Erschrocken schaut der Heide Schaf mich an,
als säh's in mir den ersten Menschenmann.
Sein Blick steckt an; wir stehen wie im Schlaf;
mir ist, ich säh zum ersten Mal ein Schaf.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Er stellt sich vor sein Spiegelglas
Und arrangiert noch dies und das.
Er dreht hinaus des Bartes Spitzen,
Sieht zu, wie seine Ringe blitzen,
Probiert auch mal, wie sich das macht,
Wenn er so herzgewinnend lacht,
Übt seines Auges Zauberkraft,
Legt die Krawatte musterhaft,
Wirft einen süßen Scheideblick
Auf sein geliebtes Bild zurück,
Geht dann hinaus zur Promenade,
Umschwebt vom Dufte der Pomade,
Und ärgert sich als wie ein Stint,
Daß andre Leute eitel sind.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Der Hund springt aufs Bett und robbt
über mich.
"Weißt du das Wort?" frage ich ihn.
Er gibt keine Antwort.
"Weißt du das Wort? Ich such das
richtige Wort."
Er sieht mich mit seinen ernsten
Braunen Augen an.
"Ich warte auf das richtige Wort"
erkläre ich ihm. "Ich komme mir vor
als würde ich durch eine große heiße
Bratpfanne schnalzen."
Er wedelt und versucht, mein
Gesicht zu lecken.
"Hör mal", ruft sie aus dem Bade-
zimmer, "kommst du jetzt endlich
aus den Federn und hörst auf,
mit dem Hund zu reden?!"
Meine Eltern haben mich auch
nie verstanden.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Ein paar Zeilen aus dem Journal der Brüder Goncourt:
Seltsam, das literarische Leben!
Bei jedem Band die Furcht vor etwas Unangenehmen;
jede Veröffentlichung eine Gefahr.
Die Furcht, nicht genug Erfolg zu haben,
oder, wenn er zu groß ist,
die wie es weitergehen soll.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Im dunklen Erdteil Afrika
Starb eine Ziehharmonika.
Sie wurde mit Musik begraben.
Am Grabe saßen zwanzig Raben.
Der Rabe Num’ro einundzwanzig
Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig
Und gründete dort etwas später
Ein Heim für kinderlose Väter.
Und die Moral von der Geschicht? –
Die weiß ich leider selber nicht.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig mir erkor –
Möcht ich hoffen, daß sie sänge,
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach, aus dieser Brust und Enge
Drängen frühe Lieder laut.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
Vorgesetzte muss es geben.
Angestellte müssen sein.
Ordnung ist das halbe Leben.
Brust heraus und Bauch hinein!
Vorgesetzte tragen feiste
Bäuche unter dem Jackett.
Feist ist an dem Pack das meiste,
und sie gehn nur quer ins Bett.
Sie sind fett aus Überzeugung.
Und der bloße Anblick schon
zwingt uns andre zur Verbeugung.
Korpulenz wird Religion!
In den runden Händen halten
sie Zigarren schussbereit.
Jede ihrer Prachtgestalten
wirkt, als wären sie zu zweit.
Manche sagen (wenn auch selten),
sie verstünden unsre Not.
Und wir kleine Angestellten
schmieren uns den Quatsch aufs Brot.
Atemholen sei nicht teuer,
sagen sie, und nahrhaft auch!
Und dann hinterziehn sie Steuer
und beklopfen sich den Bauch.
Nagelt ihnen auf die Glatzen
kalten Braten und Coupons!
Blast sie auf, und wenn sie platzen!
Gibt es schönre Luftballons?
Laßt sie steigen und sich blähen,
über Deutschland, hoch im Wind!
Bis sie alles übersehen,
weil sie Aufsichtsräte sind.
Wenn sie eines Tags verrecken,
stopft sie aus und weckt sie ein!
Tiere kann man damit necken,
Kinder kann man damit schrecken,
aber euch? Ich hoffe: Nein!
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.