Vorsicht lang
Am Sonntag war es endlich soweit, die lange Vorbereitungszeit (im Prinzip seit November) auf meine zweite Triathlon Langdistanz (nach dem ‚Ironman Europe‘ in Roth 1990) hatte ein Ende. Heute würde sich erweisen, was das viele Training, für das ich sogar ein halbes Jahr meine Arbeitszeit auf 80% reduziert hatte, gebracht hat.
Morgens am Kanal kam doch noch etwas Nervosität auf, oder warum zitterten meine Finger beim Schreiben der letzten SMS? Mein Rad wartete bereits in der ersten Wechselzone auf mich, meine Laufsachen in der zweiten – jetzt nur noch den Neo an und es kann losgehen. Dabei der erste Schreck, ein Loch im Neo, genau im Schritt. Zum Glück stört es da nicht, wenn es nicht weiter aufreißt…
Während die Elite schon schwimmt ein letztes Mal pinkeln, rein in den sehr eng sitzenden Neo und jemanden gesucht, der ihn mir hinten zumacht (alleine völlig unmöglich). Auf den letzten Drücker bin ich ins Startfeld meiner Startgruppe gehastet. Mit der 7:00 Uhr-Startgruppe (der ersten der ‚normalen‘ Startgruppen) habe ich wohl die günstigste Gruppe erwischt, da vorher 15 Minuten Pause seit dem Frauenstart war.
Da pro Startgruppe nur 230 Schwimmer gestartet wurden, war der Start sehr entspannt und man konnte schnell frei und sein eigenes Tempo schwimmen. Der Nachteil war allerdings, dass ich fast die komplette Strecke keinen Wasserschatten hatte. Das Wasser war mit 22°C angenehm warm, aber trotz Neo wurde es in der morgendlichen Kühle auch nicht zu warm.
Die Orientierung ist im Kanal sehr einfach und ehe ich mich versah war ich schon am ersten Wendepunkt bei ca. 1.400 m. Danach bin ich mehr und mehr in das Frauenfeld hineingeschwommen. Da sich dieses schon ziemlich auseinander gezogen hatte, war das Überholen kein Problem und verschaffte etwas Ablenkung. Irgendwann kam ich wieder am Start vorbei, dann unter der Brücke mit den vielen Zuschauern durch und bald kam schon der zweite Wendepunkt. Da ich mich gut fühlte forcierte ich das Tempo ein wenig und da war auch schon das Schwimmziel.
Beim Ausstieg stellte ich fest, dass ich mal wieder beim Start nicht die Start-Taste meiner Uhr getroffen hatte. Bis zum Ende konnte ich also die Gesamtzeit nur anhand der Uhrzeit abschätzen. Laut Ergebnisliste bin ich 1:01:52 geschwommen - gerade mal 22 sec langsamer als 1990 (aber zugegebenermaßen mit einem besseren Neo als damals).
In der Wechselzone habe ich meinen Beutel geschnappt, der nur zwei Riegel und eine große Tube Sponser-Gel enthielt, bin ab ins Wechselzelt, raus aus dem Neo, Verpflegung in die Rückentasche und erst mal zum Pinkeln aufs Dixie – deshalb die schlechte Wechselzeit. Dann zum Rad, Startnummer ran, Brille und Helm auf und Schuhe an (Schuhe am Rad erschien mir für die Langdistanz übertrieben, ich habe auch die Radschuhe und nicht die Tria-Schuhe genommen). Bei einem kurzen Kontrollgriff zur Rückentasche habe ich bemerkt, dass ich schon mein Gel verloren hatte
Auf dem Rad bin ich noch in die Handschuhe geschlüpft und habe versucht mein Tempo zu finden. Der Plan war zumindest die erste Runde subjektiv locker zu fahren und dann mal weiter zu sehen. Das klappte auch gut, lediglich bergauf an den Wellen habe ich etwas Druck gemacht und da auch viel überholt. Ansonsten habe ich permanent Frauen überholt, während sich das Männerfeld meiner Startgruppe beim Schwimmen so auseinandergezogen hatte, so dass es nicht zur Pulkbildung kam (das mag weiter hinten anders gewesen sein). Auch waren ständig Kampfrichter präsent, die in meiner Region ohne Karten und nur mit verbalen Hinweisen auskamen. Einmal habe ich hinter mir einen scharfen Pfiff gehört, möglicherweise weil ich gerade in dritter Reihe überholt habe. Das hatte aber keine weiteren Folgen.
