Zitat:
Zitat von sybenwurz
Jou.
Klingt rein den Zahlen nach erstmal nach Werten, in denen man sich sonnen kann.
|
Wir können freilich auch genauso weitermachen wie bisher und hoffen, dass sich im Ergebnis etwas ändert.
---
Mal grundsätzlich: Der Klimawandel gefährdet nicht das Leben auf diesem Planeten. Sondern die Erde wird, in welcher Form auch immer, von zahllosen Arten bevölkert sein. Flora und Fauna werden sich langsam an jedes Klima anpassen. Auch der Mensch wird nicht aussterben. Vielleicht wird es in Zukunft weniger Menschen geben, vielleicht werden sie sich aus kaum bewohnbaren Gebieten zurückziehen usw.
Was vom Klimawandel wirklich gefährdet wird, ist die liberale Demokratie.
Eine große Krise nach der anderen wird unsere Gesellschaften in die Zange nehmen und sie spalten. Krisenzeiten sind Zeiten der Spaltung und des Populismus. Ohne Krisen keine AfD. Bankenkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise haben unseren Zusammenhalt bereits strapaziert und europaweit rechte Parteien nach vorne gebracht. Demnächst kommt eine Wasserkrise, die sich nicht lösen lässt. Teile Spaniens, Frankreichs, Italiens und Deutschlands vertrocknen. In Griechenland brennen heute die Wälder. Eine Energiekrise und eine Wirtschaftskrise können bevorstehen. Mehr und mehr werden sich große Krisen gleichzeitig abspielen und unsere Politik überfordern.
Warum gefährdet das die liberale Demokratie? Weil jede dieser Krisen die politischen Entscheidungsspielräume verkleinert. Demokratie lebt davon, dass es mehrere Handlungsoptionen gibt, zwischen denen man wählen kann. Beispielsweise hatten wir vor dreißig Jahren die Wahl, wie wir unsere Energieversorgung gestalten: Mehr oder weniger Kohle, mehr oder weniger Atom, mehr oder weniger Öko, Veränderungen in diesem oder jenem Tempo: Die Parteien vertraten unterschiedliche Konzepte, der Bürger hatte die Wahl.
Heute haben wir diese Wahl kaum noch. Es gibt nur noch einen einzigen Weg, nämlich Strom aus erneuerbaren und klimaneutralen Energiequellen. Und zwar schnellstmöglich. Es gibt aktuell Streit um ein paar Jahre Atomstrom hin oder her, und das war’s dann auch schon an Entscheidungsfreiheit. Sachzwänge nehmen der Demokratie die politischen Optionen weitgehend aus der Hand. Heizungen: Auch hier bleibt fast nur die Wärmepumpe als künftige Option, quer über alle liberal-demokratischen Parteien. Wem das nicht passt, wählt AfD.
Wenn wir dabei nicht einfach zuschauen wollen, wie die Feinde der Demokratie immer mehr Zulauf bekommen (wie beispielsweise in den USA mit Donald Trump), muss sich meiner Meinung nach an der Demokratie etwas ändern. Sie muss handlungsfähiger werden und den künftigen Krisen, von denen sie gefährdet wird, etwas entgegensetzen. Und sie muss der Parteienpolitik, welche mehr von der gesellschaftlichen Spaltung als vom Zusammenhalt profitiert, ein Element des Zusammenhalts hinzufügen.
Ob Bürgerräte dabei hilfreich sind, weiß ich nicht. Vielleicht ja, vielleicht nein. Aber der Reflex, dass alle Veränderungen an der Demokratie vom Typ "Bundesrepublik Deutschland", den es weltweit nur einmal gibt, schlecht und in jedem Falle abzulehnen seien, halte ich für nicht richtig. Wir sollten offen sein für Veränderungen. Was sich vom Neuen bewährt, wird beibehalten, der Rest verworfen. Warum denn nicht?