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Alt 20.09.2016, 09:07   #3552
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
Coach
 
Benutzerbild von Klugschnacker
 
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
Beiträge: 24.370
Zitat:
Zitat von neo Beitrag anzeigen
Ich hätte ja kein Problem damit, wenn Arne sagte: "Ich empfinde die Natur als intelligent und kreativ." Damit könnte ich gut leben. Aber der Natur allgemein diese Attribute beizubringen, halte ich schlichtweg für gewagt. *jesuiten-modus ausschalt*
Ich verstehe durchaus Deinen Einwand, neo. Du sagst, die Natur sei nicht intelligent. Sie findet ihre Lösungen einfach durch geistloses Herumprobieren. Folglich könne dieser Prozess nicht als intelligent bezeichnet werden.

Sehen wir einmal davon ab, ob Gehirne nicht ganz ähnlich zu kreativen Lösungen kommen, nämlich durch Ausprobieren zahlreicher kreativer Möglichkeiten. Oder ob ein spontaner guter Einfall nicht Ähnlichkeiten mit einer zufälligen, aber günstigen Mutation hat. Wie gesagt, lassen wir das beiseite. Unterstellen wir stattdessen, menschliche Intelligenz sei etwas ganz anderes als die Anpassungen in der Natur, die auf Zufall und Auswahl beruhen.

Dann können wir aber immerhin das Ergebnis dieser Anpassungen als sinnvoll anerkennen. Die Zeichnung auf den Flügeln eines Schmetterlings, die große blinkende Augen zeigt und damit Vögel in die Flucht schlägt, ist möglicherweise nicht in ihrem Entstehungsprozess, aber in ihrem Ergebnis intelligent. Falls Dir dieses Wort in dem Zusammenhang nicht gefällt, einigen wir uns darauf, dass in der Zeichnung auf den Flügeln des Schmetterlings ein Wissen über das Verhalten von Vögeln steckt.



Dieses Wissen ist nicht im Gehirn des Schmetterlings lokalisiert. Es steckt in der DNA und kam nicht von dem Schmetterling selbst, sondern ist ein Ergebnis der Struktur, in der Mutation und Selektion wirken. Wir Menschen verfügen ebenfalls über Formen des Wissens, die nicht im einzelnen Gehirn lokalisiert sind, und auch nicht in unserem genetischen Code, sondern zum Beispiel in unserer Kultur: So ist etwa die Arbeitsteiligkeit unserer Gesellschaft ein spektakuläres Erfolgsmodell, das uns in unseren technischen Fähigkeiten weit über die Tiere hinaushebt. Wir können auf den Mond fliegen und innerhalb weniger Jahren sämtliche Regenwälder abholzen, kaum dass wir selbst von den Bäumen herabgestiegen sind.

Wo ist dieses Wissen lokalisiert? Es steckt im kulturellen Wissen unserer Gesellschaft, also weder in einem einzelnen Gehirn, noch in unseren Erbmolekülen. Wer hat dieses Wissen erfunden? Niemand, also keine einzelne Person. Sondern es hat sich durch Mutation (Variantenbildung) und Selektion (Fortbestand funktionierender Strategien) entwickelt. In vielen Fällen sind wir uns des kulturellen Wissens gar nicht bewusst. Etwa in der Art, wie wir unsere Kinder aufziehen: Wir schauen uns das einfach von der vorangegangenen Generation ab, ohne zu ahnen, was alles schief gehen könnte, wenn wir einen ganz anderen Weg der Aufzucht wählen würden. In unserem kulturellen Wissen ist ein gut funktionierender Weg für die Aufzucht des Nachwuchses gespeichert, den wir selbst nicht bewusst durchschauen. Das merken wir erst, wenn wir da hineinpfuschen und damit beispielsweise das Bonding zwischen Mutter und Neugeborenem stören.

Wissen ist nicht nur in Gehirnen gespeichert, und intelligente Lösungen werden nicht nur von Gehirnen erzeugt. Deshalb meine Beispiele für das Wissen einer biologischen Art, gespeichert im Genom, sowie für das Wissen einer Kultur, gespeichert in den Bräuchen, und natürlich für das individuelle Wissen, gespeichert im Gehirn.

In gleicher Weise sind auch Verhaltensweisen, die wir mit Begriffen der Moral versehen, nicht auf die Sphäre individuellen, einsichtigen Handelns beschränkt. Es handelt sich schlicht um funktionierende Strategien. In aller Regel haben wir sie nicht erfunden, sondern sie haben sich entwickelt. Moral ist daher bereits in den Mechanismen angelegt, die dieser Entwicklung zugrunde liegen. In welchem Grade der moderne Mensch aggressiv und in welchem Maße er friedlich ist, wurde durch seine genetische, seine kulturelle und seine individuelle Entwicklung entscheidend geprägt. Du scheinst den Schwerpunkt auf den individuellen Aspekt zu legen (jeder Mensch entscheidet selbst über moralisches Handeln), doch der genetische und kulturelle Aspekt überwiegt bei weitem. Denn er legt fest, was wir unter Moral überhaupt verstehen wollen.
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