Bei km 35 kam mit dem Kalvarienberg bei Greding zum ersten Mal der einzige nennenswerte Anstieg, ein kurzes Stück mit 10%, eigentlich ziemlich harmlos. Unangenehm war nur, dass es anschließend nicht gleich abwärts geht, sondern sich einige langgezogene Wellen anschließen. Endlich dann die Abfahrt, darin drei Serpentinen, die man deutlich anbremsen musste. Ansonsten rollte die gesamte Strecke aber unglaublich gut, auch der Asphalt ist durchweg prima.
Ungefähr nach 70 km kommt man wieder nach Hilpoltstein. Vor dem Ortseingang fährt man schon durch eine dichte Menschenmenge, eine Art Generalprobe für den Solarer Berg. Der kommt dann im Ort und das ist wirklich grandios. Man fährt im Prinzip auf eine Menschenmenge zu, die rechtzeitig eine Gasse in der Breite eines Radfahrers frei macht. Dummerweise hatte ich da eine Frau vor mir, die ich bis zur Kuppe deshalb nicht überholen konnte. Naja, das gehört halt dazu. Dann noch eine kleine Schleife und man ist noch mal in Hilpoltstein und kurz darauf wieder beim Start und hat schon fast die Hälfte geschafft.
Ein Blick auf Uhr und Tacho hat mir gezeigt, dass ich gut im Rennen liege und evtl. unter 5:10 bleiben kann. Auf der nun folgenden zweiten Runde musste ich ständig langsame Staffelradler überholen (die noch auf ihrer ersten Runde waren) und zu meinem Erstaunen auch viele Fahrer aus der ‚weitere schnelle Altersklassen‘-Startgruppe, die 20 min vor mir gestartet waren. Auf dem langen flachen Stück Richtung Greding wunderte ich mich über ständig gut 40 km/h auf dem Tacho – bis ich den Verdacht schöpfte, Rückenwind zu haben. In Greding war der Anstieg mittlerweile steiler und länger geworden (wie haben die das gemacht?) und oben in den Wellen kam der Wind dann tatsächlich von vorne. Hier musste ich erstmals die Komfortzone ein wenig verlassen, um nicht zu viel Tempo einzubüßen. Zum Glück hatte ich keinerlei Probleme mit Rücken, Schultern oder Genick, sodass ich alles in Aeroposition durchdrücken konnte. Teilweise bin ich sogar Wiegetritt in Aeroposition gefahren.
Wegen des verlorenen Gels habe ich auf die Gels vom Veranstalter (High 5) zurückgegriffen und an _jeder_ Verpflegungsstelle eines genommen. Außerdem habe ich drei ‚Oatbars‘ gegessen – zumindest den Teil davon, der mir nicht runtergefallen ist…
Gegen Ende der Radstrecke bekam ich zwei/drei Mal ein etwas flaues Gefühl im Magen, das aber wieder verging.
Das Stück von Obermässing (km 130) bis Hilpoltstein (km 155) hat sich dann ein wenig gezogen, ging aber auch vorbei. Dann noch mal den Solarer Berg hoch und die kleine Schleife über die Autobahn, am Start vorbei und ein letztes Mal durch Eckersmühlen an der ‚Biermeile‘ vorbei und schon kam die Abzweigung nach Roth. Während bisher die Kilometerschilder an der Strecke (alle 10 km) immer etwas später kamen als von meinem Garmin gemessen, kam das Ende der Radstrecke ziemlich plötzlich nach Garmin-gemessenen 178,6 km.
Meine Radzeit betrug 5:05:02, womit ich mehr als zufrieden bin – das war ca. 11 min schneller als 1990. In der Vorbereitung bin ich seit Januar (hauptsächlich ab März) knapp 5.000 km gefahren (alles draußen, ich habe keine Rolle) – ohne Trainingslager. Der Schlüssel zum Erfolg waren wohl die langen Mittwochsintervalle (z.B. 4 x 40 min oder 3 x 45 min GA2) auch bei Kälte und Regen, gefolgt von Koppelläufen über 60 bis 90 min mit Endbeschleunigung.
In der zweiten Wechselzone habe ich mich komplett umgezogen – Laufhose, (Lemming-)T-Shirt (gegen Sonnenbrand auf den Schultern), Socken, Trainingsschuhe (Brooks PureFlow) und die grüne Kappe aus dem Startbeutel.
