http://www.wdr5.de/sendungen/toene-t...er-110423.html
Daraus:
Die Affäre Guttenberg manifestierte nicht nur Befindlichkeiten in Deutschland. Sie geriet auch zu einer Medienschlacht. Die Bild-Zeitung kämpfte für den wankenden Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. So verging in diesen Zeiten kaum ein Tag, in der das Massenblatt einen Facebook-Aufruf "Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg" unerwähnt ließ.
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Als schillernde Figur dahinter gilt der FDP-Politiker Tobias Huch. Sein Geld verdient er in der Erotik- und Musikbranche. Ein inniges Verhältnis pflegt er mit der «Bild»-Zeitung.
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Bundesweite Popularität erhielt Huch durch die öffentliche Diskussion um zu Guttenberg. Die lancierte Facebook-Gruppe «Wir wollen Guttenberg zurück» kam aus den Reihen der Jungen Liberalen und sah schnell wie eine Massenbewegung aus. Als deren Sprecher trat Huch in Erscheinung. Die Gruppe war allerdings als privat deklariert. Und Huch nutzte vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz seine Facebook-Gruppe «Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg» zu Wahlkampfzwecken für seine Partei. Steffen Wenzel, Experte für politische Kommunikation und neue Medien der Plattform politik-digital.de, sieht darin «unlautere politische Werbung».
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Schon im Sommer 2010 mahnte der Deutsche Rat für Public Relations die FDP ab. Der Sprecher der Europaabgeordneten Koch-Mehrin verfasste damals ihr wohlgesonnene Kommentare in einem Blog, ohne sich als Mitarbeiter der Liberalen erkennen zu geben. Im Geschäft mit der Politik ist die härteste Währung Aufmerksamkeit. Mit über 620 Millionen regelmäßigen Nutzern verspricht Facebook derzeit reichlich davon. Hypes gehören hier zum Alltag, doch das Ausmaß der Facebook-Gruppe «Wir wollen Guttenberg zurück» erstaunte selbst die «New York Times». Früh verbreiteten Blogger die Vermutung, dass es sich dort um einen Fall von Astroturfing handelt. Dabei werden «Freunde» und «Fans» im großen Stil eingekauft. Im Netz hat sich bereits ein reger Markt dafür etabliert. Die Betreiber dahinter finden sich in Australien, Deutschland oder Österreich. Einer davon ist die Agentur uSocial.net.
"Wie man mehr Facebook-Fans bekommt? Wie Sie wissen, ist Facebook-Marketing gerade eine ziemlich große Sache. Wenn Sie etwas Geld in die Hand nehmen, kann ich Ihnen im Handumdrehen einige tausend Fans für Ihre Facebook-Seite besorgen. Am Ende wird sich die so erzeugte Popularität Ihrer Seite in klingender Münze auszahlen, das garantiere ich Ihnen."
erklärt dieser verdeckte Facebook-Werber sein Handwerk. Das beweist nicht, dass Huch für seine zu Guttenberg-Kampagne auf Einkaufstour gegangen ist. Aber es macht klar, dass viele Fans nicht zwingend durch viel Überzeugung gewonnen werden müssen. Doch wo im Netz längst die Kultur der Camouflage blüht, vermag bisweilen die analoge Realität den Blick zu klären. Demonstrationsaufrufen aus der Facebook-Gruppe «Wir wollen Guttenberg zurück» folgten bekanntlich in mehreren Städten gerade einmal einige Hundert Demonstranten – von 600 000 Unterstützern im Netz.