So, nun ist es vollbracht. Wer hätte gedacht, dass ich als Laufmoppel mit Minimaltraining mal einen Ultralauf schaffen werde? Grenzen gibt es eben nur im Kopf!
Und wenn man schon in/bei Göttingen wohnt und verschiedenen Ausdauer-Quatsch mitmacht, dann ist die Teilnahme an der Brocken-Challenge doch Pflicht, oder? Nun kommt ein kleiner Bericht:
Im Prinzip hatte ich seit dem Ironman Kopenhagen bis Ende November nur ca. zweimal wöchentlich Läufe zwischen 5 und 13 km gemacht. Dann, nach der Zusage zur Brocken-Challenge, habe ich meine "langen Läufe" jeden Sonntag um 5 km gesteigert. Und unter der Woche nur zwei Läufe gemacht, einen "schnelleren" (für Ultra-Verhältnisse sind das 6:00 min/km!) und einen Intervall-Lauf. Und siehe da, so konnte ich mich steigern, bis ich in den Wochen vorher zwei 40er gelaufen bin, d.h. ich habe mir jeweils die Hälfte der BC angeschaut, was psychisch enorm geholfen hat. Dann, vor zwei Wochen, der erste Trainings-50er. Als mir meine ultralaufende Freundin vor einem Jahr von ihren am Wochenende gelaufenen 50ern erzählt hat, da dachte ich nur: bekloppt, nicht wahr? Dafür habe ich ihr dann von meinen Fahrrad-200ern erzählt und sie hat das gleiche gedacht.
Nun gut, der Trainings 50er lief bzw. trabte sich gut und so konnte, nach einer Taperingphase fast mit ohne Sport, der 13.2.2016 kommen. Und so stehe ich am Samstagmorgen mit vielen anderen bekloppten drahtigen Ultraläufern um 5:00 morgens im Jägerhaus am Kehr beim Göttinger Stadtwald. Wir schlagen uns alle die Bäuche voll, so kurz vor dem Loslaufen. Ich komme mit Tanya, einer netten amerikanischen und gut Deutsch sprechenden Physikerin in's Gespräch, die einen Kopf kleiner ist als ich. Bald geht es los und in der Kolonne läuft es sich locker. Die ersten 10 km der Strecke bin ich ja auch schon dreimal gelaufen. Stirnlampe braucht man eigentlich keine, das Orga-Team hat zudem alle 100m Fackeln aufgestellt. Irgendwie stimmungsvoll. An der ersten Verpflegungsstelle in Landolfshausen dämmert es und weiter oben, an der Seulinger Warte, erleben wir einen wunderschönen farbigen Sonnenaufgang. Und, wenig später, Morgennebel über dem Seeburger See. Es soll ein wunderbarer Tag werden. Ich laufe immer wieder mit Tanya und wir halten öfters kurz an für Fotos. Tja, und so läuft es planmäßig. Der Marathon ist bei Barbis rum und eigentlich war es bis dahin ganz easy.
Aber dann beginnt der
Ultralauf. Naja, bis Kilometer 50 ist alles in bester Ordnung, denn diese Distanz kenne ich aus dem Training. Im sog. Entsafter, einer langen Steigung, wird es dann sehr einsam! Es zieht sich hin und bald wechselt die Landschaft von "Frühling" zu "Winter". Ab der Strecke, die über das Gewohnte hinausgeht, beginnt das Geeiere im Schnee. Aber es sind dann nur noch 25 km bis zum Ziel. Weniger als ein Drittel. Gefühlt aber wohl mehr als die Hälfte.
Mitten im Wald, am Jägerkopf, ist dann die willkommene Verpflegungsstelle. Überhaupt sind alle Verpflegungsstellen mit total freundlichen Leuten besetzt, die mich mit Namen begrüßen und wohltemperierten und wohlgesüßten Tee ausschenken. Dazu gibt es immer eine Menge Kuchen, Biokekse, Biochips, Bioriegel und Biogummibärchen. Zwischendurch genehmige ich mit ein veganes Saitanwürstchen, das aber eher zweifelhaft schmeckt.
Bald ist Kilometer 63 erreicht, bei Lausebuche. Von hier sind es nur noch 17 km, weniger als ein viertel der Strecke! Da ich aber nicht die Schnellste bin, steht die Sonne hier schon tiefer und es wird Zeit, eine Jacke drüberzuziehen. Das Geeiere durch den Schnee zieht sich hin. Unglaublich, aber wenn ich vom Wandermodus auf "Laufschritt" umstelle, zeigt die GPS-Uhr gerade mal eine 10:00 min/km Pace an. Die optimistische Zielzeit von unter 12 Stunden, die ich keckerweise nach der Marathondistanz angepeilt hatte, kann ich nun getrost vergessen. Aber das ist egal, denn das Mindestziel, nämlich Ankunft vor Zielschluss, kann ich auch mit Wandern erreichen.
Gesagt, getan. Zwischendurch immer wieder mal ein wenig getrabt, und 10 km vor dem Ziel dann nochmal die Socken gewechselt, was wider Erwarten aber nicht viel hilft. Im Kampfwandermodus komme ich aber relativ entspannt voran und mache mich ab Oderbrück bettfertig, d.h. alle Klamotten anziehen inklusive Goretex-Überfäustlinge (über die ich nun sehr dankbar bin) und Stirnlampe aufsetzen. Dummerweise setzen wenige Kilometer vor dem Ziel Wind und Nebel ein. Dazu wird es empfindlich kalt und da hilft nur: schneller wandern! Mir kommen total viele Leute entgegen, die alle schon im Ziel angekommen sind. Ich bin's noch nicht, aber bald. Und bald ist das Ziel wegen Nebel zwar nicht zu sehen, aber zu hören!
Endlich da! Nur mein lieber Mann ist nicht da, ich hoffe, er irrt nicht irgendwo im Nebel umher. Er muss ja wegen mir schon genügend Quatsch mitmachen.
Erstmal rein in's Gebäude. Schön ist es, einige bekannte Gesichter wiederzusehen. Mein Mann trudelt auch bald ein und es gibt erstmal Erbsensuppe und Spagetti, was phantastisch schmeckt. Und alles ist gut!
Der schwierigste Part steht aber noch bevor: 10 km Runterlaufen nach Schierke. Tanya hat es schlimm erwischt, sie hat wohl heftigere Blasen an den Füssen als ich. Deshalb gebe ich ihr meine Stöcke. Aber hey, wir sind ja jetzt Ultraläuferinnen, da wird nicht gejammert! Endlich im warmen Auto, schlafe ich fast ein. Was für ein langer ereignisreicher Tag!
Alles in allem war das wirklich eine tolle Veranstaltung. Liebevoll organisiert, hervorragende Stimmung beim Organisationsteam und den Teilnehmern und bombastisches Wetter. Dazu eine ganz neue Erfahrung. Auch wenn ich mir am Tag darauf wegen des Muskelkaters noch gesagt habe, dass ich diesen Schmarrn nicht mehr machen werde, so denke ich zwei Tage danach wieder anders darüber.
Aber jetzt gibt es endlich mal Skitouren und dann wird Rad gefahren. Ob man mit der Ultralauf-Form gut radfahren kann, werde ich berichten. Bin gespannt!