Ich werde mal den Gag mit dem Phrasen-Generator erläutern, das bin ich vielleicht jenen Mitlesern schuldig, die sich fleißig durch die verschwurbelten Texte gemüht haben. Alle anderen können den Text ohne Verlust überspringen. (Die besten Gags sind ja die, die man anschließend erläutern muss.) Achtung, lang! Aber vielleicht interessiert sich jemand für rhetorische Tricks.
waden hat ganz richtig erkannt, dass
Posting 11624 eine ironische Überspitzung darstellt, die den Tonfall theologischer Texte aufnimmt. Darin liegt der erste von drei Gags.
Der zweite Gag ist, dass das Geschwurbel (teilweise) durch einen
Phrasen-Generator erzeugt werden kann, der verblüffend echt wirkende Aussagen erzeugt. Dieser Gag gelingt natürlich nur, wenn es irgendwann "auffliegt". Die Hoffnung ist, dass der Leser dann selbst ein wenig mit dem Generator herumspielt und sich vielleicht nach dem ersten Kichern ein paar ernste Gedanken dazu macht. Ich komme noch darauf zurück.
Der dritte Gag enthält die eigentliche Absicht des Manövers. Trotz der verschwurbelten Formulierungen machen die Texte nämlich Sinn, da ich sie nicht unverändert übernommen, sondern so zurecht gebogen habe, dass tatsächlich ein theologischer Sinn entsteht. Theologisch sind die Aussagen einwandfrei und entsprechen in etwa dem Katechismus. Aber jeder längere Text stellt
Zusammenhänge her. Diese Zusammenhänge werden normalerweise sprachlich markiert durch einleitende Formulierungen wie
"Deswegen folgt..." oder
"Aus eben diesem Grund muss...". Diese
Brücken zwischen Behauptung und Folgerung werden in dem Posting jedoch abgebrochen und vernebelt. Sie tauchen auf, wo es überhaupt keine Schlussfolgerung gibt; und sie fehlen, wo eigentlich eine Schlussfolgerung zu erwarten gewesen wäre. Wo ein "logischer Schluss" angekündigt wird, fängt stattdessen ein ganz neuer Gedanke an. Der Leser bekommt dadurch das Gefühl, er würde nicht mitkommen. Ich dränge ihn dadurch in die Defensive. (Trimichis
defensive Antwort:
"Ehrlich gesagt ist mir Dein Text - momentan zumindest - etwas zu hoch. Kompliment.")
Theologische Texte suggerieren einen
Zusammenhang, wo meist überhaupt kein Zusammenhang besteht. Schon der Beginn des verschwurbelten Postings suggeriert einen Zusammenhang mit den früheren Postings und spricht von einer "Fortentwicklung", um dann jedoch sofort ein ganz anderes Thema zu eröffnen, welches außerdem nie klar benannt wird. (Ein lahmer Trick, der oft beim "Wort zum Sonntag" angewandt wird.)
Das Ergebnis ist ein Text, dessen einzelne Absätze zwar durchaus sinnvoll sind, der aber aufgrund vernebelter Zusammenhänge jedes Verstehen und daher auch jede Kritik erschwert. Weil aber die einzelnen Aussagen durchaus sinnvoll sind, ringt man sich als Leser nicht dazu durch, zu sagen: "Das ist falsch". Zudem sorgt die gelehrte Fachsprache beim Leser für Vorsicht. Man will sich nicht blamieren.
Der Text gipfelt furios in der Behauptung, die
Metaphysik würde für Christen zu einem
konkreten Auftrag. (Metaphysik ist jedoch das Gegenteil von "konkret", da keiner weiß, was es bedeuten soll). Am Ende verstärke ich diese nebulöse "Konkretheit" durch einen Zusammenhang mit Pfingsten, um plausibel zu machen, dass der Text tatsächlich ein konkretes Ziel verfolgt. (Schließlich kann jeder bezeugen, dass tatsächlich Pfingsten vor der Tür steht. Es ist eindeutig wahr.)
