Servus!
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Zitat von qbz
Kompliziert. Die AFD gewinnt Stimmen von der CDU, evtl. auch SPD, verliert an die NPD. Die CDU verliert Stimmen an die SPD, Grüne, FDP, AFD.
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Ah

Wählerwanderung vorhersagen - is ja fast wie das Orakel von Delphi

Andererseits ... die Analyse der Wählerwanderungen nach der letzten Bundestagswahl zeigte ja schon, dass die Wege des Herrn unergründlich sind, aus allen Richtungen kommen und in alle Richtungen führen. Ein alles ist möglich ist also kaum eine Prognose. Da die Linke in deiner Weissagung gar nicht vor kommt, gehe ich davon aus, du hast dir deine Frage, warum die Linke nicht stärker vom Niedergang der SPD profitiert hat, bereits selbst beantwortet
Die Geschichte zeigt, dass beim Menschen - einmal an der Macht berauscht - sofortige Abhängigkeit eintritt und der Machterhalt beim Abhängigen das zentrale Ansinnen ist. Vor diesem Hintergrund scheint es möglich, dass - sofern es sich nicht um eine Eintagsfliege handelt - mit der AfD ähnliches passiert wie mit den Grünen: Sie verschwinden - quasi "Beschaffungskriminalität" betreibend - im Sog der scheinbar großen Mitte der Wählerstimmen und konkurieren dort mit den anderen um die Wählergunst. Wenn sie dann auch noch nichts Gutes für die Gesellschaft zu Wege bringt - was zu erwarten ist bei diesem "Nicht-Programm" - dann geschieht mit ihr ähnliches wie mit der SPD: Sie verliert nahezu vollständig an Bedeutung.
Falls den sog. etablierten Parteien allerdings doch noch einfällt mit vernünftigen Zukunftsvisionen die Ängste der Bevölkerung anzusprechen, auf die großen Fragen des 21. Jahrhunderts Antworten zu liefern und auch erste Schritte auf den Weg bringt, dann ist die AfD eh nur noch eine unbedeutende Randnotiz. Weil egal aus welcher Richtung die Wähler zur AfD kamen oder noch kommen: Es hat im wesentlichen was mit Angst, Wut und Protest zu tun. Wenn diese Dinge angegangen werden, gibt es keinen emotionalen Grund mehr die AfD zu wählen. Einen Sachlich/Rationalen gibt es ja eh nicht.
Apropos unbedeutende Randnotiz: Selbst wenn die letzte Sonntagsfrage 18% für die AfD ergab, so bedeutet das insbesondere auch, dass sie 82% der Wählerstimmen nicht bekommt. Ich halte es für eine undemokratische und gefährliche Entwicklung, dass die meinungsmachenden Medien mit dem Thema "Flüchtlinge/Migration/Rechtsruck" die Politik vor sich her treibt, das Angsttehma der AfD bedient, am Leben hält und so die politische Agenda in unserem Land bestimmt. Der Fall Maaßen ist ein sehr gutes Beispiel dafür.
Ich plädiere dafür, dass wir uns den wesentlichen Fragen zuwenden und unser Land auf die Zukunft vorbereiten. Freilich ist Migration eine dieser ganz großen Fragen, die Behandlung ist komplex und sicher nicht im nationalen Alleingang zu schaffen. Eines ist aber sicher: In der Geschichte der Menschheit haben "Mauern" noch nie langfristig funktioniert. In keinem Fall. Das Thema Migration heute ist nichts anderes als ein kleiner Hinweis - nicht mal der Wink mit dem Zaunpfahl - was uns in den kommenden Jahrzehnten an Menschenbewegungen bevorsteht.
Im historischen Vergleich könnten man ja fast meinen, wir befinden uns in einer Situation wie das Römische Reich um 350-400; also irgendwann bevor die Hunnen kamen; mit genauen Jahreszahlen bin ich nicht so sonderlich gut. Damals baten die Goten die Römer darum sich - aus Gründen besserer und sicherer Lebensbedingungen im oströmischen Reich niederlassen zu dürfen. Die Römer stimmten zu, versorgten die Goten unterschätzten deren Zahl aber völlig, konnten sie nicht mehr versorgen und es kam zum Aufstand in dessen Folge die Hunnen ins geschwächte Reich einfielen.
Es wird nicht so sein, dass wir hier in D und Europa - auf kosten der ärmeren Länder - im gelobten Land leben, während uns um uns rum die Menschen zusehen und sich die Nase an der Fensterscheibe zum Paradies platt drücken. Wenn ich ein junger Mann in einem solchen Land mit misslicher Lebenssituation wäre, würde ich mich ebenfalls auf machen um mein Glück in der Fremde zu suchen. Hierauf müssen wir uns in einer scharfsinnigen Debatte vorbereiten und mit klugen Konzepten agieren. Der Reichtum auf der Welt ist so dermaßen ungleich verteilt, dass es zwangsläufig zu Massenbewegungen hin zum "Glück" kommen wird. Indirekte Effekte aus dem Klimawandel werden diese Tendenz noch verstärken. Was soll der Bauer tun, dessen Ländereien durch Dürre bedroht sind und den eh schon kümmerlichen Ertrag der Ernte noch weiter schmälern? Aber was tun wir gegen den Klimawandel? Bitcoin Mining Farmen betreiben, deren Gesamtenergieverbrauch im Jahr ungefähr dem des Landes Dänemark entspricht? Ist das eine gute Idee?
Wir müssen uns national gesehen fragen, wie soziale Sicherung aussieht, wenn durch die Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten recht hohe Arbeitslosenquoten entstehen werden und das Heer der sozial Abgehängten größer wird. Welche Möglichkeiten wird der Mensch haben, ein positives Selbstwertgefühl zu bilden, wenn die typischen bürgerlichen Tugenden wie Fleiß und Tüchtigkeit immer weniger wert werden und 10%, 15%, 20% gar keine Arbeit haben? Wie soll eine Gesellschaft aussehen, in der viele Menschen gar nicht am Konsum teilnehmen können, weil ihnen das Geld dazu fehl? Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der die Menschen viel Zeit haben? Wir müssen unsere Bildungspolitik dahin ausrichten, dass wir den Menschen beibringen, etwas sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen. Sollten wir vor dem Hintergrund nicht auch darüber nachdenken, ob die Besteuerung von Arbeit überhaupt noch in der Lage ist, den Sozialstaat wie wir ihn kennen zu finanzieren?
Es gäbe von den 82% m.E deutlich Wichtigeres zu tun als sich inhaltsleer und parteitaktisch mit der AfD zu beschäftigen.
Sorry für den länglichen Sermon ....
LG H.