So, Arbeit ist geschafft, jetzt sind wir endlich auf der Autobahn Richtung Roth (genau genommen stehen wir im Stau, aber Heike hat das Steuer übernommen und ich kann tippen und versuchen Teil 2 der Story zu schildern (achtung, es folgt ein langer Text):
(die meisten Gedanken der gerade überflogenen Posts in diesem Thread von heute liefen etwa in die Richtung wie mir die Gedanken auch am Mittwoch abend durch den Kopf schossen; im Prinzip hätte sich man wohl für alles entscheiden können und -wenn man die Geschichte bis zum Ende verfolgt, wäre wohl auch jede Entscheidung letzten Endes nicht richtig befriedigend gewesen)
Die Oberärztin in der Klinik, die den Diebstahl am Montag beobachtet hat, hat den Typen natürlich hundertprozentig identifiziert, aber das hat diesen auch nicht weiter irritiert und er hat hartnäckig weiter geleugnet.
Wir (ich war natürlich nicht mehr alleine hinsichtlich der Entscheidungsfindung, sondern auch unser Chefarzt war mittlerweile mit involviert und mischte sich in die Befragung mit ein

) entschieden uns, die Eltern mit hinzuzuziehen, wobei derJunge erwartungsgeäß mit Adresse oder Telefonnummer nicht herausrücken wollte. (" hab' mein Handy zu Hause vergessen, wo die Nummer eingespeichert ist und auswendig weiß ich die Nummer nicht!").
Wir sagten ihm dann, dass wir alternativ die Polizei verständigen würden und diese ihn dann sicherlich auch gleich zu den Eltern heimfahren würde und, Überraschung, plötzlich fiel ihm eine Nummer ein, angeblich die seines eigenen Handys, unter dem sich aber prompt seine Mutter sich meldete (Vater gab es bei dem Jungen keinen).
Ich schilderte kurz den Sachverhalt und erwartete (oder erhoffte?) eigentlich, dass sie in 'ner Viertelstunde auftauchen würde, ihm ordentlich den Kopf waschen würde und wenn ich so das Gefühl vermittelt bekommen hätte, dass er jetzt ein zwei Tage Stress zu Hause haben würde, dann bestünde (in meinem Wertesstem) die begründete Chance, dass der Bursche etwas aus der ganzen Geschichte lernt und sich zukünftige Diebstähle ganz genau überlegt.
Der Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit war indes zunächst mal, dass die Mutter fast eine Stunde auf sich warten ließ (die Wohnung des Jungen ist max.5 Autominuten oder auch 10 Gehminuten von der Klinik entfernt.
In der Wartezeit hatte ich immerhin die Gelegenheit, um den Fahrraddieb, der verständlicherweise keine große Lust auf Samlltallk hatte, etwas näher kennen zu lernen. Er war erst vor wenigen Wochen aus Duisburg hierher nach Bernau zu seiner Tante gezogen.
Hellhörig wurde ich, als er auf die Frage, in welche Schule er ginge, meinte, dass er überhaupt nicht mehr in die Schule gehen würde.

Als ich zu ihm meinte, warum er so einen Respekt vor der Polizei habe, mit 14 habe er von denen doch eh nichts zu befürchten, da noch nicht strafmündig, kam der Widerspruch plötzlich wie aus der Pistole geschossen:" nein, mit 13 kann einem nichts passieren, mit 14 können die einen schon bestrafen"

nach einigen weiteren Andeutungen des Jungen war mir dann klar, dass der Typ offensichtlich schon etliche Kontakte mit der Polizei in Duisburg gehabt hatte und der Umzug nach Bernau wohl eher so eine Art Flucht vor dem Jugendamt und der vermutlichauch in NordrheinWestfalen geltenden Schulpflicht war.
Irgendwann tauchte dann doch tatsächlich mal die Mutter auf (vom Aussehen her ungefähr mein Alter, vielleicht auch jünger und vorgealtert, gepierct, Tattos, dick und billig wirkend geschminkt,, übergewichtig) und brachte gleich Verstärkung mit: die Tante und doch tatächlich den 13-jährigen-Kumpel mit, der angeblich das Rad neben dem Bauhof im Gebüsch gefunden hatte und diese Version dann erstmal unsicher bestätigte, aber ganz schnell ganz wortkarg wurde, als wir ihm erklärten, dass man mit einer falschen Aussage vor einem Jugendgericht selber echte Probleme bekommen würde und die Polizei durchaus in der Lage ist, Widersrpüche in den Aussagen des Diebes und seines Kumpels zu finden.
Die Mutter stellte sich(zu meiner Überraschung) hundertprozentig hinter die Version ihres Sohnes
Auf meinen Einwand, selbst ein im Gebüsch gefundenes Fahrrad darf man sich nicht einfach aneignen, sondern muss es vielmehr beim Fundamt abliefern, meinte sie, dass sie sich das Rad nicht so genau angesehen habe.
Mein Argument, dass ihr Sohn am Montag beim Diebstahl beobachtet und wieder erkannt wurde, konterte die Dame mit der Aussage, dann würde hier eben Aussage gegen Aussage stehen. Die Aussage einer Oberärztin gegen die Aussage des minderjährigen Kumpels eines Schulabbrechers...
Ich versuchte dann die aussichtslose Diskussion zu verkürzen, indem ich meinte, dass daüber letzten Endes die Polizei bzw. das Gericht entscheiden müsste und für mich der Fall klar sei.
Und plötzlich kam wieder Bewegung in die Sache und die mit angereiste Tante fragte eifrig, ob man nicht eine Lösung finden könne, die Geschichte ohne Polizei zu lösen, z.B. mit einer Art Sozialstunden in unserer Klinik. Ich hatte zwar (auch wegen der mittlerweile langen Wartezeiten und nutzlosen Diskussion über einen glasklaren Sachverhalt die Lust an einem Komplomiss verloren, aber unsere mit anwesende Oberärztin meinte (richtigerweise) jeder habe eine zweite Chance verdient und wir einigten uns darauf, dass sich die beiden unmissverständlich entschuldigen (der eine für die Lüge, mit der er seinen Kumpel schützen wollte, der andere für den Diebstahl) und der Dieb am nächsten Morgen um 9:00h für eine (symbolische) Strafarbeit in der Klinik erscheinen sollte.