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Ich finde es nicht richtig, wenn Menschen aufgrund ihres religiösen Glaubens verfolgt werden, wie Bernd S. es in seinen letzten Postings angedeutet hat. Befürworter und Gegner bestimmter oder aller Religionen sollen ihre Argumente in Deutschland frei austauschen, sofern sie sich auf der Basis der Grundgesetzes bewegen. Ich denke nicht, dass es in diesem Punkt eine Kontroverse gibt. Die Meinungsfreiheit ist für alle hier diskutierenden, soweit ich das beurteilen kann, ein hohes Gut.
Trotzdem ist wahr, dass religiösen Menschen in unserem zunehmend aufgeklärten (den Idealen der Aufklärung folgenden) Zeitalter einen schwereren Stand haben, als das früher der Fall war. Dies sollte jedoch nicht als Ablehnung speziell des Christentums missverstanden werden. Die Kritik an den Religionen ist aus meiner Sicht tiefgreifender und geht über die einzelne konkrete Religion hinaus.
Man erkennt das gut am aktuellen Beispiel der mutmaßlich einer Vergewaltigung zum Opfer gefallenen Frau, die von katholischen Krankenhäusern auf Weisung vorgesetzter Stellen nicht behandelt wurde. Die Empörung in der Gesellschaft bezieht sich meiner Meinung nach im Kern nicht auf bestimmte Glaubensinhalte, etwa die Frage, ob ein paar Dutzend Zellen ohne Nervensystem eine Person im engeren Sinne darstellen oder nicht. Die Gesellschaft akzeptiert, wenn Menschen meinen, Gott selbst habe sich in dem Sinne offenbart, dass es sich dabei um eine Person handelt. Die Gesellschaft akzeptiert auch, wenn Gläubige in "Gotteshäusern" oder privat sich diesem Glauben widmen.
Die Gesellschaft akzeptiert aber nicht, wenn diese Überzeugungen in ein Krankenhaus hineingetragen werden. Krankenhäuser haben einen vom Volk als oberstem Souverän erteilten Versorgungsauftrag. Religion hat hier nichts zu suchen, das fordert die im Grundgesetz festgelegte Trennung von Kirche und Staat. Religiöser Fundamentalismus ist im Sinne der Meinungs- und Religionsfreiheit akzeptiert, sofern er sich auf Kirchen und den privaten Raum erstreckt. In einem öffentlichen Krankenhaus müssen sich jedoch die Grundwerte der Gesellschaft widerspiegeln. Es sollte nicht an diesem Ort und bei dieser Gelegenheit die Gesellschaft von der Kirche über diese Grundwerte belehrt werden. Die Kirche missbraucht sonst das von der Gesellschaft in sie als Träger eines Krankenhauses gesetzte Vertrauen – nichts anderes ist die Ursache der Entrüstung.
Kritisiert wird also nicht das Christentum oder Religion als solches. Kritisiert wird die übergriffige Vermischung von öffentlich erteiltem Versorgungsauftrag und fundamentalistisch-religiösem Sendungsbewusstsein.
Grüße,
Arne
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