An der Lände angekommen kann ich etwas durchschnaufen, mich verpflegen, ein Sekundenschlaf wirkt Wunder, noch bin ich gut in der Zeit, das Finish ist abermals nicht mehr weit.
Da kommt Felix, der mich und 2-3 andere frägt, ob wir, wenn wir unser Ziel erreicht hätten, nicht doch noch einmal umdrehen könnten und die auf der Strecke verbliebenen einsammeln könnten. Wir kennen doch den Weg, haben die Erfahrung und hätten gezeigt, dass wir den Willen und die Kraft hätten das Ziel zu erreichen.
Wir verdanken Felix sehr viel und natürlich wollen wir helfen, andererseits sind wir jetzt schon so lange unterwegs, die Reserven sind nahezu vollständig aufgebraucht, bei mir lauert die MS nur auf ein Zeichen von Schwäche . Wir müssen wenigstens kurz aufladen und wenn es nur auf einer harten Liege im Finisherzelt ist, sonst bleiben auch wir unterwegs liegen .
Erschwerend kommt dazu, dass mein unerschütterlicher Fels in der Brandung, mein Herzblatt , dass mir während dem gesamten Rennen nicht nur den Rücken von sonstigen Verpflichtungen komplett frei hielt, sondern mich auch immer wieder unterwegs aufmunterte, bald zu einer Auszeit gezwungen wird. Bis dahin muss ich definitiv im Ziel sein.
Allen, die sich immer noch nicht von mein symbolischen Rätseleien abschrecken ließen, ein erholsames Wochenende
Gestern hatten wir lieben Besuch und 2 aufmunternde Mails bekam ich auch, vielen Dank .
Das Wochenende an der Lände war erholsam. Frisch gestärkt geht es jetzt toi, toi, toi bald ins Ziel.
Ab nächsten Samstag kann ich dann hoffentlich doch wieder mehr über sportliche Themen schreiben und kurz ausschnaufen.
Um die Verbliebenen kümmern wir uns anschließend .
In den letzten Monaten, besonders Wochen war ich so fertig, getrieben, kein Ende in Sicht, keine Hoffnung, bereit zur Aufgabe.
Doch die familiäre Burg hält und ein Traum flimmert ganz zart im Hintergrund, so unwahrscheinlich, dass ich ihn gar nicht erwähne.
Die letzten Tage bessert sich endlich, endlich der Wahnsinn und auch die Stürme pausieren punktgenau zum richtigen Zeitpunkt.
Ich fahre doch zum 24 Stunden Lauf nach Heilbronn, wobei von vornerein klar war, dass ich nur bei Tag laufe.
Alter Mann und neue Technik , bis ich ankomme sind alle Parkplätze vor Ort belegt. Ich halte auf einer Anhöhe. Eigentlich nicht so schlimm, aber der Anfang allen Übels, wie ich allerdings erst später merken sollte.
Pünktlich um 11 Uhr startet der Lauf. Es gilt eine fast 2,5 km lange Runde mit drei Brücken möglichst oft zu durchlaufen, walken , wandern, kriechen , egal Hauptsache vorwärts kommend. Für jede Runde spendet man einen Euro für ein Dorfprojekt in Nepal.
Der Regen hat sich rechtzeitig verzogen, aber es windet noch sehr arg.
Was solls, ich bin ich einer gefährlich selbstzerstörerischen Stimmung und laufe ambitioniert los, 10 km in 1.01 Std. Sehe wieder den Barfussläufer aus Rodgau sowie einen Mann, der einen Baumstamm über 42,2 Km schleppt.
Es läuft nicht gerade locker, aber ich will heute nicht nachgeben und beisse, 40 km in 4.04 Std., mir ist klar, dass ich das Tempo büssen werde, aber ich kann nicht anders. Zuviel ist ist den letzten Wochen auf mich eingeprasselt. Heute will ich meinen Willen.
Natürlich dämlich, besonders da mir die Pampe ausgeht. Die zweite Flasche und den Sprudel hatte ich beim Auto gelassen. Fremdversorgen oder wie?
Nach einigen Runden Grübelei ächze ich den Hügel hoch und schleppe die Literflasche über fast die gesamte Runde, da ich es noch ärgerlicher empfinde den Weg zur Verpflegungsstelle zurück umsonst zurücklegen zu müssen.
Ich komme total aus dem Rhythmus, erwache in der Realität, 50km in 5.12 Std. meine zweitbeste Zeit überhaupt. Nur ist jetzt kein Schluß, Kuchen, Feiern, Ausruhen, nein, es muss auf dem letzten Zahnfleisch weiter gehen.