Nach knapp 6:13 Wettkampfdauer (was ich wegen des Missgeschicks mit der Uhr aber nicht so genau wusste) bin ich auf die Laufstrecke gegangen. Ein klein wenig habe ich da sogar von einer Sub-9:30 geträumt. Allerdings war mir klar, dass es schwer werden würde. Da ich im Training den Schwerpunkt aufs Radfahren (meine schwächste Diziplin) gelegt hatte, ist der eine oder andere lange Lauf ausgefallen bzw. halt nicht wirklich lang geworden. Ich habe mir dann immer eingeredet, dass ich ja ein starker Läufer bin und dass das schon irgendwie klappen wird.
Beim Loslaufen habe ich erst mal in mich reingefühlt, wie es so vom Magen/Darm her ist. Naja, geht so, es rumort etwas, aber ich werde es erst mal ohne Toilettenpause versuchen. Das Tempo liegt am Anfang so bei 4:30/km. Nach gut 2 km gehe ich mal kurz pinkeln, das entlastet oft auch Magen/Darm etwas. Dabei piepst die Uhr – Mist, ‚Autopause‘ aktiv, es gibt also auch keine selbst gemessene korrekte Laufzeit.
Am Kanal sinkt der Schnitt auf 4:40/km und bald fängt der Darm an zu verkrampfen. Also bei km 6 doch aufs anscheinend noch jungfräuliche Dixie. Spätestens hier bin ich froh, keinen Einteiler mehr anzuhaben ;-) Beim Hinsetzen gibt’s erst mal einen Krampf im rechten Oberschenkel, dann aber die recht ergiebige Entlastung des Darms. Das kostet zwar bestimmt zwei Minuten, dafür gab’s an der Front aber keine Probleme mehr bis ins Ziel
Weiter laufen wir am Kanal entlang, dank Gegenwind recht kraftraubend. Nach 10 km endlich etwas Abwechslung, an der Schleuse geht es über den Kanal und rein nach Schwand. Dort gibt es etwas Stimmung und zwei Wendepunkte, bevor wir bei km 15 wieder am Kanal sind und nun mit Rückenwind zurück Richtung Lände Roth laufen. Mittlerweile ist es ganz schön warm geworden und mein Schnitt sinkt auf 4:50/km. An der Lände ist ungefähr die Hälfte geschafft und meine Idee, ab hier schneller zu werden, ist längst Makulatur geworden.
Am Kanal entlang bis Haimpfarrich kann ich im Schatten gerade so das Tempo halten, auf dem Stück nach Eckersmühlen rutsche ich dann aber doch über den 5er-Schnitt. Immerhin laufe ich durchgängig, viele sehe ich hier gehen. Inzwischen habe ich auch jedes Mal vor den Verpflegungsstellen einen total trockenen Mund und will nur noch trinken und keine Gels mehr (an jeder zweiten Verpflegung nehme ich trotzdem eines). Außerdem fühlt sich mein linker Oberschenkel an, als würde er jeden Moment einen Krampf bekommen. Da fehlten wohl doch die langen Läufe.
Endlich kommt die Brücke über den Kanal und kurz danach der letzte Wendepunkt – jetzt geht es nur noch zurück (an die Extraschleife durch Roth denke ich da noch nicht). Zurück zum Kanal zieht es sich arg zäh, zwischen Haimpfarrich und der Lände fühlt es sich dank Schatten etwas angenehmer an. An der Lände ist zum Glück viel los und alle Athleten werden ordentlich angefeuert. Anscheinend sieht mein Laufstil noch gut aus, auch wenn es sich nicht so anfühlt. Das Stück bis zurück nach Roth ist ganz besonders ätzend, irgendwie geht es da gar nicht voran.
Ab km 39, nun schon wieder in Roth, stellt sich so langsam die Vorfreude aufs Finish ein und ich kann sogar noch etwas zulegen. Auf der Wendeschleife am Marktplatz kann ich nur mit Mühe der Versuchung widerstehen, nach einem der Biergläser zu greifen, zumal die nächste (letzte) Verpflegungsstelle schon überfällig ist. Danach noch ein Stück zurück und endlich geht es Richtung Zielgelände. Erst müssen wir noch quer durch die Triathlon-Messestände, bevor die Strecke endlich in die eigentliche Finish-Area mit den Tribünen mündet. Schnell noch fürs Zielfoto die Kappe runter, die Brille hoch und ein Lächeln versucht. Noch ein Blick auf die Uhr im Ziel: Yeah, unter 9:40!
Nach einer Laufzeit von 3:26:52 wurde es eine Endzeit von 9:39:36, womit ich mehr als zufrieden bin. Das bedeutet Platz 172 von 2.504 Männern (Finishern) und Platz 12 in der AK45 (von 551!). Und 14 min schneller als 1990
Gruß Matthias