Zitat:
Zitat von Matthias75
Vermutlich mache ich mich jetzt unbeliebt, aber…
Wie oft will er noch seine Leistungen analysieren und für die nächste Saison Schlüsse daraus ziehen und/oder etwas neues/anderes ausprobieren (nach letzterem sieht es aktuell zumindest nicht aus)?
Ich meine, er wird im Frühjahr 35 Jahre als und hat scheinbar immer noch keinen richtigen Plan, was trainingstechnisch bei ihm funktioniert und was nicht. Soviele Jahre bleiben ihm nicht mehr, um das herauszufinden. Natürlich kann man auch in dem Alter etwas neues Testen und mal den Trainer wechseln, um neue Reize zu setzen. Bei Sanders wirkt das auch mich nicht so, als hätte er einen langfristigeren „Masterplan“. Kann mich aber auch täuschen. Ist nur mein Eindruck von außen beim Betrachten seiner Videos.
M.
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Nee, nicht unbeliebt ...
Mir kam gestern dazu ein Gedanke, der nur mittelbar etwas mit Sport zu tun hat.
Bezüglich der Kommentierung eines stundenlangen Livestreams sagte mal jemand, dass es verdammt schwierig sei, ununterbrochen ins "Leere" zu sprechen, ohne dass dabei manchmal Mist erzählt wird. Deshalb kritisieren wir ja oft die Berichterstattung von ZDF, HR oder Ironman Now.
Zweites Beispiel: wenn ein bildender Künstler gebeten wird, sein Gemälde zu erklären, dann kann dabei, Zitat eines Künstlers: "nur absoluter Mist bei rauskommen." Künstler sollten um Gottes Willen bloß nicht selbst ihre Kunstwerke erklären.
Wahrscheinlich wollen wir nicht wissen, was sich Vermeer bei dem "Mädchen mit dem Perlohrring" gedacht hat. Ich will es nicht wissen - würde komplett die Romantik zerstören
Was hat das ganze mit Lionel
Sanders zu tun? Er ist wahrscheinlich mit Abstand der Langdistanzathlet, der seit vielen Jahren am großzügigsten mit seinen innersten Gedanken zu Training, Wettkampf und Allgemeinbefinden umgeht und diese Gedanken nicht nur niederschreibt (Blog, früher) sondern in sozialen Medien mit enormer Aufmerksamkeitsbindung (Format Video - Youtube) nach einem geregelten Zeitplan veröffentlicht. Das hat bei den Usern und Konsumenten zu einer überhöhten Erwartungshaltung geführt und macht ihn als Athlet und Mensch extrem angreifbar.
Vermutlich (hier gehe ich von mir aus) haben all die anderen Athleten die gleiche Struktur seiner Gedanken (wie fühle ich mich, wie bin ich auf den Wettkampf vorbereitet, wie lief es, was kann ich besser machen, was muss oder was will ich ändern usw. usf) - nur er ist der Einzige, der es mit festem Blick in die Kamera immer wieder öffentlich äußert.
Ein ehemaliger Nutzer hier hat ihm mal ständige Selbstassertionen unterstellt - die habe ich auch, nur bleiben die leise in meinem Kopf.
Lionel hat sich dazu entschieden, all (?) seine Gedanken öffentlich zu teilen, vielleicht ist er der Typ dazu (begonnen hatte er mit einem Blog und er hat das damals sehr gemocht), vielleicht ist der Prozess langsam entstanden, vielleicht bespielt er die Klaviatur der sozialen Selbstdarstellung mitllerweile sehr gern mit seinem kongenialen Partner Talbot (der die richtigen Fragen stellt), weil sich alle Beteiligten daran gewöhnt haben und sich daraus natürlich auch ein sehr gutes Geschäftsmodell entwickelt hat.
Was ich damit ausdrücken will, ist, dass sich Lionels Gedankenwelt und seine Analysen gar nicht so sehr von denen anderer Athleten unterscheiden werden; Er ist nur der Einzige, der immer wieder versucht, das Geschehene, das Beobachtete, die "Realität" in Worte zu fassen und daraus Handlungen abzuleiten, während alle anderen "die Klappe halten".
Damit wären wir wieder beim Künstler, der ja nicht sein Werk erklären sondern es einfach nur wirken lassen sollte
PS: Ich mag Lionel für seine Art und ich hoffe, er wird irgendwann zurückschauen und seine Kinder werden sagen: Dad hast du gut und richtig gemacht.
PPS: als Antithese kann man natürlich Gustav Iden anführen. Seine Vorher-Nachher-Interviews bei Bob Babitt sind in der Klarheit seiner Voraussagen und Analysen erschreckend beeindruckend.