Kurz: Der Text vermischt Bullshit mit echten theologischen Aussagen, und verwischt die Verbindungen dieser zwei Elemente rein sprachlich. Konkrete Dinge werden vernebelt, und nebulöse Dinge werden als konkret behauptet. Einfache Sätze werden in die Länge gezogen, bis die heilsgeschichtlich wirksame Bedeutung in ihren textlichen Sachzusammenhängen nicht nur historisch-kritisch in einer allumfassenden Gesamtheit eine Mythologie zur Erkenntnis freigibt, deren Sinnzusammenhang sich jedoch nicht ausschließlich in einer gedachten Tonalität erschöpft, sondern der in der hellenistisch-jüdischen Weltanschauung modellhaft vorgezeichnet war und durch die Offenbarung schließlich konkret ausgeformt und durch diese Formgebung unauflösbar wurde.
Dies erschwert das Verstehen so sehr und erhöht den Zeitaufwand für den Leser so stark, dass der Leser nach ein paar Absätzen innerlich kapituliert und sich denkt:
"Ok, nehmen wir das mal so hin". Gläubige werden vage
zustimmen, wenn sie vermuten, dass der Text aus der theologischen Ecke kommt; und sie werden vage
ablehnen, wenn sie Kritik vermuten. Auf diese Weise funktionieren Predigten in Kirchen: Wird schon irgendwie stimmen, was der Pfarrer sich da zurecht geschwurbelt hat.
Mit dieser Vernebelungstaktik ist es beispielsweise Papst Ratzinger gelungen, eine Rede im Bundestag zu halten, ohne dass den Abgeordneten bewusst wurde, dass der Papst in dieser Rede die Abschaffung des Bundestags als obersten Souverän propagierte. Stattdessen schlug er ein "Naturrecht" vor, dessen Verkündigung und Auslegung der Kirche vorbehalten wäre. Es gab stürmischen Applaus.
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Warum das alles?
Man kann wohl verlangen, dass jeder Text (oder jede Predigt) daraufhin geprüft wird, was davon möglicherweise Bullshit ist, und was nicht. Zudem muss der Text so formuliert sein, dass diese Prüfung überhaupt möglich ist.
Theologische Texte entziehen sich dieser Prüfung. Es gibt ganze Bücherregale an theologischer Fachliteratur, von denen ich behaupte, dass sie überhaupt keinen Gegenstand haben. Etwa Bücher über den Heiligen Geist. Oder gar der
Wechselwirkung zwischen dem Heiligen Geist und den beiden anderen Typen der Dreifaltigkeit. Es gibt sogar Bücher, die Aussagen darüber treffen, ob die drei Dreifaltigkeiten unterschiedlicher Meinung sein könnten und wie sie miteinander kommunizieren. Oder was Jesus "eigentlich" wollte (aber als Gottheit offenbar zu schüchtern war, mitzuteilen; zum Glück teilt der Autor es uns mit).
Diese sehr gelehrsamen erscheinenden Texte und Predigten sind nichts weiter als Scharlatanerie.
Hier ein Quiz: Ist der folgende Text frei erfunden oder entstammt er der Fachliteratur (oder beides)?
"Als Offenbarung bezeichnen wir umgangssprachlich das Zustandekommen des Wirklichkeitsbezugs von welthaftem Personsein, wie es sich in all denjenigen Erschließungsvorgängen vollzieht, in die sich Personen schlechthin einbezogen erleben. Als religiöse Offenbarung bezeichnen wir diejenigen, ebenfalls rein passiv erlebten, Erschließungsvorgänge, in denen eben der Sachverhalt dieses schlechthin passiven Zustandekommens des Spielraums menschlicher Handlungsmöglichkeiten selbst erschlossen wird und in denen somit der Sach- und Wirklichkeitsbezug einer religiösen Gestalt menschlichen Lebens zustande kommt."
"Der Religionsbegriff vergegenwärtigt in systematischer Hinsicht die fortwährende Geschichtsmächtigkeit des seiner Schöpfung treuen Gottes - im Singen, im Beten, im Meditieren. In der Heilsgeschichte des Neuen Testaments jedoch, wie sie uns in den Schriften anvertraut wurde, versichert und bezeugt uns der teilhabende Gott seine auf die Schöpfungswirklichkeit bezogene Macht mit der bei Paulus zu beobachtenden christologischen Akzentuierung."