Zitat:
Zitat von Hafu
...An der Situation in Ungarn ist gar nichts, von dem man derzeit träumen könnte: ...
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Noch ein paar Ergänzungen zu Ungarn, da meine Schwester und Vater dort leben, und ich entsprechend vieles mitbekomme.
Seit Monaten gibt es dort scheinbar kaum jemanden, der nicht jemanden Nahestehenden hat, der an Covid erkrankt ist - das war das erste, was mir seit längerem als großer Unterschied zu Deutschland vorkommt. Aus meiner früheren Klasse hatten es schon mehr als die Hälfte. Eine Erklärung für diese vielfach stärkere Ausbreitung als in den meisten Ländern habe ich noch nicht gefunden (Lebensweise, Ernährung, ...?).
Der Lockdown, "der seinen Namen verdient" sieht meine Schwester zwiespältig, da es im Alltag wenig auffällt. Zwar hatten sie gute Ideen z.B. mit der sonder-Einkaufszeit für Senioren, aber vieles gilt nur auf dem Papier, und die Leute treffen sich trotzdem regelmäßig, dann eben zu Hause jeden Tag. Auch gibt es weiterhin viele, die (wie auch glaube ich aus Frankreich berichtet) die Maske fürs Begrüßungsküsschen schnell abnehmen, u.s.w. Da bringt eine Maskenpflicht auf dem Wochenmarkt herzlich wenig.
Impfquote ist zwar hoch (auch weil von Anfang an Hausärzte geimpft haben), aber offenbar hat es mit der Priorisierung der Risikogruppen nicht geklappt; noch immer ist ca. 1/4 der Ü60 nicht geimpft, dafür ist Ungarn weltweit führend bei der Impfquote für 18 - 40-Jährigen. Damit nützt die Impfquote für die Verhinderung von schweren Fällen nur sehr begrenzt. übrigens, in der ersten Welle wurden fast alle Pflegepatienten zu den Angehörigen heimgeschickt - von diesen haben viel mehr überlebt, als die, die in den Einrichtungen verblieben. Aber viele können die häusliche Pflege nicht auf Dauer leisten.
Das Gesundheitswesen war schon vorher kollabiert, die Versorgung vielerorts wegen eines hier kaum vorstellbaren Personalmangels unterirdisch trotz sehr gut ausgebildeter (aber extrem unterbezahlter) Ärzte. Die, die noch dabei sind, leisten wirklich Übermenschliches.
Zur hohen Todesrate gehört noch etwas, was ich erst gestern gelesen habe: Die Übersterblichkeit Jan-März in 2021 wurde in den letzten 6 Jahren im gleichen Zeitraum bereits zweimal übertroffen (15 und 17) und mehrfach angenähert (wurde damals halt nur im Nachhinein in der Statistik erkennbar, heute zählt man jeden Toten öffentlcihkeitswirksam) - das ungarische Gesundheitswesen ist chronisch überfordert mit jeder Grippewelle. Das macht es nicht besser, relativiert aber den internationalen Vergleich.
Sputnik-V gibt es auch reichlich (auch Sinovac), aber sehr viele wollen sich damit nicht impfen lassen, da man Angst hat, daß man damit nicht in Europa reisen darf. Dafür hält man die Astra-Zenaca-Thrombosen-Problematik für eine reine Racheaktion der EU wegen des Brexits.
Schließlich macht die Regierung auf hart udn energisch wirkende wirkende Maßnahmen z.B. dadurch, daß Krankenhäuser unter militärische Kontrolle gestellt werden (Betreten immer an bewaffnete Wache vorbei) - und gleichzeitig minimaler Information. Es gibt (seit Jahren) keine nach Regionen oder Krankenhäusern aufgeschlüsselte Daten zur Versorgungsqualität und -sicherheit, so daß gezielte Verbesserungen im System nicht möglich sind, da die Regierung alles Mögliche als "geheim" einstuft - um Fehler nicht offensichtlich zu machen. Das Ergebnis baden die Menschen aus. Entsprechend hoch ist die Angst, die Unsicherheit.