Danke für das interessante Posting, Schwarzfahrer. Es macht ja am meisten Spaß, wenn man Antworten bekommt; und noch mehr, wenn man neben Applaus auch ein paar Nörgeleien auslöst. Betrachte meine Antwort als gerechten Lohn auf Dein gutes Posting, und nicht als Kritik.
Danke, gleichfalls. Ich betrachte es als interessanten Meinungsaustausch, da es bei dem Thema sehr unterschiedliche Ansichten gibt.
Zitat:
Ich finde, wir sollten hier genau sein, denn unser Rat soll nützlich sein. Gibt die Religion sichere Antworten? Oder stellt sie einfach keine Fragen?
Nach meinen rationalen Maßstäben gibt Glauben natürlich keine sichere Antwort, eigentlich gar keine. Aber für die Gläubigen, die ich kenne, und die ich nicht als fanatisch oder fundamentalistisch einstufe, sind das trotzdem absolute Sicherheiten: Gott hat die Welt erschaffen; am Tag des Jüngsten Gerichts werde ich an Seite von Jesus sitzen... o.ä. Das ist für diese Leute wie die Aussage, daß Mittags die Sonne am Himmel ist; nicht nötig zu überprüfen, weil es einfach so ist. Wenn ich entgegne, "was war bevor Gott die Welt erschuf", oder was habe ich davon, beim jüngsten Gericht dabei zu sein?" ist die Antwort, daß man keine weiteren Fragen mehr braucht, wenn die ersten beantwortet sind.
Meine Erfahrung von Glaube und Religion ist, daß man darüber gar nicht zu diskutieren braucht, außer man möchte den anderen vom Glauben abbringen - aber warum sollte ich das wollen? Mit Ratio klappt das in den allerseltensten Fällen, glaube ich.
Zitat:
Man kann aber gerade diesen Leuten zeigen, dass sie falsch liegen. Die Frage ist, ob man in dieser Situation darauf verzichtet; aber wenn die Eltern aufnahmebereit sind, dann könnte man sie mit folgendem Gedanken konfrontieren:
...
Dies sind keine wissenschaftlichen (atheistischen) Argumente. Man kann sie gegenüber Gläubigen aussprechen. Das legt nahe, dass der Glaube keineswegs von allen Zweifeln befreit. Gläubige Eltern verzweifeln an diesen Fragen ebenso wie alle anderen. Gerade wenn die Bibel wahr sein sollte, ergeben sich Zweifel daran, warum das Leid der Kinder nötig und gut sein sollte.
Aber warum sollte ich das tun? Was ich erreichen kann, ist, daß sie evtl. den Trost aus dem Glauben verlieren. Aber ich maße mir nicht an, ihnen auch die Selbssicherheit geben zu können, die Last und das Leid ohne diesen Trost schultern zu können, auch wenn ich es für mich kann.
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“If everything's under control, you're going too slow.” (Mario Andretti)
Aber sobald man die Gläubigen fragt, welcher Sinn es denn sei, von dem sie dauernd reden, dann hört man nichts mehr.
Ich beobachte es eher als ein „wird schon irgendeinen Sinn haben“, ohne dass man wüsste, welcher.
Ich denke, dass der Sinn darin besteht, sich nicht alleine ("ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand") und bedeutungslos ("das ganze folgt Gottes Plan, den kein Mensch kennt") zu fühlen, und es hilft, der Todesangst/unserer Endlichkeit eine Idee von Unsterblichket ("ich bin mehr als nur ein Fünkchen im All") entgegen zu setzen.
Also etwa so: Gott alleine kennt den Sinn, und meinem Leben gibt Gott Sinn.
Unser Freund hat weder ein Problem mit dem Selbstbewusstsein noch ein "spirituelles Bedürfnis" - er weiß nicht mal, was das ist und will es auch nicht wissen.
... Aber müsste dieser Gott ihm dann nicht mal gesagt haben, was er von ihm will? Bisher hat sich keiner gemeldet ...
Dann ist doch alles bestens: unserem Freund fehlt nichts im Leben. Alle seine Bedürfnisse sind erfüllt. Und Gott hat sich auch noch nicht gemeldet, er geht unserem Freund offenbar lieber nicht auf die Nerven und lässt ihn in Ruhe genau auf die Art glücklich werden, wie unser Freund das will.
Das scheint mir ein Zustand ziemlich nah am Paradies. Passt und Prost - auf ein langes und glückliches Leben!
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist das etwas, was die christlichen Kirchen gerade eben nicht können: ein spirituelles Bedürfnis befriedigen.
Dass Kirchen Dein spirituelles Bedürfnis nicht erfüllen, glaube ich sofort. Trotzdem kenne ich Menschen, deren spirituelles Bedürfnis im Rahmen der Kirche (und ich sage jetzt bewusst nicht "durch die Kirche") erfüllt wird - so weit ich das beurteilen kann. Auf Grund dieser Beobachtung würde ich die These aufstellen, dass Kirchen sehr wohl ein spirituelles Bedürfnis erfüllen können, nämlich im Sinne einer Möglichkeit, dass das passiert. Garantie gibt´s natürlich keine. Und wer überhaupt kein spirituelles Bedürfnis hat, ist bei der Kirche natürlich auch fehl am Platz.
Würden wir auch zugestehen, dass der Glaube an Jupiter ein spirituelles Bedürfnis befriedigt? Ja. Denn wenn jemand darin etwas Sprituelles sieht, dann ist es eben so.
Es zeigt, dass der Gedanke bedeutungslos ist, wenn man den Begriff auf diese Weise verwendet.
Bedeutung ergibt sich dann, wenn etwas wahr ist oder zumindest wahrscheinlich, sodass die Vermutung nicht völlig albern ist. Beispielsweise würden wir die Vorstellung, die Erde balanciere auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte, nicht spirituell nennen. Vor einiger Zeit hätte man das noch anders gesehen.
Ich habe so meine Zweifel, ob man heute den ganzen katholischen Heiligen- und Engels-Pantheon noch „spirituell“ nennen kann. Es ist allenfalls mystisch, und womöglich hat jemand ein Faible für Mystik. Ist die Moses-Erzählung spirituell? Sein Zauberstab? Die Blut-Opfer? Die grausamen Gebote?
Was ist mit folgender These: Die meisten Leute gehen nicht in die Kirche aus Spiritualität, sondern weil sie sich vor Bestrafung fürchten, oder weil sie sich einen Vorteil beim Jüngsten Gericht erhoffen. Die Predigt finden sie langweilig, aber die Gesänge sind nett.
Was ist mit folgender These: Die meisten Leute gehen nicht in die Kirche aus Spiritualität, sondern weil sie sich vor Bestrafung fürchten, oder weil sie sich einen Vorteil beim Jüngsten Gericht erhoffen. Die Predigt finden sie langweilig, aber die Gesänge sind nett.
Ich lebe in einer erz-katholischen Gegend und habe viele Kollegen und Bekannte, die zu gegebenen Anlass gerne mal in der Kirche vorbei schauen. Heißt für deine These: Bullshit. Wenn ich jetzt noch meine norddeutsche, evangelische Heimat in die Betrachtung mit einbeziehe, kann ich mich nur über mich selbst ärgern, darauf so ausführlich geantwortet zu haben.