Zitat:
Zitat von dr_big
Wer fordert eine Feuerpause einseitig ausschliesslich von Israel?
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Ich würde da gerne wieder die Kommunikationspsychologie ins Treffen führen. Gelegentlich zu erwähnen, dass Israels Militäraktion eine Reaktion auf den Hamas-Terror ist, hat mittlerweile die selbe Aussagekraft wie die gerne verwendete Formulierung "es gilt die Unschuldsvermutung", die ja auch zu einer hohlen Phrase verkommen ist. Zunächst wird ausführlich über ein Verbrechen und einen Verdächtigen berichtet, und dann schreibt man halt "Unschuldsvermutung" um den Bericht unangreifbar zu machen. Da ist also fast so eine Art "Augenzwinkern" dabei - "Unschuldsvermutung ja eh, aber eigentlich ..."
Natürlich wird jetzt z.B. oft auch die Freilassung der Geiseln verlangt. Die Geiseln leiden aber im Stillen und im Dunklen. Es gibt keine stündlichen Updates zur Lage der Geiseln. Keine Bilder von den Bedingungen in der Gefangenschaft, keine verzweifelten Gesichter von Geiseln, keine tränengetränkten Statements, wie schlimm das alles ist. Von den Opfern der Angriffe im Gazastreifen hingegen gibt es das alles. Bis hin zu den täglichen Bildern der aktuellen Toten.
Es wird also ausführlich über das Leid der Palästinenser berichtet, und dann folgt (wenn überhaupt) irgendwo unauffällig eingeschoben einmal die Phrase "nach dem Hamas-Terrorangriff". So wie ja hier auch manche davon ausgehen, dass die Leserinnen und Leser ja eh wüssten, was der Grund für die israelische Militäraktion ist. Das stimmt zweifelsfrei in den meisten Fällen, aber es ist nicht ausreichend. Es muss meiner Meinung nach regelmäßig dazu gesagt werden.
Dazu kommt noch, dass ich in Diskussionen oft bemerke, dass an die Hamas deutlich weniger strenge Maßstäbe angelegt werden als an Israel. Polemisch verkürzt könnte man zusammenfassen: "Ja die Hamas ist eh böse, hat tausende Menschen getötet, auch Zivilisten, ... aber das sind halt Terroristen." So als wäre "Terrorist" ein ehrenwerter Beruf, der halt bestimmte Sachzwänge mit sich bringt.
Ich kenne die Medienmaschinerie, die Propaganda, die Social-Media-Szene gut genug, um die Mechanismen zu erkennen (ist ja auch kein Geheimnis und ich bin ja nicht der einzige
), aber ich weiß leider auch keinen einfachen Weg, dem etwas entgegen zu setzen. Jedenfalls aber sollten wir den Ursprung der aktuell beschissenen Situation so oft wie möglich mit-denken, mit-aussprechen und mit-schreiben, um die situations- und system-immanente Dysbalance zumindest ein wenig ausgleichen zu können.