich höhere Handelsverluste, da sie mit Russland tiefere Handelsbeziehungen vorzuweisen hatte. Länder wie China, Indien oder die Türkei bauen ihren Handel zumindest in einzelnen Sektoren mit Russland sogar aus.
Als Folge der durchlässigen Sanktionen haben die EU und die USA sogenannte Sekundär-Sanktionen gesetzlich verankert. Grundsätzlich könnten mit diesen Regeln gegen China, Indien oder die Türkei Wirtschaftssanktionen eingeführt werden. Bisher werden diese Länder lediglich verbal unter Druck gesetzt. Eine Implementierung der Sekundär-Sanktionen steht noch nicht zur Debatte und wäre im Falle der EU ein Novum.
Bisherige Ergebnisse aus der Sanktionsforschung verdeutlichen, dass Sanktionen einen wichtigen Baustein insbesondere in kriegerischen Konflikten darstellen können. Konkret auf den Krieg mit Russland bezogen kann resümiert werden, dass die vorliegende Sanktionspolitik der Weltengemeinschaft sehr kostspielig ist und bezüglich der Zielerreichung ineffizienter ausfällt, als es nötig wäre.
Aufgrund dessen kommt es dann dazu, dass Ursula von der Leyen auf Konferenzen oder Annalena Baerbock auf einer Pressekonferenz in Kirgisistan über den Drohnen-/Raketenbau mit Chips aus deutschen Waschmaschinen referieren, was in den sozialen Medien entsprechend kommentiert, parodiert wird.
Ich hoffe, dass ich damit ein differenzierteres Infobedürfnis erfülle und auch die Befürworter der Wirtschaftssanktionen die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien berücksichtigen: Für eine statistisch geringe Erfolgswahrscheinlichkeit der Sanktionen gegen Russland nehmen die deutsche Regierung und die EU-Kommissare somit hohe eigene Kosten inkauf zulasten der eigenen Bevölkerung.
Es werden in zahlreichen Pressemedien die erwünschte Wirkung des Wirtschaftskrieges gegen Russland im allgemeinen deutlich überschätzt, zu wenig realistisch darüber berichtet und oft die regierungsamtlichen Presserklärungen unkritisch übernommen. Hat DerStandard in Österreich schon mal umfangreicher kritisch über die Russland-Sanktionen im Verhältnis zu den eigenen Kosten berichtet?
Bekanntlich gehörte die Ukraine zu den schärfsten Verhinderer von NS2, weil sie befürchteten, dass dann kein Gas mehr durch die Ukraine geleitet wird und dem Staat die Durchleitungsgebühren fehlen. Pikanterweise ist heute Nordstream 1 und 2 z.T. gesprengt und es fliesst weiter das russische Erdgas durch die Ukraine nach Westeuropa. Die Verträge laufen erst Ende 2024 aus und es ist noch fraglich, ob sie verlängert werden. Dann muss vielleicht DE beim Ersatz mithelfen (deswegen die Überkapazität bei den deutschen LNG-Terminals und der Zoff in Rügen) und es könnte wieder mit den Lieferungen knapp werden.
....Der "Wirtschaftskrieg" wäre aber sofort vorbei, wenn Russland den echten Krieg einstellen würde. ...
Ist das denn so? Ich hatte das so verstanden, dass man mit den Sanktionen Russland nachhaltig schwächen will, damit es sich militärsch nicht mehr so gut positionieren kann. Da Russlands Wirtschaft zumindest keinen Einbruch erlitten hat, müssten Sanktionen nach dieser Logik gar intensiviert werden, oder?
Nach allem, was ich von unserer politischen Führung so höre, werden wir uns in DE auch längerfristig auf Inflation, höhere Zinsen und geringes Wirtschaftswachstum einstellen müssen. Das sind für mich auch strukturelle Probleme, die schon lange in der Luft lagen und jetzt scheinbar durchbrechen. Krisen bringen das ans Licht - ähnlich wie Corona auch.
Ist eben die Frage wie lange wir diese Sanktionen aufrecht erhalten wollen und können.
Vllt stehen wir selbst bald isoliert da? Das hätten wir ja dann mit dem Aggressor und Verursacher gemeinsam. Strukturelle Probleme werden wohl nicht weniger und falls Trump 2024 in den USA an die Macht käme verschärften sich die. Weil wir ja wenig bezahlen und wenig tun. Schon heute habe ich das Doppelte für 10Kg Briketts bezahlt als im letzten Herbst (4,99 EUR statt 2,49 EUR).
Wird wohl eher schlechter als besser, aber Ricarda Lang hat ja gesagt, dass wir immerhin schon über den letzten Winter gekommen sind. Und was einmal klappt, klappt zweimal.
Hohe Zinsen, teuere Energie und ein schwacher Export lähmen die deutsche Wirtschaft stärker als bisher prognostiziert. Wie aus dem nun veröffentlichten Konjunkturbericht hervorgeht, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in diesem Jahr mit einem Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um bis zu 0,5 Prozent.
Zuletzt war etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) nur um Schrumpfen von 0,3 Prozent ausgegangen – und waren damit bereits pessimistischer als noch im April. Damals sagte man einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent voraus.
Das stand am Sonntag in der FAS und gestern auch in meiner Tageszetung. Dazu ein Interview mit dem Südwestmtall-Hauptgeschäftsführer, der meinte, dass ihm Banken signalisieren, dass sich mittelständische Unternehmen bei Banken und Verbänden gehäuft über Kredite und Zuschüsse informieren, um sich ins Ausland zu verlagern.
Das Thema ist zumindest schon mal ganz oben angekommen. Minister Habeck will einen Industriestrompreis. Allerdings frage ich mich, ob eine Abwanderung/Aufgabe des Mittelstands und Deindustrialiserung nicht sowieso eine normale Entwicklung ist.
Kürzlich war ich zufällig mit Chefchef in einem online Meeting. Er meinte, das würde ja alles prima funktionieren mit der remote Arbeit (ich kann z.B. 3 Monate pro Jahr vom Ausland aus arbeiten). Warum also sollte er nicht auch demnächst auf die Idee kommen, meinen Arbeitsplatz komplett ins günstigere Ausland zu vergeben, dachte ich mir so nebenbei. Chefchef schaut nur auf seine Zahlen.
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Minister Habeck will einen Industriestrompreis. Allerdings frage ich mich, ob eine Abwanderung/Aufgabe des Mittelstands und Deindustrialiserung nicht sowieso eine normale Entwicklung ist.
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Man muss die Merrit-Order entsprechend abändern (ausserdem die Netzentgelte gerecht gestalten), dann verbilligt sich der Strompreis für alle umgehend, was ich hier wiederholt gefordert / vorgeschlagen habe. Nun hat immerhin Frau Schwesig als einsame Ruferin das befürwortend in die Debatte gebracht, aber Minister Habeck will lieber weiterhin unsere Steuermittel an die grossen Konzerne und Aktionäre verschenken, was er schon unsinnigerweise mit den verschenkten Milliarden für die Riesen-Oligopole Intel / TSMC getan hat. Er sollte sich lieber fürs versprochene "Klimageld" (finanzielle Entlastung für CO2-Preis) engagieren und ein solches verabschieden lassen, dann steigt der Konsum und die Nachfrage (--> Wachstum), statt Strom-Subventionen an die Konzerne und damit von unten nach oben umverteilen zu wollen, was das Wachstum weiter beschädigen wird.