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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - triathlon-szene Radtag: Zwei-Seen-Tour München 185 km
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Alt 05.10.2020, 17:39   #26
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
Coach
 
Benutzerbild von Klugschnacker
 
Registriert seit: 16.09.2006
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Beiträge: 22.970
Das Ende unserer Tour sah so aus: Sebastian kam barfuß, in den Klamotten fremder Leute und ohne Rad zu Hause an. Wir anderen trugen noch unsere Schuhe, aber sechs von uns erreichten ohne ihre Räder die eigene Behausung, drei mit.

Wir hatten uns am Südrand von München, am Eingang zu Perlacher Forst, wie verabredet getroffen. Bei Sonnenschein und warmen 18°C genossen wir den jungen Tag auf weitgehend leeren Straßen. Nach etwa 50 Kilometern lasen wir in Bad Tölz unseren Freund Ingo auf und düsten weiter Richtung Voralpen.

Kenn hier jemand die Jachenau? Falls nicht, ist das unbedingt nachzuholen. Der Abschnitt von Tegernsee leicht ansteigend zum Walchensee sowie dessen Uferstraße gehören zum Besten, was man als Radler in Deutschland so machen kann. Wir waren zu neunt und in bester Radlerlaune. Dass wir außerdem Rückenwind hatten, gab der ganzen Aktion fast schon einen Stich ins Kitschige.

Ein Blick auf meinen Garmin bestätigte unser Gefühl: Es wurde immer wärmer. Während wir uns dem von Bergen umstandenen Walchensee näherten, stieg die Temperatur in bemerkenswertem Tempo an. Es war gespenstisch, als würde jemand mit einem großen Fön über die Berge blasen. Kurz vor dem Walchensee hatten wir 26°C! Fast ärgerte ich mich, eine leichte Jacke dabei zu haben, denn hier war definitiv Sommer.

Wir kamen gut voran, harmonierten als Gruppe und rissen ständig Witze, wie das halt so ist, wenn die Straße rollt und die Sonne scheint. Jedoch machten wir uns auch Gedanken über den weiteren Weg. Links von uns lugten plötzlich dunkle Wolken über die parallel verlaufende Bergkette. Diese wollten wir eigentlich umrunden, sodass auf unserem Heimweg mit Regen zu rechnen war. Im selben Moment kam immer wieder mal vereinzelte Regentropfen zu uns rüber geweht. Nicht viele, nur hier und da, aber die waren groß und eiskalt.

Die Sonne verschwand, die Tropfen wurden mehr und wir schweigsamer. Kurz darauf hatten wir Jacken an, die Temperatur war ordentlich gesunken. Aber was soll’s? Dass mit einem Schauer zu rechnen war, wussten wir vorher. 0.5-1.0 Millimeter Regen zeigte meine App mit einer Wahrscheinlichkeit von 60%, bei erträglichen 10°C. Also halb so wild. Trotzdem: Kann es nicht heute noch gutes Wetter haben, bitte?!, dachte ich mir. Da vernahm ich eine Stimme aus den Wolken: „Gehe hin, mein Sohn, und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen!“. Auch wieder wahr. Also ging ich hin und war froh und es kam schlimmer. Viel schlimmer.

Wir änderten die Route. Am Ende des Walchensees strampelten wir nicht nach links Richtung Sylvensteinspeicher, denn von dort kam der Regen. Stattdessen entschieden wir uns für eine Flucht in die andere Richtung, über den Kesselberg nach Kochel, und dann wieder ins trockene Wetter.

Was dann kam, habe ich noch nicht erlebt. Die Temperatur fiel innerhalb weniger Augenblicke von 26°C auf 4°C, bei klatschnassen Straßen und Regen. Die Abfahrt vom Kesselberg runter war unglaublich kalt. Warum zum Henker hatte ich mich bloß für die leichte Windjacke und gegen eine wasserdichte Regenjacke entschieden? Ich war klatschnass. Ich schlotterte am ganzen Körper, zitterte mit Armen und Beinen und klapperte mit den Zähnen. Nicht zum ersten Mal übrigens. Ich bin es gewohnt, die Winter auf dem Rennrad durchzufahren. Vier oder fünf Grad klingen in meinen Ohren nicht sehr schlimm. Doch durchnässt wie wir alle waren, war es echt brutal.

Anfangs glaubte ich, dass nur ich so friere. Dann sah ich, wie Sebastian, der 15 Meter vor mir durch die Pfützen flügte, so zitterte, dass sein Lenker kleine Schlangenlinien fuhr. Wie meiner auch. Es ging uns allen gleich.

Also weiter! Unsere einzige Option war es, so schien es mir, zügig weiter zu fahren, um den Schauer hinter uns zu lassen und vielleicht wieder etwas abzutrocknen. Schließlich war es keine halbe Stunde her, dass wir noch Sommer hatten! Doch jetzt war um uns herum alles grau, so weit wir auch blickten. Die Autos hatten ihre Schweinwerfer angeschaltet.

Die kommenden eindreiviertel Stunden waren knallhart. Wir kurbelten zäh über die Straßen, im Wortsinne blaugefroren, und hatten wirklich zu leiden. Nach fast fünf Stunden Fahrzeit blieben wir am Rand eines Dorfes stehen, um uns kurz zu besprechen. Ich wollte möglichst sofort weiter, da es durch das Anhalten nur schlimmer würde. Doch dann begriff ich, dass wir nicht weiter konnten. Zuerst sah ich es an meinem Freund Urs, ein erfahrener, zäher und wetterfester Fahrer, der so unkontrollierbar schlotterte, dass er selbst mit dem Stehen Mühe hatte. Den anderen, mich eingeschlossen, ging es nicht viel besser.

Ich war noch unentschlossen, was zu tun sei, doch Yvonne und Sabine waren bereits dabei, Hilfe zu holen. Sie klingelten am nächsten Haus, und das war schließlich unsere Rettung.

Wir durften die Räder in die Garage und uns selbst in den geheizten Hausflur stellen. Zu siebt tropften wir dort die Bude voll. Ich rief ein Gruppentaxi, das uns nach München bringen sollte. Als es nach 20 Minuten kam, zitterten wir immer noch am ganzen Leib. Die Familie, die uns half, gab uns heißen Tee, Handtücher und sogar trockene Joggingklamotten, aber nur Sebastian fühlt sich noch ausreichend beweglich, sich umzuziehen. Ich selbst war am ganzen Körper steinhart.

Am nächsten Tag holten wir die Räder dort ab. Zu viert fuhren wir die Runde nochmal, denn das wäre ja noch schöner, oder?! Die Runde ist offiziell abgehakt.

Bei der Familie konnten wir uns nochmal im Namen aller Teilnehmer bedanken. Das ist nicht so ohne, wenn sieben klatschnasse fremde Typen schlotternd vor der Tür stehen und rein wollen. Sie waren wirklich rührend. Ohne ihre Hilfe wären wir möglicherweise in ernste Schwierigkeiten geraten.

So war’s. Ein echtes Abenteuer. Eine der Geschichten, die der Radsport uns in die rasierten Seelen schreibt. Ein neuer Mitbewohner im Haus unserer Erinnerungen. Für mich eine Erinnerung der guten Sorte, was nichts anderes heißt als: Alles ging gut, und ich war dabei.

Danke an Yvonne, Sabine, Urs, Ingo, Peter, Kurt, Jörg und Sebastian für den unvergesslichen Tag!

Arne
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