Es ist mittlerweile viel zu warm, die Ersatzkleidung ist natürlich auch im Auto .
Das Tempo sinkt rapide, alles schmerzt. Ich will und kann doch nicht. Warne einen neuen Laufkumpel, der lange Zeit mit mir unterwegs war, dass ich jetzt jederzeit aufhören könnte. Die 60 erreiche ich noch in 6.24 Std., ein Rest Vernunft souffliert mir, dass ich ausnahmsweise ohne Herzblatt selbst noch heimfahren muss.
Als ich erstmals die steilste Brückenrampe nicht mehr im pomuskeleinsetzenden FMMT-Schlenderstil hocheile, zieht es mir den Stecker endgültig. Nach der Runde und 63,7 Km in 6.52 Std. höre ich auf, schwanke zum Auto, lege die Füße hoch, beruhige den Kreislauf, massiere meine Muskeln, fahre vorsichtig mit zitternden Beinen heim, massiere immer wieder, kann mich daheim aus dem Auto hochziehen, wieder bei Herzblatt
Bin ich zufrieden?
Eigentlich wollte ich 3 Runden mehr laufen und am Sonntagmorgen eventuell noch etwas zulegen.
Vor Aufregung kann ich nicht schlafen, versuche die Muskeln zu entspannen.
Soll es so enden? Kommt nochmals so eine Chance?
Doch kann ich in wenigen Stunden überhaupt wieder traben?
Immerhin trainierte ich gerade diesen Effekt immer wieder an den letzten Wochenenden.
Um 4.20 Uhr stehe ich auf, schwanke ins Bad, frühstücke dick belegte Honigbrötchen und einen pappsüßen Amerikaner. Ich muss eh noch nach Heilbronn, abmelden und zahlen. Vielleicht kann ich wenigstens noch die 3 eigentlich für den Vortag geplanten Runden irgendwie überstehen.
Es ist nebelig, frei zu fahren, jetzt kenne ich den Weg, parke wie gestern, habe diesmal immerhin eine Kiste dabei, stolpere zum Start.
Ganz vereinzelt sind noch Athleten unterwegs, fast alle gehend. Krass wie sie das durchhielten .
Ich versuche zu traben, Muskeln beschweren sich sofort, wollen ihre Ruhe.
Die Stimmung ist dafür grandios, Morgendämmerung am Fluss, Nebel, eiskalte Luft, das Gefühl von Freiheit. Die trüben Gedanken verwehen, mir wird es warm ums Herz. Wie meinte Carolinchen: Alles kann, nichts muss.
Ich darf und ich will. Ich trabe, die Oberschenkel sind zu, doch meine Waden sind einsatzfähig. Ich erhöhe die Schrittfrequenz, bleibe ganz dicht über dem Boden, läuft doch
Der Streckensprecher ist erstaunt, dass um die Zeit noch oder schon wieder einer läuft, motiviert. Ich will und noch kann ich. 3 Runden, 70 km geschafft, weiter 4 Runden, 80 geschafft. Vielleicht noch 2, das ist überschaubar, dann wäre es ein doppelter Marathon, geschafft.
Das üppige Frühstück ist mittlerweile verdaut, jetzt verstoße ich voll gegen meine sonstigen Ernährungsgewohnheiten, greife zu den reichlich angeboteten Schokostückchen. Superlecker, über die Mundschleimhaut aufgenommen sofort Glücksgefühle auslösend. Noch 2 Runden, 7.10er min /km Schnitt hält, 90 geschafft. Noch ist Zeit bis zum Zielschluß, weiter, es wird hart, hart für meinen Schweinehund, dafür kriegt er Süßes, so viel wie seit Jahren nicht. Ich will ins Ziel, noch 2 Runden. Ich muss aufpassen, nicht zu lange stehen zu bleiben, sonst ist es aus mit einem Neustart, 95Km durch. Weiter, die Uhr tickt, jetzt übernimmt die bisher ereichte Strecke die Gefühlskontrolle, ich will es mir nicht mehr nehmen lassen. Letzte Runde, im Ziel, Erleichterung. Ich hätte es nie geglaubt, doch ich bin in den 24 Stunden etwas über 101 km mit ca. 650 Höhenmetern gelaufen, vor allem nach den 14.26 Std. vom Taubertal in einer für mich absolut unvorstellbaren Zeit von 11.16 Stunden
Jetzt bin ich zwar muskulär in den Beinen völlig platt, ordentlich mit Blasen versehen, aber mental wieder im Lot
Allen einen zufriedenen Sonntag