Es ist alles im Leben eine Frage der Referenzgröße, wie die Psychologen sagen. Während die einen Eltern feste Pläne für das Leben ihrer Kinder im Kopf haben, lassen andere alles komplett so laufen, wie es sich halt ohne eigene Entscheidungen ergibt. Irgendwo dazwischen versuchen wir uns einzuordnen. Mein Mann meint lakonisch: "Denken hilft, nützt aber nichts". Drei Beispiele aus dem erzieherischen Spektrum, wie wir es häufig erleben:
Frisur & Outfit
Wenn ich Kinder mit Frisuren, am besten noch Undercut mit oben auf Farbe, und einem Ohrring, sehe, denke ich als Erstes: "Was läuft denn da schief?" Später, wenn ich dann die Eltern näher kenne, frage ich mich, ob die das nicht doch richtig machen. Warum könnte ich das bei meinem eigenen Kind nicht tolerieren? Möglicherweise bin ich spießig. Mit so einer Erkenntnis muss man erst mal lernen umzugehen.
Wie Deutschlands größte Gazette meldet, möchte eine Lehrerin im Schwäbischen das Tragen von Jogginghosen an ihrer Schule verbieten. Wenn man dann besser lernen kann, sehe ich das natürlich ein. Auf den Prüfstand kommen sollen auch Kapuzenpullover. Sollte das bundesweit Schule machen, werde ich proaktiv meinen Mann davon in Kenntnis setzen. Am letzten Freitag hatte er an einer internationalen Hochschule eine seiner Marketingvorlesungen gehalten. Dazu trug er einen knallroten Kapuzenpullover mit weißem Aufrduck "SÜSEL WATER-SPORT" und einem weißen Männeken, das Wasserski fährt. Nach geraumer Zeit war die Raumtemperatur gestiegen und mein Mann hatte gemeint: "Ganz schön warm hier, aber wenn ich jetzt meinen Kapuzenpullover ausziehe, sehen Sie alle mein "Metallica"-T-Shirt. Herzliches Gelächter. Eine halbe Stunde später hält der Vortragende die Hitze beim besten Willen nicht mehr aus und streift sich den Pullover über den Kopf. Wieder Gelächter, als das Auditorium auf dem schwarzen T-Shirt den weißen "Metallica"-Schriftzug entdeckt. "Was hat die Frau mit dem Chihuahua in der Louis Vuitton-Tasche gesagt?" frage ich den cyberpunk. "Keine Ahnung", meint mein Mann, "habe ich nicht drauf geachtet." Na, denke ich, so geht das aber wirklich nicht. Wird Zeit, dass Hunde im Hörsaal verboten werden.
(Wahl-)Möglichkeiten
Was bietet man seinem Kind an und was nicht? Manchmal gar nicht so leicht, wenn man in der Mitte Deutschlands wohnt und sich nahezu täglich ein Füllhorn spannender, lustiger und faszinierender Angebote auftut.
"Pantone", hatte mir der Towarttrainer des Juniors schon vor Längerem gesagt, "mach nicht zu viel mit dem Kind. Ich weiß, dass der das alles macht und will und auch Vieles kann, aber am Ende wissen die Kinder gar nicht mehr, was sie wollen. Das habe ich immer wieder erlebt. " Liegt die chronische Entscheidungsschwäche unseres Juniors an seinem zarten Alter von 9 Jahren, an einem Zuviel an Möglichkeiten oder ist es einfach ein Charakterzug seines Sternzeichens Waage?
Aktuell beginnen die "Tage der offenen Türen" an den weiterführenden Schulen im Umkreis. Was guckt man sich an, was nicht? Spiegelt der Eindruck, den man an so einem Tag gewinnt, das spätere tägliche Leben im Klassenraum wieder? Wohl eher nicht. Werden wir trotzdem hingehen? Ja, auch wenn´s vermutlich eigentlich sinnlos ist.
Gut - besser - am besten
Wie so oft beginnt der Dicke eine Überlegung gern mit der Einleitung "Ich frage mich ...". So auch neulich. "Mama," hatte er gemeint, "ich frage mich ja, wie es sein, kann, dass das, was die Familie Schmidt macht, immer am besten ist." Im ersten Moment bin ich ratlos, dann frage ich nach, was er meinen könnte. "Wenn Familie Schmidt ins Freibad geht, sagt Frau Schmidt: "Heute ist es so heiß, da ist es im Freibad am besten." Wenn es am nächsten Tag wieder ganz genau so heiß ist und die zu Hause bleiben, sagt Frau Schmidt: "Heute ist es so heiß, da ist es zu Hause am besten." Also, Mama, ich begreif das nicht." Tja, was sagt man da? Erstmal sage ich, dass die Frau Schmidt ja wirklich sehr, sehr nett ist. Dann erkläre ich so allgemein, dass es Menschen gibt, die ihre eigenen Entscheidungen immer noch mal als besonders gut betonen müssen. Manchmal hat man sich für etwas entschieden und ist vielleicht noch ein bisschen unsicher, ob die Entscheidung wirklich so gut war. Und Leute wie Frau Schmidt sagen sich und ihrer Familie dann immer: "Das, was wir machen, ist am besten." und dann fühlen sie sich besser. Das machen ganze viele Leute so, und du weißt ja auch selbst, wie schwer dir Entscheidungen manchmal fallen.
Leider müssen wir dann noch ein bisschen weiter über Frau Schmidt sprechen, weil das Kind schnell eins und eins zusammenzählt und gleich noch feststellt, dass Frau Schmidt ihren Kindern ja eigentlich keine eigene Meinung lässt und so lange mit den Kinder ruhig und vermeintlich sachlich argumentiert, bis die Kinder sich für die "beste" Lösung entschieden haben. Leider musste ich mal dabei sein und weiß, wie Fakten sanft verdreht oder einfach auch Behauptungen aufgestellt werden, die objektiv eigentlich nicht haltbar sind, aber Frau Schmidt gerade gut ins Konzept passen. "Bei Schmidts ist es eben anders als bei uns", bemerke ich irgendwann abschließend, "Papa und ich finden halt, dass es immer viele Möglichkeiten gibt, etwas zu tun oder sich zu entscheiden und wir möchten eben auch, dass du lernst, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Mir selbst fällt es heute manchmal noch schwer, aber egal, wofür oder wogegen man sich entscheidet: Es geht immer alles irgendwie weiter.
Frau Schmidt finden wir immer noch nett oder wie der Dicke sagt: "Jeder hat ja irgendwas Schlechtes." "Stimmt," pflichte ich bei, "ich zum Beispiele meine Wutanfälle." "Und ich," fügt er hinzu, "dass ich keine Filme gucken kann." Grinsend muss ich mich wegdrehen und finde es gar nicht so schlimm, dass das Kind Spielfilme und Kino nicht erträgt. Ist doch viel besser so
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